Madagaskar. Älteste Insel unseres Planeten, dreimal so groß wie Großbritannien. Zu einer Zeit, als Europa, Asien, Afrika und die Amerikas noch eins waren im Superkontinent Gondwana, wurde sie geboren.

Seefahrer aus Indonesien besiedelten die Insel zwischen 200 und 500 nach Christus. Sie legten die 5000 km lange Reise in Auslegerkanus zurück, getrieben nur von Wind und Meeresströmungen. Die Besiedlung fand im Zuge der großen austronesischen Expansion statt, die auch zur Erschließung Neuseelands, Hawaiis, Polynesiens und Mikronesiens führte. Spätere Einwanderer waren Stämme der Bantu aus Ostafrika und im 10. Jahrhundert arabische Händler, was zu einer faszinierenden Mischung der Kulturen geführt hat.Travel Tipp Madagaskar

Heute ist Madagaskar, nach langer Ausbeutung durch die Kolonialmacht Frankreich und die darauffolgenden pseudodemokratischen, korrupten Clanherrscher, gemessen am Pro-Kopf-Einkommen eines der ärmsten Länder der Welt. Es gibt keine nennenswerte Industrie, der Tourismus steckt in den Kinderschuhen und die Haupteinnahmequelle ist die Entwicklungshilfe. Gebeutelt von Malaria, Pest und Aids, Korruption, illegalem Holzraub und Kriminalität, ist die Außenwahrnehmung des Landes denkbar schlecht, wenn man vor Reiseantritt das Internet und Freunde befragt.

Ist man dann nach zwei Tagen Anreise über Paris nach Antanarivo, einem kurzen Inlandsflug (Busfahren würde dank der schlechten Infrastruktur weitere 24 Stunden dauern) und der Weiterreise mit Auto und Boot am Fischerort seiner Wahl angekommen, sieht die Welt ganz anders aus. Es gibt zwar kein fließendes Wasser, sehr selten Strom und, wer hätte es gedacht, fast nirgendwo WiFi. Das hält die Fischer jedoch nicht davon ab, einem ein Lächeln zu schenken, Kinder spielen unbeschwert mit einem – und die Sonne scheint wohlwollend auf die strahlende Natur, die hellen weichen Sandstrände und die weit draußen liegenden Riffe.

Madagaskar Blue Magazine Surftrip
Home, Sweet Home...

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Das Schönste an Madagaskar ist für einen Surfer jedoch weder die atemberaubende Natur, noch die Freundlichkeit der Menschen, sondern: die fehlenden Menschen im Wasser. Wir genossen hier den größten Luxus, den sich ein Surfer wünschen kann: no crowds. Dass der alte Traum einmal Wirklichkeit werden sollte in Zeiten von Google Earth, hunderten Forecast-Seiten, Foren über Foren, Facebook-Gruppen und Insta-Accounts, hätte niemand für möglich gehalten. Und doch: hier waren wir auf einmal, mitten im Indischen Ozean, an einem Riff drei Kilometer vom Land entfernt – und nur vier Menschen im Wasser. 

Eine weitgereiste Welle nach der anderen traf auf die Riffkante, erhob sich majestätisch und formte lange, gläserne Wände. Endlich einmal entspannt die Setwelle heraussuchen, die man surfen möchte, ohne Hassle anpaddeln und lossurfen, um danach im Channel zurückpaddeln und die nächste Welle herauszupicken. Umgeben nur von Wasser, Wolken und vereinzelten madagassischen Piroggen auf der Suche nach Fisch. 

Madagaskar Travel Tipp Local Fisherman
Local Fisherman.

In der Region, in der wir uns bewegten, gab es alles: kurze schnelle Rights, lange wally Lefts, Barrels und Slabs, für jeden Geschmack war ein Riff dabei. 

Wir surfen, bis die Freudenrufe vom Wind verweht werden, was meist das Signal zum Aufbruch ist. Dann geht es glücklich und müde mit dem Auslegerboot zurück zum Strand. Der Wind ist eine der Ursachen für die Leere im Wasser. Die Tradewinds, die zu unterschiedlichen Tageszeiten einsetzten, aber auch die Tiden im Zusammenspiel mit dem Swell, machen es schwierig zu entscheiden, welches Riff wann gut läuft. Da es keine Beachbreaks gibt und die Riffe alle per Boot angefahren werden müssen, braucht es Local Knowledge. 

So entschieden wir uns für Surfguiding und fanden uns wieder in der Obhut eines lustigen grumpy old Surfers mit leichtem Tourettesyndrom (ein Satz ohne „fuck“ war nicht möglich). Er ist mit seinem Counterpart, einem netten, jungen und zuvorkommenden Franzosen, seit Langem in der Region im Südwesten unterwegs. Auf der Flucht vor Crowds verließ er in den 80ern Bali, dann in den 90ern La Reunion, um in Madagaskar endlich die leeren Wellen zu finden, die er sein ganzes Leben gesucht hat. Dass er jetzt sein Lebensunterhalt damit verdient, Surfer an leere Spots zu führen, behagt ihm nach wie vor nicht.

