Nole Cossart hat sich gegen ein Leben als rastloser Profisurfer entschieden. Er will etwas Eigenes schaffen, um für seine Familie zu sorgen. Und weil er das Land ebenso schätzt wie das Meer, geht er dabei nicht nur ideenreich, sondern auch ressourcenschonend vor. Nole Cossart Hollister Ranch Portrait

Grüne Hügel und eine Steilküste erheben sich hinter dem langen Sandstrand, weiter draußen hält eine Inselgruppe die rauen Seiten des Pazifiks von der Küste fern. Hier, im Norden von Santa Barbara, ist Nole Cossart aufgewachsen. Das Areal der Holister Ranch ist ein Surftraum, der für die meisten Surfer jedoch genau das bleibt: ein schöner Traum. Denn betreten dürfen das Gelände nur diejenigen, die dort auch ein Haus besitzen. Und das sind nicht viele.

Dafür grasen auch heute noch Tausende Rinder auf den Wiesen des Areals, viele der Bewohner verdienen ihr Einkommen mit der Viehzucht: Sie sind Rancher. „Wenn man hier aufwächst, wird man entweder Cowboy oder Surfer“, sagt Nole und lacht. „Beides geht nicht.“ Nole wurde die Entscheidung früh abgenommen. „Mein Vater hat mich auf ein Surfboard gestellt, als ich fünf war, und es hat sich einfach richtig angefühlt.“ Mittlerweile reist der 27-Jährige als Surf- und Markenbotschafter für die Outdoor-Marke Prana durch die Welt.

 ,,Wenn man hier aufwächst, wird man entweder Cowboy oder Surfer. Beides geht nicht!''       

Doch trotz Fahrten bis auf die indonesischen Banyak-Inseln: Die Orte, an denen Nole am liebsten surft, befinden sich in seiner Heimat, im Süden Kaliforniens. „Ich fahre so oft wie möglich dorthin“, erzählt Nole. „Es ist wie Urlaub. Die Brandung ist gewaltig und es ist auch windiger dort als an anderen Orten in der Region“, schwärmt er. „Weil das Gelände privat ist, kenne ich jeden, der dort surft. Es ist sehr viel ruhiger als anderswo.“

Noles Rückzugsort ist umstritten. Seit Rancher sich im 19. Jahrhundert dort niederließen, sind Gelände und Küste in privater Hand. Kritiker beklagen, dass die heutigen Bewohner der Ranch den Strand der Öffentlichkeit unrechtmäßig vorenthalten würden. Kaliforniens Superreiche hätten sich eine Festung geschaffen, heißt es von denen, die draußen bleiben müssen.

„Die Gegend hat sich in den letzten Jahren verändert“, erzählt Nole, vor allem, weil die Preise so stark angezogen hätten. „Die Großstädter sehnen sich nach dem Land.“ Viele Surfer hätten das Areal jedoch schon in den 1960er- und 1970er-Jahren für sich entdeckt, darunter auch Noles Eltern. „Meinen Vater hat es immer dann hierher gezogen, wenn ihn die Schluchten von Los Angeles überwältigten. Später sparte er auf ein Haus hier in der Gegend, auf dem Land. Das war 1973, bevor es richtig teuer wurde. Zu der Zeit lebten die meisten Menschen, die hier surften, auch vor Ort.“

Es war eine eingeschworene Gemeinschaft, die nach und nach entstand. „Es waren mürrische Surfer, Wild-West-Typen, die nach ihren eigenen Regeln lebten. Surfen war ein Sport der Rebellen, Außenseiter und Hippies. Hier, mitten in Kalifornien, konnten sie dem Alltag entfliehen.“

Heute sind es die Wohlhabenden aus Südkalifornien, die es in die Gegend zieht. Auch sie kaufen Häuser, um der Stadt zu entfliehen – das aber nur am Wochenende. Das Interesse der Reichen drückt die Preise nach oben. Weil keine neuen Häuser gebaut werden dürfen, verdrängen die Meistbietenden die Alteingesessenen. „Die Gemeinde der Menschen, die hier wirklich lebt, wird immer kleiner. Und auch die Surfer ziehen weiter. Einige haben den Sport hinter sich gelassen, andere die Region. Es fühlt sich wie das Ende einer Ära an. Und dennoch glaube ich, dass ich das Rebellische, das Unabhängige, was diese Gemeinde geprägt hat, weiter in mir trage.“

Building a life on reclaimed wood // The Apiary Bar

Auch die Abgeschiedenheit, in der Nole aufgewachsen ist, hat ihn maßgeblich beeinflusst. „Ich bin sehr unabhängig und gleichzeitig sehr naturverbunden. Die Menschen, die hier Leben, schätzen und schützen die Natur. Wir mussten einfallsreich sein, in allen Belangen. Die nächste Stadt liegt eine Stunde entfernt. Wir haben viele Dinge aufbewahrt, um sie wiederzuwerten. Das tue ich auch heute noch.“

Zum Beispiel in der Bar The Apiary, die Nole demnächst eröffnet und in der er selbstgebrautes Met und Cider verkaufen wird. „Als ich die Bar gekauft habe, war sie kaum mehr als ein großer, leerer Lagerraum. Drinnen habe ich fast alles selbst gebaut, Rohre verlegt und die Elektrik eingerichtet. Mein Vater und einige Freunde haben mir dabei geholfen.“ Er achte sehr darauf, dass alle Zutaten aus der Region kämen. „Das ist ein Luxus, den ich mir derzeit noch erlauben kann. Die Äpfel für den Cider kommen von der Farm eines Freundes, der Honig für den Met von Bekannten, die ihre Imkerei seit über dreißig Jahren betreiben. Die Gewürze und Blumen, mit denen ich die Getränke veredle, sammle ich, wenn ich in der Gegend um Santa Barbara wandern gehe.“   

Beim Umbau von The Apiary hat sich Nole von seiner Heimat inspirieren lassen. „Fast alles hier kommt von den Ranches. Wir haben viel altes Holz verwendet“, erzählt er.

