Albee Layer und seine Crew shredden alles zwischen 2 und 20 Fuß mit unnachahmlichem Style. Maui Boys Jaws Blue Story

Ihr Antrieb: Die Grenzen des Machbaren zu verschieben. Doch wer sind die Maui Boys überhaupt und wie ticken sie? Ich habe mich im letzten Blue Yearbook mit der jungen Garde der Bigwave-Charger auseinandergesetzt. Have a read.  Maui Boys Blue Yearbook Story Albee Barrel

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Albee Layer checkt die Charts im Wohnzimmer.

Haiku, Maui. 6 Uhr morgens. 

Während der Laptop hochfährt, tigert Albee Layer durch sein Wohnzimmer. An der Wand hängen Bilderrahmen voller Erinnerungen – Erinnerungen an die Jagd nach riesigen Wildschweinen und noch größeren Wellen. 

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Auf dem geblümten Sofa in der Ecke versackt der Südafrikaner Frank Solomon im Sekundenschlaf. Albee hockt sich im Schneidersitz neben ihn und lotet vorsichtig den Bewegungsradius seines lädierten Nackens aus. Ein Souvenir der letzten Peahi-Paddelsession, die für den 24-jährigen Maui Local auf der Intensivstation endete. 

Sein Blick fliegt über die Online-Wetterkarten. Surfline hatte sich mit der optimistischen Vorhersage nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt: An diesem Februartag sollten die Elemente für die prophezeite Jahrhundertsession tatsächlich zusammenkommen. Ausgerechnet für den Swell, der dem kürzlich zuvor an Krebs verstorbenen hawaiianischen Idol Brock Little gewidmet wird.

"Wake up Frank, we’re fuckin’ out there!’’

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Der Blick von den Klippen auf Pe'ahi.

Auf Maui ticken die Uhren anders als an der Northshore Oahus

Die neue Garde folgt ihrem eigenen Rhythmus. Während sich die gesamte Elite des Sports zum Eddie-Aikau Contest nach Oahu aufmachte, ist die wahre Big-Wave Renaissance auf Maui in vollem Gange. Eine ganze Generation hungriger Nachwuchstalente steht Schlange, um mit der nächsten Welle die Grenzen des Möglichen zu verschieben. Doch wer sind diese Jungs und was zeichnet sie aus? 

Albee Layer und Matt Meola dürften den Meisten ein Begriff sein, hauptsächlich dank ihrer Online-Präsenz. Auch Kai Lenny, der sich auf allen Brettern, mit Segel, Kite oder Paddel in die Fluten wirft, ist kein Unbekannter mehr. Doch lokale Talente wie Joao Maffini, Francisco Porcella, Dege O’Connel oder Tyler Larronde finden international bisher kaum Beachtung. Die Isolation der Heimat ist Segen und Fluch zugleich: leere Line-Ups, leere Sparschweine. Und das, obwohl die Insel surftechnisch weit mehr zu bieten hat, als die gelegentlichen Monsterwellen. 

Wegen des durch Erosion entstandenen flachen Isthmus zwischen dem Mauna Kahalawai Gebirge und dem Haleakala Vulkan wird Maui auch als ,,Valley Isle’’ bezeichnet. Die besondere Topgraphie der Tal-Insel, sowie ihre Lage zu den angrenzenden Inseln Moloka’i und Lanai bestimmen das Geschehen auf dem Wasser. Außer Honolua Bay hat Maui nur wenige Wellen zu bieten, die sich für traditionelles Surfen eignen.  Die gesamte Nordküste ist von dominierenden Side/Onshore-Winden geplagt – oder gesegnet, wie man’s nimmt. Denn die Locals haben aus der Not eine Tugend gemacht und nutzen den seitlichen Wind für die abgefahrensten Aerials. 

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Die Haiku-Crew: Nic von Rupp, Torrey Meister, Albee Layer, Josh Redman, Dege O'Connell, F.P., Frank Solomon & Albee's Eltern.

