Dieser Artikel erschien im Yearbook 2017.

Dave Rastovich hat sich als Freesurfer schon immer für Nachhaltigkeit, Schutz der Meere und Umweltthemen engagiert. Spektakulär war seine im Jahr 2009 initiierte Kampagne „TransparentSea“, bei der er mit einem kleinen Trimaran die australische Küste entlangsegelte, um gegen die Verschmutzung der Weltmeere und die Ausrottung der Buckelwale zu protestieren. Auch bei der Meeresschutzorganisation Sea Shepherd ist Rastovich seit Jahren aktiv.

Dave Rasta Sri Lanka Pointbreaks Tommy Schulz

Der ikonische Freesurfer beendete im vergangenen Jahr seine langjährige Zusammenarbeit mit dem australischen Surf-Label Billabong und steht ab sofort als fest angestellter Mitarbeiter auf der Gehaltsliste von Patagonia. Ein Schritt, der für viele in der Surf-Industrie sehr überraschend kam. Doch genauer betrachtet ist diese Entscheidung für Rasta mehr als konsequent. Eine seiner ersten Amtshandlungen war der Besuch einer Fair-Trade-zertifizierten Textilfabrik in Sri Lanka, um einen Blick hinter die Kulissen der Textilindustrie zu werfen. Hier schildert er seine Eindrücke.

Als ich die MAS-Active-Leisureline-Fabrik, eine Fair-Trade-zertifizierte Produktionsstätte in der Nähe von Colombo, Sri Lanka, betrete, ist das Erste, was ich wahrnehme, der enorme Lärmpegel, der eindringliche Mix unterschiedlichster Geräusche. In der Halle stehen in schier endlosen Reihen surrende Schneide- und Nähmaschinen hintereinander, die von einigen Hundert Arbeitern, alle in leuchtend grüne Uniformen gekleidet, unter weißem Neonlicht betrieben werden. Laute Musik eines srilankischen Künstlers konkurriert mit den Maschinen um die akustische Dominanz in Werkshalle. Ich stehe in der Mitte einer der größten Textilfabriken des Landes und komme mir ein wenig verloren vor. Was ich hier mache?

Ich will besser verstehen, woher unser Surf Equipment kommt, wer es macht und wie die Arbeiter behandelt werden.

Patagonia Behind The Seams

Für eine lange Zeit gab es zu wenig Transparenz in der Bekleidungsindustrie. Wenn wir Kleidung kaufen, sind wir oft nicht daran interessiert, wie und unter welchen Arbeitsbedingungen sie hergestellt wurde. Ganz zu schweigen von den wahren menschlichen und ökologischen Kosten des Fertigungsprozesses. Ich bin seit meiner Kindheit ein Teil der Surf-Kultur und auch der Surf-Industrie und es interessiert mich schon seit Langem, wer eigentlich meine Ausrüstung herstellt und wie es den Leuten dabei ergeht. Ich bin mir sicher, dass sich viele andere Surfer die gleichen Fragen gestellt haben, aber es gab niemals befriedigende Antworten. Die Wahrheit, wie in der Surf-Industrie Produkte gefertigt wurden, war einfach zu unangenehm. Darüber wollten die meisten Firmen lieber schweigen.

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Meine Zusammenarbeit mit Patagonia gibt mir nun die Chance, hinter die Kulissen der Textilproduktion zu blicken. Sie möchten neue Wege in der Surf-Welt gehen und haben sich zum Ziel gesetzt, so viele Surf-Produkte wie möglich in Fair-Trade-zertifizierten Einrichtungen herzustellen. Durch meinen Besuch in Sri Lanka hatte ich nun die Chance, selbst zu sehen, was Fair Trade in der Praxis tatsächlich heißt. Ich war neugierig zu erfahren, ob und wie meine Einblicke in eine solche Textilproduktion meine Bedenken als Verbraucher ausräumen können. Im Inneren des Arbeitsraums ist mein erster Gedanke: „Wow, wenn es sich hierbei um eine Fair-Trade-Fabrik handelt und das Arbeitsumfeld so laut und stressig ist, kann ich mir kaum vorstellen, wie anstrengend es in anderen Fabriken zugehen muss.“ Aber obwohl die ganze Halle laut ist, ist es sauber und die Luft kühl und leicht zu atmen.

Fair Trade Patagonia Behind The Seams

Der Werksleiter Chandana Bandara startet unsere Tour am Beginn der Produktionslinie, wo ein Garagentor hochgezogen wird, um mir eine Lkw-Ladung Stoffrollen zu zeigen. Die Rollen werden in eine Maschine gelegt und der Stoff wird in einem Tempo abgerollt, das es einem Arbeiter ermöglicht, das Material auf Unvollkommenheiten zu scannen. Diese erste Prozedur zeigt mir eindeutig, dass die Herstellung von Kleidung von Anfang an kein automatisierter Prozess ist. Es braucht echte Menschen mit echten Fähigkeiten.