Warum die Arbeit? „Um Geld zu sparen, aber auch, weil ich es nicht anders kenne. So haben wir es früher eben auch gemacht. Wenn etwas kaputtging, hat mein Vater es repariert. Wir mussten die nötigen Handgriffe lernen und auf die Dinge zurückgreifen, die verfügbar waren.''

 ,,Ich habe früh gelernt, scheinbar unnütze Materialien wiederzuverwerten und nichts wegzuwerfen. Es fühlt sich unglaublich gut an, dasselbe hier in der Bar tun zu können.“ 

Mit The Apiary hat Nole sich gegen den Traum einer professionellen Surfkarriere entschieden. „Ich habe lange davon geträumt, Profisurfer zu werden – jemand, der aufgrund seines Talents viel rumkommt und zugleich Geld und Respekt verdient. Viele denken so. Heimatlos sein, immer zu surfen und von einem Ort zum nächsten Reisen gilt als die ultimative Lebensart.” Mit 19 verließ Nole das College, um seinen Traum vom Leben eines Profisurfers zu verfolgen – bis eine Beziehung dazwischen kam. “Mit einem Freund habe ich diese speziellen hawaiianschen Surfbretter gebaut. Ich erreichte damit eine gewisse Bekanntheit, weil es nicht leicht ist, diese archaischen Dinger zu reiten. Ein paar Menschen wollten meine Bretter sogar kaufen. Ich wollte einen Shop eröffnen, weil ich dachte, Surfbretter zu bauen, würde meine Eintrittskarte in die Welt der Profisurfer werden. Der Freund, mit dem ich die Bretter gebaut habe, hat es tatsächlich bis dahin geschafft. Ich habe meine damalige Frau kennengelernt. Wir haben jung geheiratet. Und als meine Tochter geboren wurde, habe ich entschieden, dass dieses Surferleben vielleicht doch nichts für mich ist. Ich wollte in Kalifornien bei meiner Familie bleiben. Etwas schaffen, das wachsen kann und mit dem ich meine Familie versorgen kann. Surfen konnte das nicht bieten.“

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Surfen ist mittlerweile vor allem ein Hobby, wenn auch ein lebensnotwendiges. „Ich bin so oft es geht im Wasser. Wenn ich nicht surfen kann, gehe ich wandern. Es ist gar nicht mal so anders: Es gibt nur dich und die Wildnis, man ist draußen, kann eintauchen in die Natur und fühlt sich danach wie neu geboren.“ Vor kurzem erst hat Nole einen Roadtrip durch Kalifornien gemacht. „Ich bin mit einem Freund, dem Fotograf Morgan Maassen, bis nach San Francisco gefahren. Wir waren in Big Sur, haben in Ocean Beach gesurft und die Redwoods erkundet.“

Nole zieht es an die abgelegenen Orte, um surfen zu können. “Wenn zu viele Menschen im Wasser sind, kann die Stimmung angespannt sein. Ich versuche, mich nicht allzu sehr darauf zu konzentrieren. Man vergisst sonst schnell, worum es beim Surfen wirklich geht.“ Es ist vor allem die Verbindung mit der Natur, die Nole schätzt. „Es ist ehrwürdig. Man ist eins mit der Natur. Die Schnelligkeit, mit der man über die Wellen schießt, ist unvergleichlich. Das kann keine Maschine der Welt simulieren. Es ist wie gleiten und fliegen gleichzeitig. Es fühlt sich sicher an. Das Wasser fängt dich immer auf.“

In Zukunft wird er weniger Zeit im Wasser verbringen können, da ist sich Nole sicher: „Ich bin aufgeregt. Ich habe noch nie ein Geschäft betrieben. Ich hoffe, dass ich genug Zeit für meine Tochter, Reisen und das Meer haben werde. Aber ich kenne mich. Ich lerne schnell. Ich bin kreativ und weiß, welche Dinge ich zu welcher Zeit erledigen muss. Ich weiß, dass ich Raum für alle wichtigen Dinge schaffen kann.“ Nole fürchtet sich nicht vor dem Scheitern. Wenn etwas im ersten Anlauf nicht klappt, wirft er es nicht einfach weg. Er nimmt sich Zeit, ist erfinderisch. Er kennt es nicht anders; er ist so aufgewachsen.

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Cheers für das Interview, Nole. Wir kommen auf jeden Fall bald mal im Apiary auf einen selbstgebrauten Cider vorbei.

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Credits

Insta: Nole Cossart / The Apiary / Morgan Maassen

 Bild: Morgan Maassen

Text: Katalina Präkelt 

 in Koproduktion mit OSK & freundevonfreunden.com