Johannes Rausch Verteilt Spray Pic By Christian Kirberg

Ein Gastbeitrag von Joscha Jancke

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Mehr Kontrast geht wohl nicht. Mein letztes mal im Wasser war Surfklischeebarometer Level 100: Hawaii, North Shore, Reef, Acai Bowl, Palmen, leicht offshore, glassy. Nun stehe ich in einer lauten Halle, der Boden vibriert durch die Kraft irgendwo unter mir arbeitender Turbinen, ein paar Grünpflanzen simulieren bestmöglich Urlaubsfeeling und ich bin bereit, das erste Mal in meiner Heimatstadt meine Füße auf ein Board zu stellen und zu surfen, knapp 300 Kilometer vom Meer entfernt. So oft wurde davon geredet, wie toll es wäre, wenn Berlin am Meer läge. Das Beste aus beiden Welten, Großstadt und Surfen: alles wäre perfekt.

Seitdem die ersten Bilder von Wavegarden im Baskenland und danach Kelly Slaters Wavepool- Video aufgetaucht waren, war klar: das ist es, was Berlin braucht.Ein Wavegarden ist es dann nicht geworden, sondern ein Indoor Wave Pool der citywave-Technologie. Auch fein.
Auf dem Beckenrand sitzend, manövriere ich das Board so gut es geht, bis es unter mir liegt, während das Wasser in einem reißenden Strom unter dem Brett entlangschießt. Aufstehen, Speed generieren und kurz vor dem Ende des Beckens einen Turn fahren. Das ist der Plan. Eigentlich ein guter Plan, denn ich kann ja Surfen, dachte ich.

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Der Autor nach seiner zehnten Session im Wellenwerk. Foto: Johannes Rausch

One man’s fall is another one’s treasure.
Jedoch: Der Plan geht nicht auf. Ich drücke mich vom Beckenrand weg, stehe auf – und ab hier ist alles anders als beim Surfen im Meer. Das Board wackelt, ich habe Schwierigkeiten die Balance zu halten und wie ein blutiger Anfänger (der ich auf einmal wieder bin) eiere ich hinunter in das Wellental, wo meine kümmerliche Fahrt verendet und ich versacke wie ein gefällter Baum. Entspricht nicht ganz dem Bild, das ich im Kopf gehabt hatte und auch nicht dem, das ich den anderen elf Mitsurfenden hatte bieten wollen. Wobei die sich wohl insgeheim freuen, denn: je schneller jemand reinfällt, desto eher ist der nächste am Zug.

Surfen in einer stehenden Welle ist ganz anders als Surfen im Meer: das hatte mir jeder gesagt, der schon einmal auf einer solchen Anlage oder dem Eisbach gesurft war. Mich wieder hinten in die Schlange stellend, wird mir klar, wieviel anders. Ich hatte blauäugig angenommen, für einen landlocked Surfer ganz passabel surfen zu können, hatte mir extra etliche Citywave-Surfvideos auf YouTube angeschaut, um mich so gut wie möglich darauf einzustellen, meine Lines schon imaginär gezogen, und deshalb würde das schon klappen. Pustekuchen.
Hier hieß es erstmal: sich ganz hinten anstellen wie jeder andere auch.

Glücklicherweise bekam ich während des Wartens ein paar gute Tipps (die ich am Ende des Textes verraten werde). Und siehe da, gegen Ende der Stunde ging es schon besser. Die Lernkurve auf der Anlage ist erstaunlich schnell und mit ihr steigt auch proportional der Spaß. Nach 2-4 Sessions verwandelt sich das Gefühl von „Was-soll-das-denn-mit-dem-RealDeal- zu-tun-haben“ immer mehr zu richtigem Surfen und die Sache macht Freude.Der perfekte Pausensnack für die langen grauen Berliner Winter.

Hat man erst einmal gelernt Geschwindigkeit zu generieren, wird es immer mehr zu dem Fahrgefühl, wie man es kennt. Nun man kann einen der größten Vorteile eines Indoor Wave Pools auskosten: Turns immer und immer wieder üben und verfeinern, bis einem die Beine weh tun. Das Ganze hat etwas von Skaten in der Minirampe: Man steht auf dem Coping, wartet bis man dran ist, wenn jemand einen geilen Turn oder Trick macht, johlen alle, klopfen aufs Brett und man freut sich gemeinsam. Und auf einmal ist man selber dran, droppt rein und versucht etwas Neues. Nach der Session sitzt man dann beim gemeinsamen Bier am Poolrand und schaut den Mädels und Jungs zu, die es schon besser draufhaben.

