Barbarian Days 4

 „Leave surfing to the people who find it" - William Finnegan 

Auf wie viele Arten kann man eine Welle beschreiben? Wie beschriebt man die Aufregung, wenn die Bombe des Tages auf dich zu rollt und du in der perfekten Take-Off Position sitzt? Wie beschreibt man das Gefühl, wenn sich deine Rail nach dem Take-Off wie ein Puzzleteil in das Face der Welle fügt und dich die Schwerkraft zum Bottom Turn gleiten lässt? Wie beschriebt man die Wut, wenn du eine Sekunde lang zögerst, dir das Spray der perfekten Off-Shore Breeze die Sicht nimmt und dich als Konsequenz im Rücken der Welle zurück lässt?

In Wiliam Finnegan’s Bestseller „Babarian Days“, findest du zwar keine Anleitung zu diesen Fragen, jedoch erlebst du die Aufregung, Gefühle und Emotionen, die Surfen in dir auslöst und du sonst nur im Line-Up erlebst.

Barbarian Days 3

Bill Finnegan, im fortgeschrittenen Alter in Mexiko.

 

Wir trafen William zum Interview, für unserer Printausgabe von 2018 und sprachen mit ihm über das Kaltwassersurfen, Olympia und sein nächstes Werk. Gedruckt liest es sich immer noch am besten. Unsere Yearbooks sind im Blue Onlinekiosk erhältlich >> 



Bill, wir Norddeutschen surfen viel in der Nordsee in ziemlich kaltem Wasser und in mittelmäßigen Wellen. Trotzdem hat diese Szene ein ganz besonderes Flair. Wie stehst du zum Kaltwasser-Surfen?

Ganz ehrlich: Ich finde es schrecklich! Jedes Mal wenn ich nach Hawaii, Fidschi oder Bali komme, stelle ich fest, dass ich ja doch surfen kann. Die Takeoffs sitzen dann, ich schaffe gute Turns, fühle mich fit. Das ist in kaltem Wasser völlig anders. Einen dicken Neo anzuhaben behindert mich wahnsinnig. Aber ich lebe nun mal seit Langem in New York, und wenn du hier regelmäßig ins Wasser kommen willst, darfst du nich wählerisch sein.

 

Du bist ja aber auch viel unterwegs und erlebst sehr unterschiedliche Wellen: Welche Boards surft William Finnegan?

20 Jahre lang surfte ich ausschließlich Custom-made-Bretter von Owl Chapman, einem legendären hawaiianischen Shaper. Immer ungefähr das gleiche Modell, ein Thruster, lang und mit viel Volumen. Doch eines Tages saß ich im Line-up von Blacks, San Diego, und lernte dort Rusty Preisendorfer kennen. Er gab mir sein Board, ein Rusty Quad. Es war ziemlich groß an dem Tag und ich hatte es aus wenigen Tubes wieder herausgeschafft – doch dieses Quad war das schnellste Brett, das ich jemals unter den Füßen hatte. Seitdesurfe ich nichts anderes mehr. Ich war noch nie besonders an Shapes und den neuesten Moden interessiert. Ich brauche ein Brett, das funktioniert, fertig.

 

Surfen war für dich immer ein ganz wichtiger Teil deines Lebens, ist es ja anscheinend heute noch. Warum hat es so lange gedauert, bis du ein Buch über das Surfen geschrieben hast?

Surfen war immer meine Leidenschaft – aber es war nichts, worüber man redete. Man tat es einfach. Darüber zu schreiben ist mir lange gar nicht in den Sinn gekommen. Anfang der 90er bewarb ich mich bei dem Magazin „The New Yorker“ und schlug ihnen unter anderem eine lange Geschichte über meinen Freund Marc „Doc“ Renneker vor, eine prägende Figur der Surf-Szene San Franciscos – ohne dass „Doc“ davon wusste. Ich hatte einfach das Gefühl, es sei spannend, anstatt immer nur aus dem Innenleben zerrütteter Gesellschaften in Afrika auch mal aus dem Innenleben einer verschlossenen, komplexen Szene zu berichten. „Playing Doc’s Games“ wurde ein Erfolg und von da an dachte ich immer mal wieder darüber nach, mein Leben als Surfer in Buchform zu veröffentlichen.