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Patagonia Fair Trade

Ein Mann namens Chaminda ist verantwortlich für die Stoffinspektion und seine Augen rasen hin und her über die sich rasch abrollende Stoffbahn. Mit einem Stift markiert er in Windeseile kleine Flecken. Ich selbst kann bei diesem Tempo nichts Fehlerhaftes erkennen, selbst wenn ich ganz nah an die Stoffbahnen herantrete. Chaminda trägt die Fabrikuniform, aber unter seiner Hose schaut ein glänzendes Paar Lederschuhe mit Stahlkappen an den Zehenspitzen hervor. Als er sieht, dass ich seine Schuhe verwundert anstarre, fängt er an zu lachen, zieht beide Augenbrauen hoch und wackelt auf diese einzigartige Art der Sri Lanker mit dem Kopf. Im nächsten Moment setzt er seine akribische Arbeit konzentriert fort. „Smooth Operator“, denke ich mir.

Im nächsten Arbeitsschritt werden Designs auf die Stoffe gedruckt. Hier zeigt sich, welche Präzision nötig ist, um die gewünschten Graphics perfekt mit der richtigen Farbverteilung zu platzieren. Auch dieser Prozess läuft komplett von Hand ab. Ich bin erst ein paar Minuten in der Fabrik unterwegs und meine Vorurteile sind bereits pulverisiert. Ich hatte gedacht, dass moderne Fabriken weitgehend mechanisiert wurden, aber ich sehe, dass die Produktion von Textilien in hohem Maße von den Fertigkeiten der Menschen abhängt. Die Hand-Augen-Koordination der Arbeiter zollt mir Respekt ab und alles, was ich hier sehe, steigert meine Wertschätzung für die Tätigkeit dieser Fabrikarbeiter. Die Arbeitsatmosphäre scheint dennoch entspannt, immer wieder sehe ich Leute lachen und scherzen, und wenn ich versuche, den Kopf wackelnden Gruß zu imitieren, lachen sie noch mehr. 

Jarrah Lynch Dave Rasta Patagonia

Meine Tour durch die Fabrik dauert den ganzen Tag und bei jeder Station ist es offensichtlich, dass hoch qualifizierte Arbeit für die Produktion von T-Shirts, Boardshorts und anderer Outdoor-Kleidung essenziell ist. An einer Station sehe ich, wie zwölf verschiedene Frauen fachmännisch an der Herstellung eines einzigen Hemds arbeiten. Die Fabriken, auf die wir uns verlassen, sind nicht nur voller Maschinen, sie sind voll von Leuten. Leute, die lachen, weinen und schwitzen. Menschen mit Familien, Geschichten und Träumen für die Zukunft. Menschen, die von der Industrie schon viel zu lange übersehen wurden.

Hier setzt Fair Trade mit seinem Programm an: Es steigert die Wertschätzung, Anerkennung und den Respekt gegenüber genau diesen Menschen. Menschen, die als Opfer der Gewinnmaximierung großer Konzerne oft unter dem enormen Preisdruck der Auftraggeber und dem Lohndumping der Fabrikbetreiber leiden. Und diese Vorteile sind nicht nur konzeptionell: Bei MAS zeigen mir die Arbeiter Bilder von einer Firmenfeier, die sie anlässlich der Ausschüttung ihrer Fair-Trade- Prämie veranstalteten. Über die Verwendung des Gelds wurde zuvor im demokratisch gewählten Arbeiterausschuss abgestimmt: Jeder Arbeiter erhielt einen 50-Kilo-Sack Reis, Mehl und Babynahrung. Der Stoke in ihren Gesichtern ist auf den Bildern deutlich zu sehen. In einer Industrie, die sich in vielen Bereichen noch enorm verbessern kann, ist dies ein hoffnungsvoller Anfang. Was ich zudem bei meinem Einblick in Fair-Trade-Textilproduktionen lerne, ist, dass soziale Aspekte und Umweltschutz eng miteinander verknüpft sind.

Als ein junges Mädchen einmal den Patagonia-Gründer Yvon Chouinard fragte, warum er sich für den Schutz der Natur einsetze, antwortete er: „Weil ich ein Teil von ihr bin.“ Es gibt keine Grenze zwischen unserem Leben und der Umwelt, von der wir abhängen. Unser symbiotisches Verhältnis innerhalb der Biosphäre zwingt uns Menschen dazu, füreinander zu sorgen. Durch sozial verträglicheres Handeln lässt sich somit auch wirtschaftlich vieles verbessern.

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Credits:

Patagonia
Jarrah Lynch
Tommy Schulz