Dass ein Deutscher den Billabong XXL Award für die "Biggest Wave" 2010 gewonnen hat, ist eine Sensation.  Es scheint, als müssten sich die führenden Surfnationen nach Marlon Lipke an den nächsten schwer auszusprechenden Namen gewöhnen: "Sebastian - who???" Das schmeckt nicht allen. 

Christian Fletcher, der gemeinsam mit Bruder Nathan und Vater Herbie den Award überreichen sollte, ließ seiner Abneigung gegenüber deutschen Pros im allgemeinen und Tow-Surfern, die sich keinen Namen als Paddel-In-Charger gemacht haben, im besonderen, freien Lauf. Seine Tiraden beschäftigen die US-Szene noch immer, der Vorfall ist der größte Skandal in der Geschichte der Awards.  

 

Der BLUE erzählt Sebastian, wie er die Situation erlebt hat und was es bedeutet, als Deutscher in der Big-Wave-Szene Respekt zu fordern

 

BLUE: Sebastian, Du kommst gerade aus L.A. zurück. Mit welchem Gefühl bist Du vor zwei Wochen aufgebrochen?

 

Ziemlich gestresst da der Vulkan fast verhindert hätte, dass ich überhaupt zur Awardshow komme. Aber ich hatte ein gutes Gefühl wegen des Awards.

 

Ja? Ist die Spannung bei der Verleihung etwa nur Show?


In meiner Kategorie, „Biggest Wave“ wird ja nachgemessen. Und ich wusste, dass ich von allen Nominierten die größte Welle gesurft bin. Die Zahlen, die dann rausgehauen werden, sind natürlich nur Schätzungen. Twiggys Paddel-Welle soll 55 Fuß groß gewesen sein – dann wäre meine ungefähr 100 Fuß gewesen! Aber dass ich die größte Welle des Jahres hatte, war mir schon sofort nach meinem Ritt klar. Das Problem war vielmehr, überhaupt in den Wettbewerb zu kommen.

 

Wieso das?


Ich habe keine große Company im Rücken. Nicht jeder, der ein Foto einreicht, kommt auf die Liste. Man muss eingeladen sein.

 

Wie hast Du es dann geschafft?


Ich bin im Februar auf die ASR Tradeshow nach San Diego geflogen, da ist das ganze Surf-Biz versammelt. Ein kalifornischer Kumpel hat Freundinnen, die PR-Girls sind, eingeladen. Die sind auf der Messe mit Plakaten von mir rumgelaufen: „Billabong XXL Nominee“ stand auf dem Foto meiner Jaws-Welle. Das hat den Billabong XXL Leuten natürlich gar nicht gefallen, aber so bin ich mit ihnen ins Gespräch gekommen. Von der Nominierung hab ich dann aber selbst erst aus der Presse erfahren.

 

Im Privatleben hätten die Jungs eine physische Auseinandersetzung mit mir und meiner Entourage gehabt

 

Als Laudatoren für die „Biggest Wave“-Kategorie waren die Fletchers vorgesehen, eine der einflussreichsten Familien in der US-Surfszene. Dass Christian Dir den Preis mit den Worten „The fucking German that can’t paddle won the Award!“ überreichte und Dich sogar als „Hitlers Stepchild“bezeichnete, sorgte für einen Riesenskandal und wird noch immer in den US-Medien heiß diskutiert. Wie hast Du die Szene erlebt?


Ich habe den Satz zum Glück überhaupt nicht gehört, weil die Lautsprecher in den Saal gerichtet waren. Hätte ich das gehört, wäre ich nicht so cool geblieben.

 

Aber Du hast doch die Reaktionen mitbekommen?

 

Ja, später schon. Ich sage auch ganz ehrlich dass ich so etwas im Privaten nicht akzeptieren würde und die Jungs eine physische Auseinandersetzung mit mir und meiner Entourage gehabt hätten. Aber das alles hat auf einer Awardshow nichts zu suchen. Wir haben auch eine Vorbildfunktion.

 

Verfolgt man die Kommentare zu CFs Worten, scheint es, als würden viele Pro- Surfer diese Ablehnung gegenüber jemandem, der „nur“ towt, teilen. Wie stehst Du dazu?

