White Waves Blue Magazine Interview

Der Franzose Erwan Simon ist selten zu Hause. Gerade hat der ehemalige Surfprofi die Fiji Women's Pro für einen französischen TV-Sender moderiert. Doch normalerweise reist er lieber an Orte, an denen es weder Surfer noch Touristen gibt. Auf seinen Trips mit Surfexplore sucht er nicht nur an entlegenen Orten der Erde nach noch unentdeckten Wellen, sondern auch nach Mikroplastik. Gerade ist der 36-Jährige tatsächlich in seiner Heimat in der französischen Bretagne und hatte Zeit für ein Skype-Interview mit uns.

Surfexplore Erwan Simon Wasserprobe Portrait 
Surfexplore Founder Erwan Simon.

Erwan, was steckt hinter Surfexplore?

Wir haben Surfexplore vor rund zehn Jahren gegründet. Zu dieser Zeit nahm ich noch an Surfwettbewerben teil und hatte eine Handvoll Sponsoren. Doch das Reisen reizte mich mehr. Durch Zufall lernte ich den amerikanischen Photographen John Callahan kennen. Er hatte schon damals berühmte Wellen wie die Cloud 9 auf den Fidschi Inseln mit seiner Kamera festgehalten. Ich begann mit ihm zu reisen. Wenig später schlossen sich uns der britische Longboarder Sam Bleakely an (zweimaliger Champion der European Longboard-Championships) und der italienische Surfer Emiliano Cataldi. Beide schreiben für Surfmagazine. Emiliano ist auch Photograph und Filmer und lebt heute in Byron Bay.

Unser erster gemeinsamer Surf-Trip ging nach Mauretanien. Wir merkten sehr schnell, dass wir eine ähnliche Philosophie und dieselben Vorstellungen vom Reisen hatten.

Also entschieden wir mindestens zweimal im Jahr gemeinsam auf eine Surfreise zu gehen; mit dem Ziel neue, noch unbekannte Wellen zu entdecken. Um Sponsoren zu akquirieren, brauchten wir einen Namen für unser Projekt: Das war die Geburtsstunde von Surfexplore.

Seither waren wir in dieser Konstellation bereits auf rund 20 Reisen zusammen unterwegs – darunter Algerien, Indien, Madagaskar, Gabun, Sierra Leone. Wie haben immer noch viele neue Reiseziele auf unserer Liste.

Surfexplore Wrack Barrel
When the search pays off!

Es gibt so viele bekannte Spitzenklasse-Wellen. Wieso sucht ihr nach dem Unbekannten?

Mich haben schon immer Orte fasziniert, an die keiner reisen will, sei es, weil diese sehr schwer erreichbar oder vielleicht einfach hässlich sind, oder auch weil dort Krieg herrscht. Wir haben auch schon an super verschmutzten Orten gesurft, die als Müllhalden von den Bewohnern genutzt werden. Das gehört zum Reisen dazu – hier sieht man die Realität, die vor den Touristen versteckt wird.

Aber natürlich erleben wir auch das Gegenteil: Gerade wenn man dort hinreist, wo noch nicht viele Menschen waren, findet man auch unerwartet kleine Paradise vor, wie in Sierra Leone, wo das Wasser so türkis war wie in der Karibik, mit grünen Bergen und Wasserfällen.

Für uns ist die Suche nach neuen Wellen ein Abenteuer. Wir gehen auf der Karte die bekannten Surfspots durch und genau dort wo Lücken sind, suchen wir unser nächstes Reiseziel aus.

Surfexplore Spot Check
Wie viele Surfer diese Brücke wohl schon überquert haben?

Gibt es dir einen besonderen Kick "als Erster" eine Welle zu surfen?

Zunächst einmal wissen wir natürlich nicht, ob eine Welle wirklich noch nie gesurft wurde, sei sie auch an dem entlegensten Ort der Welt. Wir fragen die Bewohner meist, ob sie schonmal in ihrem Leben einen Surfer gesehen haben, aber sicher kann man sich nie sein.

Ganz abgesehen davon, ob man der "allererste" Surfer ist oder nicht: Eine Welle zu entdecken und zu surfen, über die man keinerlei Informationen hat, ist immer wieder ein Abenteuer. Wir kennen die Strömung nicht, vielleicht gibt es Felsen, ein scharfes Riff oder auch Haie.

Es geht uns auch nicht nur um die Entdeckung neuer Wellen, wir wollen ihre Umgebung und die Menschen, die um sie herum leben, kennenlernen. Das ist für uns Teil einer Welle.

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Perfekt und menschenleer... meistens aus gutem Grund!

...einer der beeindruckendsten Momente?

