Andy Irons Kissed By God Review

Puh... Andy Irons – Kissed by God ist wahrlich keine leichte Kost. Der aufwändig produzierte Film wurde uns als der meist-diskutierte Surffilm des Jahrzehnts angekündigt. Das ist er vermutlich auch. Zu Recht, wie ich finde.

Steve Jones und das Produktions-Team von Teton Gravety Research ist ein besonderer Surf Film gelungen. Der Mix von alten Aufnahmen aus Andys Kindheit, seinen frühen Contest-Jahren und den zum Teil sehr emotionalen Statements seines Bruders Bruce, seiner Frau Lyndie und diverser Wegbegleiter, ist intensiv und interessant. Dabei ist es vor allem Bruce Irons, Andys jüngerer Bruder, der sehr offen über die gemeinsame Zeit der Geschwister spricht und dabei auch sehr private Dinge preisgibt. Erlebnisse aus der Kindheit, dem gemeinsamen Aufwachsen auf Kauai und dem Start ins professionelle Surfbusiness in dem jeder von ihnen seinen Platz fand. 

Aber nach über 90 Minuten lässt die zweifellos gut erzählte Story, über den Aufstieg und Absturz von Andy Irons, für mich noch viele Fragen offen. Fragen die vermutlich das Potential haben, dass wir noch lange über diesen Film und seine Protagonisten diskutieren werden. Fragen, deren Antworten nur die engsten Freunde und Angehörige des "Boy from Kauai" kennen:

Warum konnte niemand aus Andys direktem Umfeld, weder sein Bruder Bruce, seine Frau Lyndie noch seine Eltern, ihn von einem Drogenentzug überzeugen?

Warum haben die Angehörigen nicht dafür gesorgt, dass Andy mit seiner bipolaren Störung und seiner Drogensucht dauerhaft professionelle Hilfe bekommt?

Gab es solche Versuche? Und wenn ja, warum sind sie gescheitert?

Diese Fragen beantwortet der Film leider nicht.

Drogensucht ist behandelbar. Auch Bipolarität ist behandelbar.Wenn Bruce und Lyndie sich im Film über Andy und sein Verhalten äußern, entsteht für mich der Eindruck, dass sie die „Alarmzeichen“ sehr wohl wahrgenommen haben: Andys überdrehtes Verhalten. Den Stimmungswechsel von himmelhoch jauchzend zu zum Tode betrübt, die Drogenexzesse, den Alkoholrausch auf Partys – all dies war für Lyndie, Bruce und Andys enge Freunde aus dem „Wolfpack“ deutlich sichtbar.

Und keiner hat die Handbremse gezogen und Andy zum Drogenentzug und einer Behandlung seiner psychischen Probleme motivieren können? Keiner hat ihn überzeugen können seine Bipolarität professionell behandeln zu lassen?

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Es fällt mir schwer zu glauben, dass niemand aus Andys Umfeld die Kraft aufbrachte ihn zu seinem Glück zu zwingen. Haben die harten Jungs des Wolfpack wirklich die Hilferufe ihres „Boy from Kauai“ nicht gehört? Oder sie einfach nicht verstanden? Oder sie nicht hören wollen, weil Schwäche im Kreise der North-Shore Surfer keinen Platz hat?
Ich kann einfach nicht glauben, dass Lyndie, Bruce und seine North-Shore Buddies tatenlos zugesehen haben, wie Andy mit vollem Speed auf den Abgrund zurast...

Menschen mit psychischen Erkrankungen sind auf die Sensibilität ihres direkten Umfelds angewiesen. Wenn die persönliche Situation des Betroffenen zu entgleisen droht und die Angehörigen offensichtliche Alarmzeichen nicht erkennen oder ignorieren, können die Folgen fatal sein. In Andys Fall waren sie das, leider.

So ist "ANDY IRONS – Kissed By God“ für mich sehr viel mehr als ein gut gemachtes Portrait eines viel zu früh verstorbenen Surfers. Wenn die Geschichte, die uns Steve Jones in diesem Film erzählt, tatsächlich so der Wahrheit entspricht, ist der Film auch eine Lehrstück für uns alle im Umgang mit psychischen Krankheiten und Drogensucht. Und genau deshalb ist der Film für mich absolut sehenswert.

Menschen die unter einer bipolaren Störung, einer Depression oder Drogensucht leiden, sind häufig darauf angewiesen, dass ihr direktes Umfeld – Freunde, Familie, Kollegen – die Alarmzeichen erkennen und aktiv werden. Wenn es nötig ist auch gegen den Willen des Betroffenen!

Und zwar BEVOR dieser mit dem Zug bei vollem Speed gegen die Wand fährt...

RIP Andy Irons

 

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PS. Die Surf Film Nacht ist nach wie vor mit dem Film auf Tour. Alle Termine und Tickets gibt es auf Facebook Seite der Surf Film Nacht. Nix wie hin da!

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Foto: Teton Gravety Research