Paddle Out Uwe Drath Peer Krueger

Am Sonntag den 6.6. veranstaltete der Surf Club Sylt einen Paddle Out für Uwe Drath. Über 80 Surfer versammelten sich am Strand von Westerland um dem im Alter von 93 Jahren verstorbenen Urvater des Surfens in Deutschland eine letzte Ehre zu erweisen.

Aus aktuellem Anlass veröfentlichen wir den Nachruf aus dem Blue Yearbook #21, dass am 11.6.21 erscheint, schon hier:

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Der Mann der Wellen

Wenn ich an Uwe Drath denke, wandern meine Gedanken sehr weit zurück. Bis ins Jahr 1964. Jeden Morgen fuhr mich meine Mutter zum alten Westerländer Hallenbad, wo ich mit anderen Kindern, bis zum Bauch im Wasser stehend, auf die Anweisungen des hochgewachsenen Bademeisters wartete.


Uwe Drath war mein Held. Ein Held, vor dem ich eine Heidenangst hatte. Unendlich groß und durchtrainiert, konnte er nicht nur unglaublich streng gucken. Er war es auch. Eigentlich kenne ich ihn nur in Badehose. Ein blonder, drahtiger Mann mit markanten Gesichtszügen.
Ich sehe ihn am Beckenrand stehen, die Rettungsstange in der Hand, die er immer gerade außerhalb meiner Reichweite hielt. Ich hatte das Schwimmbecken zu durchqueren. Unter mir gähnte ein Abgrund von einigen hundert Metern, und das gegenüberliegende Ufer lag meilenweit entfernt. Kein normales Kind konnte einmal quer durch dieses Hallenbad schwimmen. Während ich hustend und prustend durchs Wasser plantschte und immer wieder vergeblich nach der Stange griff, spornte Uwe Drath mich mit ruhiger Stimme an. Mitleid kannte er nicht. Wer schwimmen lernen wollte, sollte sich gefälligst anstrengen, auch wenn man dazu mehrere Liter gechlortes Salzwasser zu schlucken hatte. 

Als Uwe Drath einmal seinen Enkel mit nach Frankreich einlud und der nicht ins aufgewühlte Wasser wollte, drohte er ihm an, ihn nie wieder mitzunehmen, wenn er nicht endlich reinginge. So ist war er: konsequent und kein bisschen ängstlich – etwas, das er auch von anderen erwartete.

In den 1960er Jahren gehörte Uwe Drath zu jenen, die gegen ein komplett irrsinniges Westerländer Bauprojekt mit dem passenden Namen „Atlantis“ protestierten und schließlich auch verhinderten. Zwischenzeitlich kostete ihn das seinen Job als Bademeister. Er klagte sich zurück.

Außer als Bademeister arbeitete er als Ausbilder für hauptamtliche Rettungsschwimmer. Seine Brandungsprüfungen waren gefürchtet. Bei Sturm mussten die Kandidaten ins Wasser und beweisen, dass sie in den Wellen bestehen konnten. Wer zögerte oder sich blöd anstellte, war draußen. Er stand dabei nicht am Flutsaum und hielt große Reden, sondern stürmte mit seinen Leuten in die Brandung, selbst noch mit Mitte 60.  

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Zwei Jahre nach meiner bestandenen Schwimmprüfung lief ich mit meinem Opa über die Kurpromenade in Westerland. Ich entdeckte einen Mann im Wasser, der auf einem riesigen Brett stand. „Wer ist das?“, fragte ich. „Das ist Uwe Drath,“ antwortete mein Opa. Ja, nun erkannte ich ihn auch, und ich wusste: Das will ich auch machen, wenn ich groß bin. 

Es gibt einen schwelenden Streit bei der Frage, wer denn nun der erste Surfer in Europa gewesen sei. Ich sage, es war Uwe Drath. 1953 funktionierte er sein Rettungsbrett kurzerhand um und surfte die ersten Wellen. Mit einem Ungetüm von Brett, das einen halben Zentner wog und ihn oft nur knapp verfehlte, wenn er ins Wasser stürzte. Bald fand er Nachahmer, die sich in Biarritz echte Bretter besorgten. Uwe Drath ist niemals auf ihnen gesurft. Er hat immer seine gewaltige Holzplanke bevorzugt. Stur konnte er also auch sein.

Ja, ich wollte surfen lernen, doch meinen Eltern fehlte das Geld für solche extravaganten Wünsche. Sie hatten auch nie einen Hawaii-Film gesehen wie Uwe Drath, der ihn augenblicklich inspiriert hatte.
Ich bekam nur ein etwa einen Meter großes Styroporbrett, mit dem ich mich so oft in den Wellen überschlug, dass ich es aufgab und zum Bodysurfen zurückkehrte. Dabei ist es geblieben. Der Wunsch zu surfen musste eine Generation warten, bis er an meinen Sohn weitergegeben wurde. Letztlich hat auch er seine Leidenschaft für das Meer Uwe Drath zu verdanken.

93 Jahre ist der Mann der Wellen geworden. Bis ins hohe Alter hat er mit Gewichten gearbeitet und dafür den Rollator zur Seite geschoben. Ein Mann, der sich treu geblieben ist.

Farewell, Uwe. Vielleicht kann man dich dort, wo du jetzt bist, davon überzeugen, etwas anderes zu nehmen als dein altes Rettungsbrett. Obwohl, sicher bin ich mir nicht…

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Credits:

Foto:  Peer Krüger, Drath Archiv