 

Das ist doch lächerlich. Ich habe den Award in einer Kategorie gewonnen in der nur Towsurfer nominiert waren. Umgekehrt ist es ja nicht anders – was Gregs und Twiggis stürze in Peahi bewiesen haben, Greg hat es sogar auf Surfline offen zu gegeben das sie in Peahi die „Greenhorns“ sind. Das waren unqualifizierte Kommentare von einem Neider, mehr nicht. Viele Pros zollen mir Respekt für das was ich tue, übrigens auch Christian Fletcher, der mir auf Facebook gratuliert hat.

 

Ich habe bei ihm nachgefragt, ob er seine Sätze bereue. Er sagte: „No, I meant every word I said.“

 

Wie ich schon gesagt habe, eine physische Konfrontation ist sehr einfach. Wir sind Sportler auf einer Sportveranstaltung, da hat so etwas nichts zu suchen. Ich habe mich wie ein Sportsman verhalten und dafür auch sehr viel Lob und Anerkennung bekommen. Warum sollte ich meinen Sieg wegen einiger unqualifizierter Kommentare in den Schatten stellen?

 

Ist diese breite Ablehnung vielleicht einfach ein fremdenfeindlicher Reflex, so wie Localism?

 

Ich würde nicht sagen, dass Fremdenfeindlichkeit in der Szene so verbreitet ist. Auf Hawaii haben mich Leute wie Dane Kealoha oder Buttons Kaluhiokalani, beide früher als Bad Boys bekannt, herzlich aufgenommen, weil sie respektieren, dass ich mich als Außenseiter hoch gekämpft habe. Und das ohne einen großen Sponsor im Rücken. Es ist doch so, je mehr Neider man hat desto erfolgreicher ist man, für mich nichts Negatives!

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Mir bringt es mehr auf einem See in Österreich mit 80 kmh hinter einem Boot zu hängen, als am Atlantik auf einer zwei Meter Welle zu Surfen.

 

Wie muss man sich deine Beziehung zum Surfen vorstellen? Fährst Du auch mal an den Atlantik, wenn Du monatelang in Deutschland bist?

 

Ich gehe schon normal Surfen, aber man muss den Unterschied vom Towsurfen und Surfen erkennen. Das sind zwei verschiedene Sportarten, vor allem was das Training angeht.

Um gut zu werden, muss man viel Towsurfen und physisch andere Voraussetzungen haben als beim normalen Surfen. Mir bringt es mehr auf einem See in Österreich mit 80 kmh hinter einem Boot zu hängen, als am Atlantik auf einer zwei Meter Welle zu Surfen.

 

Wie würdest Du denn Dein Surflevel beschreiben?

 

Ich kann natürlich alle Standard-Manöver und auch in jede Größe von Welle reinpaddeln, aber keine Airs oder High-Performance-Moves.

 

Wie geht es jetzt weiter für Dich?

Zunächst bin ich jetzt in Deutschland und mache die ganze Medienarbeit. Für den Sommer habe ich viele Einladungen, zum Beispiel von Mark Matthews nach Australien oder von Chris Ward, der mit mir in Mexiko towen will. Im Juni fliege ich nach Chile, wenn sich bis dahin neue Sponsoren gefunden haben.

 

Dann viel Glück dabei!

 

Dieses Amateurvideo von Joshua Paskowitz zeigt den Skandal bei den XXL Awards. Schwer zu glauben, dass man die Worte überhören konnte. Aber Selbstbeherrschung ist wahrscheinlich die wichtigste Fähigkeit eines Menschen, der 66 Fuß große Wellen surft.

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Auf 66 Fuß wurde Sebastians Jaws-Monster vom 7. Dezember 2009 geschätzt. Die anderen Nominierungen der "Biggest Wave" Kategorie waren ebenfalls Tow-Wellen, allesamt aus Jaws, allerdings Rechte, die eher in den Channel auslaufen. Stürzt man auf den Linken, kann es richtig gefährlich werden. "6-8 mal pro Winter" muss der Nürnberger heftige Wipeouts durchstehen. "Ein mal letzte Saison sogar einen 'two-wave-hold-down'", so Sebastian. Foto: ErikAeder.com/ BillabongXXL.com