Von Westaustralien machte Fabian einen Abstecher nach Indonesien. Hier ist der zweite Teil seiner 'Travel Tales':

 

Offen bleiben

Es war keine Liebe auf den ersten Blick. Meine ersten Erfahrungen in Uluwatu waren überwiegend von Enttäuschung und Frustration geprägt. Meine Wellenausbeute am bekanntesten Surfspot Balis war in der Vergangenheit meist minimal und meine Wellenauswahl geradezu katastrophal gewesen. Die Wellen treffen hier häufig aus unterschiedlichen Richtungen auf ein eindrucksvoll weitläufiges Korallenriff, das sich über eine Fläche von der Gröβe mehrerer Fußballfelder erstreckt. Entsprechend schwierig ist es eine geeignete Position zu finden um eine gute Welle anzustarten. Und die schiere Anzahl an Surfen aus aller Welt, die an durchschnittlichen Tagen das Lineup am Fuß der majestätischen Steilküste am südlichen Zipfel der Bukit Halbinsel bevölkern, macht das Ganze nicht einfacher. Eigentlich hatte ich mir deshalb bereits vor Jahren fest vorgenommen kein weiteres Mal meine Zeit in dieser oftmals hoffnungslos übervölkerten Touristenfalle zu vergeuden.

Letztes Jahr jedoch hatte ich mich am Tag vor meiner Abreise mit meinen Freund Richard verabredet, einem schlaksigen und überaus sympathischen Lebemann aus Yorkshire im Norden Englands. „Richie Rich“ war zum allerersten Mal in Indonesien und bat mich um eine Tour der besten Surfspots Balis. Diese Aufgabe übernahm ich selbstverständlich gerne, vor allem da die Wellenvorhersage andeutete, dass sich die Insel der Götter von ihrer besten Seite präsentieren würde. Die Woche zuvor hatte ich mit meiner Freundin im Landesinneren in Ubud verbracht, von wo aus wir an jenem Tag früh morgens aufbrachen um Richard in Kuta einzusammeln. Entsprechend heiß war ich darauf endlich wieder ins kühle Nass des Indischen Ozeans zu springen. Als wir nach einer nicht endend wollenden Odyssee durch den Verkehrsdschungel Balis am späten Vormittag schließlich unsere Motorroller am staubigen Parkplatz von Uluwatu abstellten, hatte sich meine Laune allerdings deutlich verschlechtert. Gleich zweimal hatten uns findige Polizisten auf dem Weg dorthin gutes Geld aus der Tasche gezogen, und dank der vielen alten Ruβschleudern auf den überfüllten Straβen fühlte ich mich als hätte ich innerhalb der letzten Stunden eine Schachtel Gudang Garams geraucht.

Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass wir am Ende bei Bingin oder Impossibles ins Wasser springen würden. Doch da Ulus nach näherer Betrachtung relativ einladend aussah und sich die Anzahl der Surfer im Wasser in Grenzen hielt, beschlossen wir meine Befangenheiten außer Acht zu lassen und lieber eine der goldenen Regeln des Surfens zu befolgen: „Never drive away from pumping waves!“ Als wir kurze Zeit später im Wasser saßen, bereute ich diese Entscheidung jedoch gründlich. Wie in den vergangenen Jahren auch, trieb ich ziellos durchs Lineup und konnte einfach keine ordentlichen Wellen finden. Aus alten Fehlern wieder einmal nichts gelernt, dachte ich mir. Selbst schuld wenn die letzte Session alles andere als ein gelungener Abschluss eines denkwürdigen Indotrips wird.

Frustriert paddelte ich etwas weiter hinein um wenigstens ein paar kleinere Wellen von der Crowd zu erhaschen. Damit ging ich zwar das Risiko ein die größeren Sets auf den Kopf zu bekommen, aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich nichts mehr zu verlieren. Und nach etwa 20 Minuten spielte mir das Glück dann tatsächlich ein echtes Sahnestück in die Hände. Eines der mittelgroßen Sets schlich am Peak, wo die meisten Surfer saßen, vorbei ohne zu brechen um kurz darauf seine gesamte Energie in einem perfekten Double Up an der Inside zu entladen. Ein später Takeoff, eine schöne Tube, und nur 2 Minuten später saß ich wieder im Lineup, noch immer griesgrämig wegen der anstrengenden Anreise und meiner vermeintlichen schlechten Entscheidung mir ein weiteres Mal vergeblich an der Grande Dame der Surfspots Balis die Zähne auszubeißen. Moment mal, ging es mir dann jedoch durch den Kopf. Du sitzt hier im Paradies, dem Traum von Generationen von Surfern, und hattest eben eine richtig tolle Welle. Wenn du jetzt nicht sofort aufhörst dich zu beklagen, dann ist dir wirklich nicht mehr zu helfen. Ich beschloss meine schlechten Erfahrungen und Vorurteile zu vergessen und einfach nur meine letzten Stunden in Bali zu genießen, und hatte von diesem Moment an gemeinsam mit Richard eine super Session, an die ich mich noch lange Zeit gerne erinnern werde.

Wellenreiten ist ein äuβerst kurzweiliger Zeitvertreib ohne relevanten Bezug zur Zukunft oder der Vergangenheit. Sich voll und ganz auf den Moment einzulassen, ist der Schlüssel dazu in fast jeder Situation eine Menge Spaß zu haben, wahrscheinlich nicht nur im Wasser und auf einem Brett, sondern auch mit festem Boden unter den Füßen. Für neue Erfahrungen offen zu bleiben ist dafür eine unabdingbare Voraussetzung, auch wenn sich das scheinbar Neue nur allzu oft in einem altbewährten Gewand präsentiert. 

Text: Fabian Haegele

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