 

Wie lange hast du denn letztendlich an „Barbarian Days“ gearbeitet?

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Über einen Zeitraum von zehn Jahren habe ich das Projekt verfolgt. Aber natürlich habe ich in dieser Zeit auch viel journalistisch veröffentlicht und bin gereist, sodass die Arbeit nicht wirklich kontinuierlich war. Zum Glück habe ich früh angefangen, Tagebuch zu führen – ohne diese Dokumente wäre es unmöglich gewesen, 50 Jahre meines Lebens so detailliert zu rekonstruieren.

 

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Finnegan war Anfang der 70er einer der Ersten, die die Wellen auf Tavarua, Fidschi, surften. Auch mit 60 chargt er noch immer zwölf Fuß Cloudbreak. Foto: Scott Winter

 

Nun bist du ein Promi in der Surf-Welt. Ich habe noch nie ein böses Wort über dich gelesen – wie reagieren die Leute im Wasser, wenn sie dich erkennen? Schenken sie dir vor Rührung Wellen?

Ganz im Gegenteil! Letztes Jahr war ich an einem der besten Tage an einem Secret Spot in New Jersey. Im Wasser nur eine Handvoll Locals, ein sehr gut surfender Australier und ich. Es kommt die Bombe des Tages auf uns zu, ich bin in perfekter Position und paddel. Der Aussie an meiner Inside paddelt auch, guckt mich dabei an und sagt: „Bist du nicht Finnegan?“ Und während ich kurz hinüberschaue, snakt er mich, droppt rein in diesen fantastischen Peak und ruft mir über die Schulter zu: „Good book!“ Für meinen Ruhm kann ich mir scheinbar nichts kaufen.

 

Dein Buch wurde auch von Nicht-Surfern gefeiert. Wie stehst du der Kommerzialisierung des Surfens, also dem Versuch, mehr Menschen für das Surfen zu begeistern, gegenüber?

Wer vom Surfen träumt, der wird damit anfangen, auch wenn er in Arizona aufwächst. Aber wo steckt der Sinn darin, die Popularität des Surfens künstlich zu steigern? Ich kenne niemanden, der davon profitiert. Wer hat etwas von den Olympischen Spielen? Die Surf-Industrie, ein paar Pros, vielleicht die Surfschulen – aber sicher nicht die Surfer, die die Szene ausmachen. Mein Mantra heißt: „Leave surfing to the people who find it.“

 

Ein gutes Mantra! Was kommt als Nächstes für dich?

Ich arbeite an einem Buch über meine Jahre als Bremser bei der Southern Pacific Railroad Mitte der 70er. Das war als junger Mensch eine sehr prägende Zeit für mich – der Job ist hart und gefährlich, die Eisenbahner haben eine eigene Sprache bei der Arbeit, unglaublich viele Codes, sind stolz und dementsprechend gut organisiert. Im Vergleich zum Surfen und auch zum Schreiben fühlt sich diese Welt sehr echt an. Die Eisenbahn ist ein Mythos Kaliforniens, der Treck gen Westen wäre ohne sie nicht möglich gewesen. Dichter wie Woody Guthrie oder Jack Kerouac priesen das Leben der Hobos, die als blinde Passagiere das Land durchquerten. Das inspirierte mich damals dazu, den Job anzunehmen, und heute, dieses Buch zu schreiben.

 

Klingt spannend. Viel Spaß dabei!

 


 

Anbei noch etwas für die Ohren: Thomas Zielinskis traf William während des Surffilm-Festivals 2018 in Berlin und zeichnete, in Begleitung von Pizza und Limonade, eine Folge seines Podcast „Get Wet Soon“ mit ihm auf.

 

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Interview: Jens Steffenhagen

www.getwetsoon.de