Lennart Girard ist einer der wenigen deutschen Surfer, die sich auf den Winter freuen: Große Wellen sind sein Ding und dicke Neos schrecken den Kieler nicht ab. Doch nachdem sich Lennart beim SIX IN THE MIX auf der Vorupør Mole zerlegt hat und bis zum Frühjahr außer Gefecht ist, musste er die Seiten wechseln: Fotografieren statt fotografiert werden. Dass er die neue Leidenschaft ernst nimmt, beweist ein Spontan-Trip nach Portugal - nur um seinen Freunden beim Swell des Jahres zuzusehen. Zum Glück durch eine lange Linse, so dass wir alle etwas davon haben. Hier ist Lennarts Story, Teil 1:
Tag 1, Supertubos. Mehr geht nicht.
"Anfang Januar, ein Kieler Schwimmbad. Leon Jamaer, Eggert Stoltenberg und ich trainieren uns eher unmotiviert den Winterspeck weg, ich mache zudem noch Übungen zur Stabilisierung meines mit Kreuzbandriss gebeuteltem Knie. "Digger, hast Du die Vorhersage gesehen?" "Wofür, Dänien?" "Nee Mann, Portugal". Zehn Minuten später stehen wir umgezogen im Foyer und starren auf Eggerts Laptop. "Buchen!" "Warte, ich muss mal mein Konto checken....OK". Danke Ryanair, danke Studentendasein. Weitere 24 Stunden später landen wir mit fünf Brettern, meinen Krücken und einem Haufen Kameraequipment in Lissabon. Der Swell ist noch nicht ganz da, Guincho bietet aber ein paar Rampen. Abends werden wir von Sam Einstein in seiner Wohnung in Lissabons Zentrum empfangen. Er kann schon jetzt nicht mehr, die Wellen am Wochenende zuvor waren zu gut. Er fährt am nächsten Morgen trotzdem mit nach Peniche.
Tag 1:
Es ist noch ein wenig unsortiert und zu wenig Wasser auf der Sandbank, als wir drei Kieler, Sam und sein Bruder Simon, sowie der Kalifornier Luke Dawson und der Hawaiianer Colin McReynolds am Strand von Supertubos aufschlagen. Auf dem Parkplatz warten bereits Pros wie Aritz Aranburu, Dane Hall und einige lokale Ripper darauf, dass der Wind noch ein wenig mehr auf Nordost dreht, der Swell sich sortiert und das Wasser aufläuft. Vier Stunden später ist all dies passiert, da es sich aber um einen Mittwoch handelt, wird das Lineup nicht so voll wie erwartet. Die meisten Surfer werden von den kraftvollen Schönheiten eingeatmet und wieder ausgespuckt, während ich mit Kamera und Knieorthese auf der Düne stehe und wie ein Wilder knipse. Gar nicht so einfach. Aber ich hab ja noch ein paar Tage Zeit, meine leicht masochistisch angehauchte Energie in den Auslöser der Canon zu kanalisieren. Das Sagres kühlt mein Gemüt ein wenig herunter.
Tag 2:
Coxos. Meine Lieblingswelle in Europa. Es feuert. Und wie. Und es ist wieder gar nicht mal so voll. Mein Abzugsfinger rattert. Sam hatte bei seiner ersten Session an diesem Ort vor über einem Jahr ein wenig Pech mit der Wellenauswahl. Jetzt klappt es. Leon surft diese Welle zum ersten Mal, wie übrigens jede andere Welle in Portugal auch und wechselt sich mit Sam ab, sein 5'7er Hypto Krypto sowie seine 6'9 Semigun aus Hawaii zu surfen. Das 6'4 hat die Session in Supertubos gestern nicht überlebt. Die Tide läuft auf, was den Ausstieg in der kleinen Bucht merklich erschwert, alle machen sich auf den Weg an Land. Nur Nic von Rupp und Maxime Huscenot tauchen samt Filmcrew auf und haben den felsigen Spielplatz für sich alleine. Sam, Eggi, Leon und Luke entscheiden sich für einen Sunset-Surf in der sonst eher langweiligen Welle von Ribeira D'Ilhas. Von Langeweile ist heute jedoch nichts zu spüren, es rollen gut doppeltkopfhohe Wände durch das große Lineup, welche vor allem von Sam's Backhand Attacke bemalt werden. Die Abendstimmung ist Sommerhaft, alle sind glücklich. Sogar ich. Sagres ist lecker."
Teil 2 folgt in der nächsten Woche - stay tuned!
Text + Fotos: Lennart Girard