Madagaskar Hollow Reef Break Barrel
Schnell, hohl und shallow! (Foto: Blair Rodgers)

Wir wohnten in wunderschön gelegenen, kleinen Basic Bungalows, welche oft madagassischen Familien gehören – meist ohne Strom und Wasser, dafür mit zwei Fenstern und Bett mit Moskitonetz. In den dazugehörigen Restaurants wird in der Regel gegessen, was auf den Tisch kommt. Immer leckerstes Seafood in unglaublichen, nie langweiligen Variationen, manchmal auch das Huhn, das morgens noch unter dem Tisch scharrte. Dazu Reis, Pasta oder Kartoffeln mit Gemüse und fertig ist der glückliche, satte Surfer. Ein kaltes Three Horses Beer rundet das Ganze ab und der Tag klingt langsam aus (wer keine Meeresfrüchte, Fisch oder Calamari mag, um den könnte es einsam werden).

Madagaskar Room With A View
Room with a view.

Wenn die Sonne um 19 Uhr untergeht, legt sich die Dunkelheit über das kleine Fleckchen Erde, und oft ist das solarzellenbetriebene Licht im Restaurant die einzige Beleuchtung des Dorfes, und die Steckdosenleiste der einzige Ort, an dem man sein Telefon oder E-Reader aufladen kann. Die letzte Runde Backgammon wird eingeläutet, die Gespräche verklingen langsam und es geht früh ins Bett. So gleiten die Tage dahin im Rhythmus der Sonne und des Meeres.

Wir surften meist am Morgen, da die Tradewinds uns ab mittags in die Hängematte zwangen. Wenn man 2-5 Stunden leere Wellen surfen durfte, ist das aber völlig OK und es gab selten einen Surftrip mit mehr guten Wellen pro Session. So liegt man dann glücklich grinsend in der Hängematte und hat viel Zeit zu lesen, die Seele baumeln zu lassen und darüber nachzudenken, ob es nicht vielleicht doch Haie gibt? Laut Internet gibt es welche, laut den einheimischen Fischern nicht, und da wir keine gesehen haben, haben wir uns auch keine großen Sorgen gemacht. 

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Blick auf eine der vielen, leeren Riffkanten. (Foto: Blair Rodgers)

Tipps zum Surfen in Madagaskar

Die nicht ganz so leichte Anreise ist wohl der letzte Grund für die Leere im Wasser. Da Madagaskar noch kein Tourismus-Hotspot ist, sind die Flüge nicht günstig, Preise über 1500€ und 2-3 Tage Anreise sind keine Seltenheit. Die Flüge gehen meist über Paris nach Antanarivo, dann per Inlandsflug weiter an die Küste. Da Air Madagaskar das Monopol auf die inländischen Flüge hat, zahlt jeder, der nicht mit Air Mada ab Paris geflogen ist, 50% mehr auf den Inlandsflug und das Surfboard kostet dann Geld. Nachteil: Air Mada ist berüchtigt für seine Flugausfälle und Verspätungen, und hier ist es noch wie Fliegen in den 80ern: kein Board-Entertainment und sehr mittelmäßiges Essen. Nur Rauchen darf man nicht. 

  • Malariaprophylaxe ist im Süden an der Küste nicht unbedingt notwendig, Malarone als Stand-by-Medikation mitzunehmen, empfiehlt sich. Am besten vorher die Lage beim Tropeninstitut klären. 
  • Ganz wichtig: kleine Reefcuts mit Betaisadonna Salbe behandeln, damit sich die Wunden in den Tropen nicht zu ausgewachsenen eitrigen Entzündungen entwickeln. 
  • Flüge kompensieren, z.B. bei Atmosfair, damit die Umweltbilanz wenigstens ein bisschen besser wird. 
  • Ein weiterer guter Tipp ist, so viel Plastikmüll wie möglich im Boardbag wieder mit nach Hause zu nehmen, denn es gibt natürlich kein Recycling oder Müllverbrennungsanlagen, sodass der Müll irgendwann im Meer landen wird. 
  • Wer unbedingt Internet am Strand benötigt, sollte sich am Flughafen in Antanarivo eine Simkarte kaufen; dann darauf achten, dass man eine von Telma nimmt, da sie die beste Netzabdeckung haben.
  • Sprache: Französisch und Madagassisch. Es hilft, ein paar französischer Wörter mächtig zu sein und der wichtigsten madagassischen: Salama= Guten Tag und Misatsch= Danke

Madagaskar Packliste: 

  • LED Stirnlampe
  • Aus der Apotheke: Pro Bio Cult und Perentol für die üblichen Magenprobleme, Imodium Akut für den Notfall, Voltaren, Ibuprofen, Beta Isadonna Salbe, Verbandszeug
  • 50er Sonnencreme
  • Schweizer Taschenmesser
  • Gaffa Tape
  • Solarez
  • Sekundenkleber zum Wunden verkleben
  • Bargeld zum Wechseln (Geldautomaten funktionieren manchmal nicht )
  • Visa Card (alle anderen funktionieren nicht oder sehr selten) 
  • 2 Bretter/ Wax/ Ersatz Leash und Finnen. No Surfshop around.
  • 1.5mm Neo Top oder Shorty zwischen Juni-August
  • Schach, Backgammon, Bücher falls Wind oder kein Swell

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 Text & Bilder: Joscha Jancke / ete-clothing Berlin