Benedikt Mueller Mock Up Yearbook

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Dieser Artikel erschien in unserem aktuellem Yearbook 2020. Gedruckt liest es sich immer noch am besten. Zu den Yearbooks geht es HIER.
Text: Jan. Blaffert



„BENEDIKT MÜLLER. Ich dachte immer – so’ne Scheiße, wie soll ich mit dem Namen in der Kunstwelt überleben? Daher Benedikt P. Müller – das P steht für Patrick.“


Er ging auf Nummer sicher und schob noch ein Pseudonym nach: Seehundmann.
Der Spitzname war zwar bereits an einen Isländer vergeben, der vor 30 Jahren ganze sechs Stunden im Nordatlantik überlebte, aber das tat nichts zur Sache.

Benedikt Mueller Seehundmann
Auf die Frage, wie er also in diesen schnelllebigen Zeiten den Kopf über Wasser halte, bemüht der Seehundmann die Gedanken Pjotr Alexeiewitsch Kropotkins. Der obskure russische Anarchist hatte eine Gegenschrift zu Darwins „Recht des Stärkeren“ verfasst. Zweckent-fremdet für unsere kapitalistische Gesellschaft behauptet Darwin so etwas wie: Der Stärkere ist zwar ein Arschloch, aber er gewinnt. Kro-potkin antwortet darauf, das Arschloch ist einfach nur ein Arschloch, und der Stärkere sei vielmehr derjenige, der sich im sozialen Zusam-menleben anpasse.


„Gerade hat man das Gefühl, dass die Leute, die am lautesten schreien, die meiste Aufmerksamkeit kriegen – Influencer, Verschwörungstheoretiker und so weiter. Fakt ist aber, dass die meis-ten Leute solidarisch denken. Sonst wäre alles noch viel schlimmer.“


Äußerlich ist Benedikt P. Müller für gewöhnlich die Ruhe selbst. Doch die stoische Gelassenheit trügt: „Mich hat mal jemand nach dem ersten Treffen als menschlichen Golden Retriever beschrieben - ohnehin ein fragwürdiges Kompliment. Vielleicht wirke ich gelassen, aber in mei-nem Kopf ist die ganze Zeit Autobahn!“ Wer sich näher mit ihm und seiner Kunst beschäftigt, versteht, was er da andeutet.

Benedikt Mueller

Der Seehundmann spricht offen und unverblümt. Dennoch bleibt im Dialog mindestens die Hälfte auf der Strecke. Wer dranbleibt, wird in seiner Kunst fündig: Großformatige Malereien, Textilien und auto-biografische Comics bilden seine Gefühlswelten unverfälscht und nachvollziehbar ab. Aufs Papier kommt nur, was echt ist – und das sieht man. Eventuell hat das etwas mit seinem Schaffensprozess zu tun.

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Benedikt Mueller Neue Welt

„Es geht mir darum, eine bestimmte Idee zu transportieren, meine Fluchtgedanken zum Beispiel. Der Weg dahin ist oft eine ziemliche Qual. Bis der erste Strich sitzt, kann es ewig dauern und danach kann es nicht schnell genug gehen. Ich werde immer ungeduldiger, sogar frust-riert, kann kaum noch stillsitzen. Das Fertigzeichnen kommt mit der Routine und geschieht fast unterbewusst – schnell, fehlerverzeihend.“ Er zeichnet nicht häufig, doch wenn, dann bis zur Erschöpfung.

So weit, so gut. Nur wie zur Hölle hat der Arbeiterjunge aus Bayern in so kurzer Zeit einen so authentischen Blick für ein so klischeetrie-fendes Motiv wie das Surfen entwickelt? Für relative Einsteiger ist die Surfkultur ein einziges Fettnäpfchen. Benedikt hat sie aber scheinbar mühelos entschlüsselt. Vielleicht, weil er im Wasser die Ruhe kriegt, die ihm nicht mal die Kunst bietet: „Beim gemütlichen Sonntagssurfen in hüfthohen Wellen kann ich für mich allein sein und alles vergessen – selbst mit 50 Leuten im Wasser. Jede Welle ist wie eine kurze, weiße Wand im Kopf.“

Benedikt Mueller Srff Riso Weiss

In einer Welt, die schief in den Angeln hängt, in der Surfen Main-stream ist und Kunst und Print sowieso tot sind, kommt eine gedruckte Doppelseite vom Seehundmann doch wie gerufen. Als Gegenleistung merkt ihr euch seinen Namen: Benedikt P. Müller!

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Dieser Artikel erschien in unserem aktuellem Yearbook 2020. Gedruckt liest es sich immer noch am besten. Zu den Yearbooks geht es HIER.

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Benedikt P. Müller