Die erste Surfboard Finne mit Plastikmüll aus Bali – das versprachen Luise und Felix uns im Sommer vor zwei Jahren. Zu dieser Zeit lief ihre Kickstarter-Kampagne noch auf Hochtouren – mit Erfolg: Die ecoFin ist jetzt auf dem Markt. Mit dem Produkt wollen die nach Australien ausgewanderten Münchner vor allem eines erreichen: Mehr Bewusstsein für die Plastikverschmutzung der Meere schaffen. Gerade haben sie eine Riesenfinne aus Plastikdeckeln gebaut und Luise hat uns erzählt, warum sich ganz Freising nicht mehr traut, Plastiktüten zu benutzen.  

White Waves 5 Oceans

Five Oceans Gründerin Luise Grossmann und ihre Finne.

Interview: Inka Reichert

Ihr lebt noch immer in Australien?

Ja, nun schon das dritte Jahr und mittlerweile sind wir in Byron Bay gelandet. Nach zwei Jahren in Brisbane sind wir näher an die Küste gezogen und treffen hier mehr „like-minded people“. Wir teilen uns ein Büro in einem Warehouse, alles super spannend!

War eure Kickstarter-Kampagne ein Erfolg?

Absolut. Am Ende waren wir sogar "überfunded". Wir konnten mit dem Crowdfunding die komplette Produktion bezahlen und waren erstmal auf kein weiteres Investment angewiesen. Viele Finnen sind bereits verkauft und Surfshops in Europa, Australien und Indonesien haben sie mittlerweile in ihren Läden. 

Gab es Momente, in denen ihr dachtet "das schaffen wir nicht"?

Natürlich haben wir unsere Hausaufgaben gemacht und vor der ganzen Aktion alles berechnet und getestet. Ganz kann man sich bei recycelten Produkten aber nie sicher sein und so wussten wir zwischendurch manchmal nicht, ob es klappt. Aber wir haben nicht aufgegeben und immer weiter am Werkstoff und den Formen gearbeitet.

Uns war von Anfang an klar, dass eine Finne rein aus recyceltem Plastik nicht den Ansprüchen der Surfer genügen würde. Wir haben deshalb ein Glasfaser-Composite (Verbundwerkstoff) entwickelt, damit die Finne die nötige Härte hat und entsprechend bruchfest ist. Im Endeffekt haben die Finnen jetzt eine großen Anteil von recyceltem Plastik und funktionieren super!

Seid ihr mit dem Ergebnis zufrieden?

Total! Und es ist ein unglaubliches Gefühl, wenn man die Finnen an Brettern von Fremden sieht. Wir sind die einzigen, die in diesem Bereich mit recyceltem Material arbeiten und machen noch ziemliche Pionierarbeit. Die Ergebnisse sind super und ja es ist unser Ziel, die Finne weiter zu optimieren und das Material noch nachhaltiger machen. Als Referenz sagen wir immer: 100 Plastikdeckel gehen in ein Finnen-Set. Das mag viel oder wenig sein, aber es ist auf jeden Fall etwas. 

Was hat es mit der Riesenfinne aus Plastikdeckeln auf sich?

Unsere Finnenskulptur besteht genau genommen aus insgesamt 13.000 Plastikdeckeln. Sie ist über zwei Meter hoch und passt in kein normales Auto mehr. Für das Surf Festival hier in Byron Bay wollten wir ein Projekt starten, das die Community involviert. Wir baten also Cafés in der Umgebung, die Deckel ihrer Milchflaschen für uns zu sammeln. Über Wochen hinweg haben sich dann tatsächlich tonnenweise Deckel in unserem Büro angesammelt. Das Projekt fand unheimlich Anklang. Sogar eine Schule in Nordirland hat daran Gefallen gefunden und für uns Deckel gesammelt. Auf dem Festival war die Finne dann ein echter Erfolg und hat sehr viel Resonanz erzeugt. Wir konnten öffentlichkeitswirksam darstellen, was wir eigentlich machen. Das war einfach ein guter Aufhänger fürs Gespräch.

Wieso gerade Deckel?

Die Plastikdeckel sind ein gutes Beispiel für Polypropylen. Das ist ein steiferes Plastik, das - nach Polyethylen, also Plastiktüten oder Flaschen - in der Natur sehr sehr häufig anzufindende Plastik ist. Auch Yoghurtbecher oder Strohhalme können aus Polypropylen sein. 

Warum Müll aus Indonesien?