Die Insel formt ausdrucksstarke Surfer mit einem Hang zu eigenwilligen Lines

Und da man sich nicht ganz so ernst nimmt, wie auf der berühmten Nachbarinsel, wird diese Kreativität akzeptiert und gefördert. Im Vordergrund steht die Freude an der gemeinsamen Zeit im Wasser. Trotzdem wird jede Session Vollgas gegeben.

Matt Meolas überdrehter Spindle-Flip und Albees 540 sind nichts weiter als die logische Folge einer Gruppendynamik, die von absoluter Besessenheit geprägt ist. Dabei fordert gerade das technisch anspruchsvolle Newschool-Surfen einen hohen Tribut. Die bedingungslose Hingabe zur Höher-Weiter-Größer Mentalität endet jede Saison mehrfach mit Knochenbrüchen – Aber eben auch mit nie dagewesenen neuen Airs, getragen vom Wind.

Die rauen Passatwinde spiegeln sich auch im mitunter ruppigen Miteinander wider. Die über die Jahre eng zusammengewachsene Crew pusht sich gegenseitig zu neuen Höhen. Es wird aber auch dafür gesorgt, dass niemand die Bodenhaftung verliert. Und sie sind unzertrennlich. Wenn nicht gerade im Wasser an den Grenzen des Sports gesägt wird, gehen alle zusammen das Video-Material der letzten Session durch, analysieren Fehler bis ins kleinste Detail und hauen sich dabei die Sprüche um die Ohren. Das Ganze ähnelt einer Redneck-Persiflage der Sitcom Friends. Doch es ist genau dieses Umfeld was der Einstellung zum Surfen und zum Leben den nötigen Knacks mitgibt. Ob es um Aerial-Progression oder Jaws-Grenzgänge geht, die Jungs bleiben geerdet und gehen alles mit einer ordentlichen Portion insularer Gelassenheit an. 

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Torrey im Bretter-Friedhof: Albee's Backyard.

Als die Sturmzelle südwestlich der Küste Alaskas erstmals dunkel-lila auf den Karten aufleuchtete, setzte das kollektive Herz der Szene einen Schlag aus

Größe, Richtung, Periode der Dünung – Alles deutete darauf hin, dass Jaws ein weiteres Mal aus dem Winterschlaf erwachen würde. Energien unvorstellbarer Größenordnung filtern dann durch den Tiefseegraben vor der Nordküste Mauis und treffen ungebremst auf eine weltweit einmalige Riffformation. Das Ergebnis: Die größten Top to Bottom Tubes der Welt.

Wird erstmal grünes Licht gegeben, werden Wellen-, Wind- und Wetter-Prognosen akribisch studiert. Internationale Größen des Sports melden sich zum Couchsurfen an. Bei Local-Shaper Sean Ordonez klingelt das Telefon sturm. Doch das Prozedere ist bekannt: Bis man am Rande der Ananasfelder auf den Peahi-Klippen steht und das Donnern der Brandung bis in die Knochen spürt, kann alles passieren. Das Wartespiel ist nervenaufreibend und das Sammelsurium der Gefühle schwer zu definieren: Der Gedanke an die kommende Session hängt bleischwer über der gesamten Community.  Es herrscht Ausnahmezustand in Haiku. 

Für Albee steht dieses Mal noch mehr auf dem Spiel. Dass er zuletzt nur knapp einem Genickbruch entgangen ist, ist dabei eher eine Randnotiz. Es geht vielmehr um seine Absage beim prestigeträchtigsten Event der Szene, dem ,,in Memory of Eddie Aikau Invitational’’. Eine abgeschlagene Einladung kam für viele einer Majestätsbeleidigung gleich und wurde zu großen Teilen mit Unverständnis und Kopfschütteln quittiert. Doch Albee ist es ohnehin gewohnt außerhalb des Rampenlichts seine Bahnen zu ziehen. Sein Platz solle an jemanden gehen, der ihn sich auch wirklich verdient habe. Seine physische Verfassung und die fehlende Erfahrung in Waimea sind Teil der Entscheidung. Ausschlaggebend war aber die Aussicht auf eine Jaws-Revanche. 

