Blue Magazine Mittelmeer Feature

Stell dir vor du hast von Mitte Oktober bis Mitte Februar Zeit für einen winterlichen Roadtrip in Europa. Wo würdest du hinfahren? Blue Autor Tom Frey hat sich letzten Winter 4 Monate freigenommen und ist genau da nicht hingefahren. Stattdessen hat er erkundet, ob und in welchem Umfang das Mittelmeer als Ersatzdroge für atlantische Wellen taugt. Die Ergebnisse dieses Selbstversuchs präsentieren wir hier in vier Kapiteln.

1. Cote d´Azur / Cote Bleu

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Die Bardot in jungen Jahren war Segen und Fluch zugleich für diesen Ort. Saint Tropez hat nun beschlossen, dass es mehr Segen war und hat der Diva ein Denkmal gesetzt.

Brigitte ne surfe pas. Für die Jüngeren unter euch: Brigitte Bardot war in den wilden Endsechzigern eine der begehrtesten Frauen des Planeten und berühmte Schauspielerin. Neben ihren Verdiensten für die Klatschpresse hat sie einem kleinen Fischerdorf an der Cote d´Azur namens Saint Tropez zu bisher nicht endender Popularität verholfen indem sie sich an einer damals noch einsamen Bucht ein bescheidenes Häuschen zulegte.

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Das ehemals beschauliche Fischerdorf Saint Tropez ist immer noch hübsch.

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Wenn du hier ein Anwesen hast, musst du nicht mehr hier surfen gehen. Diese bescheidene Hütte wird ab und zu von der schwedischen Königsfamilie bewohnt.

Inzwischen ist die Gegend ja weder beschaulich noch bescheiden, hat aber einen auf den ersten Blick reckt interessanten Küstenverlauf mit einer Vielzahl von felsigen Kaps und vielen sandigen Buchten. Tom hätte trotzdem lieber darauf verzichtet diese Gegend anzusteuern, da sie sich in der Vergangenheit als sehr unergiebig erwiesen hat, was brauchbare Surfbedingungen betrifft. Das liegt im Wesentlichen an der Ausrichtung der Küste (überwiegend nach Südosten) sowie den dem Cap Bénat vorgelagerten Inseln. Swells aus westlichen Richtungen – und das sind die, die im zentralen Mittelmeer am häufigsten auftreten – werden von den Inseln geblockt oder laufen an der Küste vorbei. Südswells sind für diese Gegend perfekt aber sehr selten. Ostwind produziert Welle, hat aber zu wenig Fetch, so dass es entweder völlig vom Wind verblasenen Mush gibt oder aber nach Einschlafen des Windes nur für sehr kurze Zeit noch brauchbarer Swell nachläuft.

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Mistral mit 7 Windstärken. Butter und Brot Bedingungen für Cote Bleu Surfer.

Etwas besser sieht es an der Cote Bleu (der Küstenabschnitt zwischen Toulon und der Camargue) aus. Südwestliche und westliche Swells schaffen es, wenn auch mit kurzem Fetch, an diese Küsten und vor allem der Abschnitt zwischen Toulon und Marseille hat ein paar exzellente Riffe und Kaps im Angebot, die selbst dem onshore blasenden Mistral noch eine surfbare Welle entlocken können. Wobei surfbar hier mehr in Richtung dessen geht, was wir an der Ostsee als surfbar bezeichnen.

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Wer braucht schon Kokain wenn man so eine Welle hat?

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Ob die Bewohner der Luxusvillen wohl wissen, was für ein Schatz vor ihrem Garten liegt?

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Cote Bleu kann auch Kitsch-Rosa. Die Leute im Lineup hatten ihren Fokus aber weniger auf den hübschen Farben.

Unser Autor wusste das alles, kam aber aus familiären Gründen nicht darum herum einige Zeit in dieser Gegend zu verbringen. Endlose Tage mit side-offshore ballerndem Brutalo Mistral brachten dabei wilde Onshore - „Wellen“ an der Cote Bleu, dazu einige wenige Tage mit teilweise ebenfalls heftigem Ostwind und zwar recht großen, aber nur nach langem Entzug Spaß bringenden Wellen im Schutz eines Kaps ganz in der Nähe von Brigittes Domizil. Wirklich nett zu surfen waren nur ein Tag bei strömendem Regen aber Windstille mit Südswell an einem Point an der Cote d´ Azur sowie ein Tag bei kleinem Südwestswell an der Cote Bleu an einem Kap, dass den kleinen Swell in überraschend gute rechtslaufende Wellen transformierte, aber völlig überfüllt war.

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Synchron-Shredden Cote Bleu Style.

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Kleiner Ostwind-Restswell bei Windstille in einem Zeitfenster von rund 4 Stunden nach Abflauen des Windes ist an der Cote d´ Azur oftmals das höchste der Gefühle.

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So sieht hier der Surfer Alltag hier aus. 7 Windstärken Sideshore Geballere und ein paar Felsen, die da halbwegs Ordnung reinbringen. Und selbst das passiert viel zu selten.

Fazit: Brigitte surft nicht. Die Gegend ist – nicht überraschend – als Atlantikersatz völlig ungeeignet. Trotzdem sollte man auf der Durchreise zu den spannenderen Genbieten in dieser Ecke des Mittelmeers – zu diesen kommen wir in den nächsten Kapiteln - ein Auge auf den Forecast haben.

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Text & Bild:

Tom Frey