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Profi Surferin Valeska Schneider in Full Control. Foto: Johannes Rausch 

Wie ein Tiger im Käfig stromert man hin und her, nur gebremst vom Rand des Beckens. Im Geiste versucht man sich zu merken, wie die Turns eingeleitet, Pumpbewegungen vollzogen und die Cutbacks ins Wasser gesetzt werden, um es beim nächsten Mal hoffentlich besser zu machen. Auch wenn das Surfen im Pool selbstverständlich komplett anders ist – keine Ruhe beim Warten auf die Setwellen, keine Möglichkeit der Selbstreflexion beim Einswerden mit der Natur, keine sich stetig verändernden Wellen, die gelesen werden wollen, kein Adrenalin-Rush, wenn das Clean Up Set kommt, kein kräftezehrendes Rauspaddeln durch endlose Beachbreak-Linien –, so macht es doch großen Spaß und das Gefühl, nach einer Session surfed out durch die spätabendliche Großstadt in die Bar zu fahren, ist einfach großartig.


Technik-Tipps für die Citywave
Der größte Unterschied ist wahrscheinlich, dass man nicht von der Welle angeschoben wird wie im Meer. Wird man einer Meereswelle gepackt, stabilisiert sich das Brett, man kann aufspringen und steht sicher. Die citywave-Welle fließt unter einem hindurch und so bleibt das Board kippelig, solange man nichts unternimmt. Man muss selber Fahrt aufnehmen, um stabiler zu werden.


Jeder, der viel im Meer gesurft ist, sollte mental einmal kurz die Reset-Taste drücken.

  • Stark in die Knie gehen, schön tief mit dem Körpergewicht kompakt über dem Brettmittelpunkt stehen. 
  • Beim Fahren auf das citywave-Logo auf der Bande  schauen, nicht nach unten aufs Wasser. 

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    Eyes in the Price Logo. Foto: Johannes Rausch

  • Den hinteren Fuß so weit es geht nach hinten auf das Pad stellen, den vorderen mittig.  

  • Den hinteren Fuß stärker belasten als sonst, hinteres Knie eindrehen.

  • Beim Backside-Surfen die Schultern / Oberkörper weit aufmachen.

  • Bei Turns immer dahin schauen, wohin man fahren möchte, und aktiv die Drehung mit dem ganzen Oberkörper einleiten, wobei man den hinteren Arm aktiv mitzieht. Erst dreht der Körper, dann das Brett.

  • Nicht zu weit nach unten ins Wellental kommen. Geschwindigkeit erzeugt man, in dem man die Welle herunterfährt, d.h. man lässt sich nach oben mitnehmen und fährt dann nach unten. Je schneller diese Pumpbewegungen gelingen, desto schneller wird man.

  • Es hilft definitiv sich ein Surfskate ( zb von YOW) zuzulegen und darauf zu üben. Die Turns die man darauf machen kann, kommen den echten Surfen schon recht nah.

 

 

Materialtipps für die Citywave

 

  • Neo: Es empfiehlt sich mindestens ein Neo-Top oder ein Shorty, da man trotz des warmen Wassers beim Warten auskühlt.
  •  Board: Da man die Welle nicht anpaddeln muss, kann man ein wesentlich kleineres Board mit wenig Volumen surfen. Bei einem 75kg-Surfer empfiehlt sich 5'3 bis 5'5 um die 25 Liter. Zu viel Rocker ist nicht optimal, da die Welle flach ist und man dann nicht gut Geschwindigkeit generieren kann. Auch wichtig sind besonders verstärkte Rails und Finnenkästen.

 

Unter anderem folgende Companys haben gute citywave-Boards im Programm: QR Code von Mighty Otter, Puddle Jumper und Short Round von Libtech/ Lost, Type und STX Series von Buster, das Rush und das Eisbach Shape von Fatum, Hydroshort und Evo von Tomo/ Firewire.

  • Finnen:Die Finnen brechen gern mal bei Bandenkontakt, deshalb am besten ein Board mit FCS 1 Finnen fahren – je steifer die Finnen, desto höher die Gefahr, dass der gesamte Finnenkasten in Mitleidenschaft gezogen wird. Aus dem Grund sollte man auch keine Future Finnen fahren, da sie „leider“ zu stabil sind.