Die Jagd nach dieser Welle ist für alle Beteiligten eine Mission und das Haus der Familie Layer wird ein ums andere Mal zum Hauptquartier. Gegen Ende der Saison gleicht das, was einmal ein Garten war, einem Bretter-Friedhof. Doch so weit Haiku auch ab vom Schuss liegt, so sehr den Locals der etwas hinterwäldlerische Ruf nachhängt, so offen werden die internationalen Bigwave-Pilger aufgenommen. 

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Dawn-Patrol: Frank und Josh kurz vorm Sprung ins Ungewisse.

Den berüchtigten Localism der Inseln kriegen auf Maui wohl eher zugezogene Rentner und Yuppies zu spüren

Nicht umsonst klebt auf jedem zweiten Geländewagen der Bumpersticker mit der Aufschrift ,,Welcome to Hawaii, now go home!’’. 

Haiku ist eben nicht Waikiki. Das Leben auf der zweitgrößten Insel Hawaiis ist ursprünglich, rau und hat nichts mit dem Mai-Tai Habitus des Ferienparadieses zu tun. 

Für Gäste auf Zeit ist der Aloha-Spirit aber noch am Leben, auch im Line-Up Peahis – oder vielleicht gerade da. Denn die Konsequenzen sind einfach zu hoch für Mätzchen.  Allein der Einstieg am Shorebreak über den Felsen lässt selbst die Erfahrensten an ihrer mentalen Gesundheit zweifeln. Im Line-Up angekommen ist sich ausnahmslos jeder seiner aktuellen Lage bewusst und trotz der klaren Hierarchie, herrscht eine kollegiale, fast schon entspannte Stimmung.

Dennoch grenzt es an ein Wunder, dass bei der Progression im Eiltempo bisher niemand ernsthaft zu Schaden gekommen ist. Nic von Rupp, auch kein Kind von Traurigkeit, was grenzwertige Wellen angeht, beschreibt ehrfürchtig, wie gewagt sich die Locals positionieren. Während lebende Legenden wie Shane Dorian und Mark Healey weit draußen am Northpeak auf die Bomben warten, sitzt der Nachwuchs ,,innen’’ an der Bowl-Section. Der feine Unterschied zwischen der wahrscheinlich besten und der eventuell letzten Welle deines Lebens liegt hier keine 20 Meter auseinander. Doch die junge Garde jagt die Tubes. Genau hier besteht der größte Unterschied zwischen den Generationen. Die Maui-Boys gehen die Jaws-Riesen fast schon respektlos an und lassen die Grenzen zwischen großen und kleinen Wellen verschwimmen. Das Ganze ist jedoch eher kalkulierter Wahnsinn, als Lebensmüdigkeit. ,,In order to progress, it’s important to assume that even the greats can be wrong in ruling something impossible.’’, so Albee.

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Albee Layer. Genau da, wo er hingehört.

9 Uhr morgens. Albee sitzt im Lineup von Jaws und blinzelt der schäumenden Gischt entgegen. Der Brockswell bringt die Bucht zum Kochen und die Close-Out Sets machen den wenigen Wagemutigen schwer zu schaffen. Doch er sitzt goldrichtig, nimmt den Kopf runter und zieht in eine riesige Wasserwand. Sekunden vergehen. Die Bowl-Section kehrt ihr Innerstes nach außen und spuckt den fassungslosen Albee in den Channel. 

Es ist die tiefste Big-Wave-Barrel, die jemals geritten wurde. In genau diesem Moment ergibt alles einen Sinn. Dafür leben sie. Unmöglich ist gar nichts. 

Nach einiger Zeit ist auch diese legendäre Welle eine weitere gerahmte Erinnerung in Albees Wohnzimmer. Die Jagd nach der nächsten hat bereits begonnen. 

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Photo-Credits

Dan Norkunas

Fred Pompermayer

Jon Spenser