Indonesien ist nach China der zweitgrößte Ozeanverschmutzer. Alles was in Bali vom Strand aufgesammelt wird, kommt in unsere Supplychain: Da Bali selbst keine industriellen Recycler hat, fabriziert eine Recyclingfirma in Java die Plastikpellets, die wir dann für unsere Produktion nutzen. Heutzutage arbeiten Viele Firmen mit recyceltem Plastik und werben mit dessen Nutzen für ihre Produkte. Oft ist wird jedoch postindustrielles Plastik verwendet, also Cutt-Offs von Herstellungsprozessen. Das ist zum Beispiel häufig bei Boardshorts der Fall, die aus Polyesterfasern sind und natürlich genauso wichtig, nur der Aufwand ist ein anderer. Wir jedoch arbeiten direkt mit Postconsumer-Waste, dass heißt wir verwenden wirklich weggeschmissenes Material, das sonst am Ende höchstwahrscheinlich irgendwo in der Natur landen würde.

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Sind die ecoFins die Lösung des Problems?

Unser oberstes Ziel ist es, ein stärkeres Bewusstsein für den hohen Grad an Verschmutzung in der Gesellschaft zu schaffen. Die Surfer sind sehr Ozeanverbunden, aber trotzdem werden zum Beispiel Surfbretter aus für die Natur giftigen Materialien hergestellt.

Wir wollen, dass es den Leute klar wird: Ich habe ein Produkt in der Hand, das aus Müll ist und dieser Müll floatet normalerweise einfach im Ozean herum oder verödet irgendwo anders in der Natur. Nach dem großen Anklang, wollen wir jetzt noch stärker mit den Menschen in Bali zusammenarbeiten. Ich denke, dass hier Education und Infrastruktur die wichtigsten zwei Punkte sind, um das Problem in den Griff zu bekommen.  Wir haben in Lombok letztes Jahr ein cooles Projekt mit Kindern gemacht.

Als wir erzählt haben, dass Müll in der Natur keinen Wert hat, schauten uns die Neunjährigen ganz argwöhnisch an. Doch dann erklärten wir ihnen: Wenn der Müll aber an den richtigen Ort kommt, kann man auch wieder etwas daraus machen. Ich habe ihnen einfach die Finne gezeigt: Schaut, hier ist Müll drinnen. Da haben sich ihre Gesichter langsam aufgehellt. Für diese Neunjährigen war das ein jungfräulicher Gedanke, das hat ihnen noch nie jemand gesagt. Warum? Wären sie wie wir mit der gelben Tonne aufgewachsen und dem grünen Punkt, dann wüssten sie das.  Eines der größten Probleme in solchen Ländern ist also definitiv die nicht vorhandene Infrastruktur und neben unseren Produkten  sind wir überzeugt, dass wir einiges erreichen können, wenn wir hier anknüpfen

Gehst du jetzt mit anderen Augen durch die Welt?

Klar, das Projekt hat mich krass verändert. Ich versuche immer weiter meine eigenen Grenzen zu puschen: Ich kaufe keine Plastikflaschen mehr und bin jetzt sogar wieder auf Seifenblocks umgestiegen, Plastiktüten benutze ich sowieso nicht. Im Supermarkt versuche ich, Produkte ohne Plastikverpackung zu kaufen. Den Take-Away-Kaffee hole ich mir mit meiner eigenen Tasse. Wenn ich etwas verschicke, versuche ich vom Karton über das Klebeband, bis zum Dämm-Material und dem Druckerpapier recyceltes Material zu benutzen. Selbst der Tacker ist aus recyceltem Plastik. Unsere Familie ist auch schon ganz verrückt: Sie belehren Menschen, wenn diese im Supermarkt eine Plastiktüte nehmen. (Luise lacht) In ganz Freising traut sich keiner mehr Plastiktüten zu nehmen. 

Werden wir das Müllproblem lösen?

Wir können bis zum Mond fliegen! Dagegen finde ich es ein triviales Problem, vernünftig mit seinem Müll umzugehen. Wir müssen unsere Prioritäten ändern.  Stattdessen legen wir ein kindliches Verhalten an den Tag, nach dem Motto: "Mama macht's schon sauber".  Wenn man nichts tut, konsumiert man automatisch Plastik. Wir müssen selbst aktiv werden. Das ist klar. 

Wie geht es mit den ecoFins weiter?

Wir arbeiten momentan an weiteren Modellen und Kollaborationen. Konkretes ist aber noch nicht spruchreif – es ist und bleibt auf jeden Fall spannend. 

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Editors Note: Das Filmteam der preisgekrönten Surf- und Umweltdoku White Waves hat Luise Grossmann auf einer ihrer Drehreisen vor die Kamera bekommen und nochmal genauer nachgefragt, warum gerade in Bali Berge von Plastikmüll an den Stränden liegen. 

Mehr Infos zu White Waves und den ganzen Film zum Download gibt's auf: www.whitewaves.eu