 

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Ein kleiner Überblick über den Stand der künstlichen Wellenkonzepte
In Berlin wird eine Technologie der Firma citywave aus München verbaut. Bei diesem Konzept wird das Wasser durch Turbinen beschleunigt, trifft in dem Pool auf ein Hindernis (alias künstliches Riff) und erzeugt so die Welle, die man surfen kann – ähnlich dem Eisbach in München, der auch als Inspirationsquelle diente. citywaves gibt es bis jetzt in Osnabrück, München, Luzern, Zürich, Wien, Tokio, Israel, Moskau, Monteux, Südfrankreich, Madrid und eben Berlin. Weitere sind in Planung. Die Berliner Welle gilt mit ihrer Wellenhöhe von 1,60 m als höchste und breiteste in Europa.

Die Preise für eine Session sind recht unterschiedlich: In Osnabrück kosten 45 Minuten 34€, während man in München für dieselbe Zeit 54€ zahlen muss. In Berlin dauert eine Session 60 Minuten und kostet inklusive Ökostromumlage 42€.

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Johannes Rausch Frontside Turn im Wellenwerk. Foto: Christian Kirberg

Neben der citywave-Technologie gibt es noch ein recht ähnliches Konzept, die UNIT-Parktech- Welle, bis jetzt in Köln und Mailand vorzufinden.Die Unit-Welle wird von einem Ponton erzeugt, der in einem See schwimmt. Der größte Vorteil dieser Anlage ist, dass vorhandenes Seewasser genutzt werden kann, was für die Nachhaltigkeitsbilanz top ist und darüber hinaus den Spaß insoweit ein bisschen realer macht, da nach einem Sturz zurück zum Ponton gepaddelt werden muss. Earn your turn, wenigstens ein bisschen. Eine Session kostet hier 34€ für eine Stunde.

Beide Konzepte sind vergleichsweise günstig im Vergleich zu den gleich folgenden.Eine UNIT und citywave kann man für 1 Million Euro bauen, je nach Wellenbreite und Höhe ist dann noch Luft nach oben (plus natürlich etwaige Gebäude drum herum). Neben diesen beiden Konzepten, die sich an Flusswellen orientieren, gibt es bis jetzt vier Firmen, die „richtige“ Wellen für die kommerzielle Surfnutzung erzeugen. Sie sind den Meerwellen insofern ähnlich, als dass sie durch einen Impuls aufgebaut werden, dann auf ein künstliches Riff treffen und dort angepaddelt werden müssen.

Die erste Firma, die eine künstliche Welle für einen kommerziellen Surfpool erzeugen konnte, war Wavegarden aus Spanien. Sie haben inzwischen eine zweite Version ihres Pools namens The Cove erfolgreich an den Markt bringen können. Die Cove-Anlagen bestehen aus zwei Becken, die sich muschelförmig ausbreiten, getrennt durch einen Steg in der Mitte, wo die Wellen mittels eines sogenannten modularen elektromechanischen Systems erzeugt werden. Dadurch ist es möglich, gleichzeitig eine rechte und eine linke Welle zu generieren. Wavegarden wirbt damit, bis zu 1000 Wellen in der Stunde an Start bringen zu können, das Ganze auch noch skalierbar von hüft-bis überkopfhoch. Ein Wavegarden-Cove soll ca. 19 Millionen Euro kosten. Bis jetzt gibt es Cove-Anlangen in Bristol und Melbourne, weitere sind in Südkorea, der Schweiz, Brasilien und Schottland im Bau oder in konkreter Planung, eventuell auch bald in Stade bei Hamburg.
Eine Stunde Surfen kostet im nächstgelegenen The Cove in Bristol umgerechnet 50€ und man soll zehn Wellen fahren können.

Der Zweite auf dem Markt war Kelly Slater, dessen Marketingvideo ein virales Erdbeben in der Surfwelt auslöste. Seine Welle war die erste, die richtig barrelte – eine Tube mitten in einem künstlichen See im Nirgendwo.Kellys Welle wird erzeugt durch eine Art Schlitten – genannt Hydrofoil –, der unter Wasser gezogen wird und so die Welle erzeugt, die dann auf mehrere künstliche Riffe trifft. So gibt es verschiedene Bereiche, von der Barrel bis hin zur Air Section.Die erzeugte Welle ist super schnell und schwer zu bekommen, da die Lippe recht hart ist. Somit ist sie nichts für Anfänger oder normale SurferInnen, da eine Session dort um die 9000 Dollar kosten soll.

