Phil Goodrich 01 By Stefan Goetzelmann

Dieser Artikel erschien im Blue Yearbook 2019. Gedruckt lesen sich solche Storys immer noch am besten. Die aktuelle Ausgaben der BLUE und auch ältere Ausgaben kannst du ganz bequem in unserem Webshop ordern. #supportprint


In der Highschool war Phil Goodrich als surfender Teenager der schräge Cartoons zeichnende Außenseiter. Heute lebt er von seiner Kunst und verbindet die Malerei mit der Suche nach einsamen Wellen.


ES IST EIN HEISSER JULITAG irgendwo in den Tiefen Indonesiens. Der Tag ist noch nicht alt, aber die Luft schon schwer. Ein frischer Swell wandert geräuschlos durchs Wasser, ehe er auf die flachen Korallen Sumatras trifft und das Wasser des Indischen Ozeans über dem Riff zum Explodieren bringt.
Die Surfer im Line-up sind alles Männer mittleren Alters. Weiße Zinkgesichter, vorwiegend aus Australien – eingehüllt in Rashguards und Sonnenhüte. Die meisten sind mit der knallharten Power dieser Welle überfordert. Doch einer sticht heraus, sitzt einige Meter weiter draußen, beobachtet abgewandt vom Rest den Horizont.

Hin und wieder kommt ein Set an und bringt Hektik in die Gruppe. Doch er bleibt ruhig sitzen, hebt immer wieder beide Hände als Zeichen: „Könnt ihr gerne haben!“ Das geht so einige Male.

Erst als dann die Bombe des Tages ankommt und alle in Panik Richtung Horizont flüchten, bringt er sich in Position.

Seine Paddelzüge sind effizient und lassen ihn scheinbar mühelos über die sich schnell aufbauende Ledge gleiten. Sein Board ist winzig, hat wenig Rocker und sieht aus wie eine merkwürdige Mischung aus Fish und Shortboard. Trotzdem trägt es ihn sicher die Wand hinunter und befördert ihn in eine massive Röhre aus Wasser. Als er wenig später mit gesenktem Haupt, vom Spit begleitet, aus der Tube geschossen kommt, ist klar: Das kann nur Phil Goodrich sein. Während die Münder der anderen noch immer offen stehen, paddelt Phil mit einem sanften, aber tief zufriedenen Lächeln zurück an seinen angestammten Platz im Line-up.

Phil Goodrich 12 By Stefan Goetzelmann Crop


Phil ist in Indonesien schon fast so etwas wie eine Legende. Immer wieder tauchen Bilder und Stories von atemberaubenden Wellen und Orten aus den Tiefen des Archipels auf. Lange Zeit war er einer dieser „Feral Traveler“, die unabhängig auf dem Landweg durch das Inselreich reisen und jeglichem Komfort entsagen, um abseits der Crowds die verborgenen Juwele dieses Landes zu surfen. Doch mit der Zeit hat er sich arrangiert und wohnt nur noch in den Surfcamps, für die er seine einzigartigen Bilder malt. Er selbst meint:

„Wenn du einmal das süße, einfache Leben in den Camps gekostet hast, ist es schwer, wieder zurückzugehen.“

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Phil Goodrich 05 By Stefan Goetzelmann

Verständlich. Phil ist gerade 48 geworden und hat es sich redlich verdient, in diesen westlichen Oasen zu hausen. Obwohl er nicht mehr so spritzig surft wie früher und auch seine Sehkraft mit der Zeit abgenommen hat, stellt er sich nach wie vor den haarsträubendsten Barrels, die ihm der Indische Ozean entgegenwirft. Später einmal ruhiger zu treten, auf Longboards und gemütliche Wellen umzusteigen, steht nicht auf dem Plan. Solange es sein Körper zulässt, hat er vor, in die Tubes dieser Welt zu ziehen. Genau deshalb ist er hier in Indo – für mehr als die Hälfte des Jahres.

Phil Goodrich 07 By Stefan Goetzelmann


Es ist seine Kunst, die ihm diesen Lifestyle ermöglicht hat. Inspiriert von Klimt, Vermeer oder Singer Sargent malt der gebürtige Floridianer realistische Portraits von Persönlichkeiten, die ihn inspirieren, und kombiniert diese mit den Wellen, die meist direkt vor seinen Augen brechen.


Phil Goodrich 02 By Stefan Goetzelmann

Die Liebe für sein bevorzugtes Medium Sperrholz hat er schon früh an der Point Loma University entdeckt, als er in seinem letzten Jahr seines Kunststudiums steckte. Es sind die neutralen Töne des Holzes, der resultierende Kontrast mit dem Weiß und das Verschmelzen der dunklen Farben mit der Faser, die dieses Material für ihn so besonders machen.

Phil Goodrich Insta Art 02

Surfart by Phil Goodrich, IG: @phil_goodrich_art

Anfangs noch mit Kreide, später dann mit Ölfarbe, fokussierte er sich zunächst auf Portraits. Doch die Nachfrage nach Wellenbildern war größer, und so fand er einen Kompromiss in der Überblendung dieser Motive. Es scheint zu funktionieren.

Phil Goodrich 04 By Stefan Goetzelmann


Sein Haus in South Carolina hat er zusammen mit seiner Frau Crystal so gut wie abbezahlt. Sich zur Ruhe zu setzen, ist aber trotzdem nicht sein Ding, auch wenn es nicht immer leicht für seine Beziehung ist, wie er sagt. Heute sind in ganz Indonesien die Wände von Phils Bildern geschmückt, meist unweit von spektakulären Wellen. Man könnte diese Gemälde fast schon als Qualitätssiegel für einen Ort mit mächtig Tubetime sehen.

 

Phil Goodrich 11 By Stefan Goetzelmann

Trifft man auf eines dieser unverkennbaren Kunstwerke, ist es wie ein kleiner Hinweis darauf, dass vor nicht allzu langer Zeit ein Typ da war, der vermutlich monatelang in eine Barrel nach der anderen gezogen ist und dir nun sagt: „Phil was here“.

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Alle Fotos: Stefan Götzelmann / warmwaterstudio.com