Die skurrilste und vielleicht sogar gefährlichste Story, die wir erlebt haben, war in Mauretanien, in einem Militärgebiet in der Sahara. Der Zugang zur Küste war wegen Minengefahr verboten. Und das nicht ohne Grund: Da die Sanddünen dort durch den Saharawind ständig wandern, kann es sein, dass von einem auf den anderen Tag alte Mienen freigelegt werden. Durch Zufall lernten wir einen Soldaten kennen, der uns sicher bis an die Küste zu einer Art Geisterdorf und Lagerstätte für das Militär führte.

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Wir fanden dort am Strand ein riesiges altes Schiffswrack vor, an dem sich eine richtig gute Welle brach. An diesem unwirklichen Ort zu surfen, war schon ein komisches Gefühl. Eine Handvoll Militärs beobachteten uns vom Strand aus und riefen uns am Ende sogar Befehle zu, wie wir die Welle surfen sollten.

Die Welle war schnell und wir nannten sie "Meteorite". Denn vor Jahren hatte an diesem Ort ein französischer Wissenschaftler nach eine Meteoriten gesucht, sich in die Wüste verliebt und sein ganzes restliches Leben in der Sahara verbracht.

Du hast bereits erwähnt, dass ihr nicht nur Paradise, sondern oft auch vollgemüllte Strände vorfindet. Was hat es mit der Global Microplastic-Initiative auf sich?

Wir wollen den Wellen eine Identität geben – und dazu gehört auch die Umwelt, die sie umgibt. Vor etwa drei Jahren kontaktierte ich deshalb die Adventure Scientists, welche die Microplastic Initiative ins Leben gerufen haben. Ich fand es interessant, auf meinen Reisen auch Daten über die Wasserqualität zu sammeln. Dabei geht es bei der Initiative darum, dass Abenteurer auf der ganzen Welt Wasserprobenroben auf ihren Reisen vom Meerwasser oder Frischwasserquellen nehmen. Ein US-amerikanisches Labor analysiert dann die Proben auf die Menge der Mikroplastikteilchen – also Plastik, das kleiner ist als fünf Millimeter. Es haben bereits tausende Freiwillige Proben aus aller Welt eingeschickt. In einer im Internet veröffentlichten Karte kann jeder nachverfolgen, wo das Wasser bereits mit Mikroplastik verunreinigt ist.

Ich selbst habe an allen Orten, an denen ich bisher Proben entnommen habe, Mikroplastik vorgefunden - angefangen von Sierra Leone, über Madagascar und Gabun – nur auf Papua war das Wasser Plastik-frei.

Surfexplore Publikum
Erwans Topturn hinterlässt Eindruck.

Was erhoffst du dir durch die Studie? Das Meer wird nicht sauberer davon - oder?

Natürlich wäre es das Beste, wenn wir schon morgen aufhören würden die Natur weiter zu vermüllen. Aber das wird nicht passieren. Auf meinen Reisen habe ich gesehen, dass es den meisten Menschen "scheißegal" ist, wo der Müll landet. In Europa haben wir vielleicht mittlerweile ein Bewusstsein für das Problem, aber das reicht noch lange nicht. Und die weltweite Awarness wächst nur langsam. Stattdessen schreitet der Wachstumsboom in Ländern wie China rasant voran und die Umweltverschmutzung verschlimmert sich täglich, anstatt sich zu verbessern.
Deshalb müssen bereits jetzt nach Lösungen suchen, wie wir die Natur sauber halten können. Und das geht nur mithilfe von Wissenschaft.

Klar hoffen wir zudem, mit der Studie noch mehr Bewusstsein für das Problem zu schaffen. Das beginnt schon bei jedem Einzelnen Abenteurer, der an der Studie teilnimmt. Anstatt "nur" ein Land zu bereisen, achte ich viel stärker auf die Umweltverschmutzung, man beginnt seinen Freunden und seiner Familie von seinen Beobachtungen zu berichten und stärt das Bewusstsein in seinem Umkreis.

Siehst du für die Zukunft unserer Natur eher schwarz?

Wenn man Probleme angeht, bringt es einen nicht weiter, negativ zu denken. Man darf aber auch die Augen nicht vor der Realität verschließen.

Danke für das Gespräch Erwan, was ist euer nächstes Ziel mit Surfexplore?

Ostafrika oder vielleicht auch in den Osten Indonesiens. Die meisten Surfer reisen an die Pazifikseite Indos, aber ein kleiner, weitgehend unbekannter und wilder Teil liegt am Indischen Ozean.

Editors Note: Die Autorin des Artikels, Inka Reichert, ist Regisseurin des preisgekrönten Dokumentarfilms White Waves – Surfer kämpfen für ein sauberes Meer.
Mehr Infos zu White Waves und den ganzen Film zum Download gibt's auf: www.whitewaves.eu 

Surfexplore Unnamed Secret Spot Surfexplore
Keep exploring! Thanks for the Interview.

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Photo credits: 

© JS Callahan/surfEXPLORE