Die Kelly Slater Wavecompany wurde von der World Surf League gekauft, daher gibt es seitdem sogar Worldcups in einer Artificial Wave. So schön die Vorstellung auch ist, selber einmal in der Tube zu stehen, so langweilig ist es, einem Contest (der sogenannte „Leemore Freshwater Pro“) zuzuschauen.

Zu gleichförmig ist jede Welle, zu vorhersehbar jeder Ritt. Darüber hinaus muss sich nach jeder Welle das Wasser erst einmal beruhigen, bevor die nächste erzeugt werden kann. Die Konsequenz: pro Stunde sind höchstens 10 Wellen möglich.

Die dritte Firma auf dem Markt ist American Wave Machines. Hier wird mittels einiger Luftkissen der Impuls ins Wasser gegeben, der dann der die Welle aufbaut.Da mehrere Impulse an verschiedenen Stellen mit variierender Stärke erzeugt werden können, ist es möglich, die Wellen unterschiedlich zu konfigurieren. Auf diese Weise lassen sich perfekte Abschussrampen zu erzeugen, was gerade Aerial-KünstlerInnen zugutekommt.
So hat der bisher einzige AWM-Pool in Waco/ Texas das Airgame-Level unglaublich gepusht. Nur logisch, dass dort die beiden STAB High Contests stattfanden, die bisher ersten (und einzigen) Aerial-Surf-Events in einem Pool.Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, die Welle barreln zu lassen, sodass jeder bei einer der 160 Wellen pro Stunde auf seine Kosten kommt. Eine Session liegt bei 70 US-Dollar / Stunde und bei voller Poolbelegung soll jeder auf 8-10 Wellen kommen.

Zu guter Letzt gibt es noch die Madmax-ähnliche Konstruktion der australischen Firma Surf Lakes. Ihr Konzept besteht darin, dass ein gigantischer, 1400 Tonnen schwerer Pömpel hydraulisch hochgehoben und dann auf den See fallengelassen wird. Dadurch entsteht eine Welle, die sich ringförmig ausbreitet und daraufhin auf verschiedene künstliche Riffe trifft.Surf Lakes wirbt damit, pro Stunde bis zu 2000 Wellen auf verschiedenen Wave-Setups treffen lassen zu können, von Anfängerwellen über eine kleine Barrel-Welle bis hin zur Heavy Slab. Da diese Anlage sehr viel Platz benötigt und 30 Millionen US-Dollar kostet (wobei der erste Prototyp zudem recht schnell den Geist aufgab), bestehen Vermutungen, dass der kommerzielle Erfolg dieses Konzeptes trotz namhafter Investoren wie Mark Occhilupo nicht von Dauer sein könnte.

Darüber hinaus gibt es noch verschiedene Theme Parks mit Wellenbädern, die auch surfbare Wellen erzeugen können. Die bekannteren sind die Parks in der Wüste von Dubai, der Sian Park auf Lanzarote oder die Typhoon Lagoon in Orlando. Da diese jedoch nur auf besonderes Ersuchen auch für Surfer öffnen, wird hierauf nicht weiter eingegangen.

 

Nachhaltigkeit
Leider benötigen künstliche Wellen enorme Mengen an Energie und müssen meist mittels größerer Eingriffe in das Land gebaut werden; gerade die Outdoor Pools haben da keine gute Nachhaltigkeitsbilanz. Dazu hier ein sehr lesenswerter Beitrag der Surfrider Foundation... 
Das Wellenwerk in Berlin ist insofern relativ weit vorne, da es in einem vorhandenen Gebäude gebaut wurde, es zu 100% mit Ökostrom läuft und auf dem Gelände der Wasserwerke steht, so das das Wassermanagement sehr gut ist. Trotzdem ist das Surfen im Meer natürlich das Nachhaltigste auf allen ebenen. (Wenn man an den Spot fliegen muss bitte wenigstens CO2 Ausgleich mittels Atmosfair.)

 

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Die Berliner Surf Hoffnung Anna Kapp. Foto: Johannes Rausch

 

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Credits 

Joscha Jancke

Johannes Rausch

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