Skiffa Trauer

Wo soll man anfangen, wenn einem die Worte fehlen? Scheveningen und die lokale Surfcommunity liegen mir sehr am Herzen. Ich bin hier aufgewachsen und als ich nach zehn Jahren Hin und Her zurückkehrte, wieder herzlich aufgenommen worden. Die unerschütterlich positive Grundeinstellung der eng gestrickten Gemeinschaft ist ansteckend. Die launische Nordsee wird mit charmanter Selbstironie ausgekontert und trotzdem wird Surfkultur hier zelebriert. Das ganze Unterfangen ist ernst und absurd zugleich.

Ein Produkt dieser Szene ist die eingeschworene Local Crew, die keinen Swell auslässt. Am Noord, dem Homespot der Szene an der ikonischen Hafenmole mit dem roten Leuchtturm, sitzt man an guten Tagen Schulter an Schulter im Lineup. Und das ist in Ordnung. Man kennt sich, hat zwischen den Sets Zeit für einen kurzen Schnack. Danach trifft man sich auf ein Biertje in den Strandtenten, während draußen die Neos trocknen. Die Ereignisse von Montagnacht passen einfach nicht in dieses Bild und wir ringen alle nach wie vor mit der Fassung.

Am 11. Mai verloren wir fünf Surfer an die Nordsee - Joost, Sander, Pim, Max und Mathijs. Unsere Gedanken sind bei ihren Freunden und Familien.

Skiffa Never Forget
Artwork by Anne Steenbergen

Mit diesem Artikel möchte ich meine tiefe Anteilnahme bekunden. Außerdem hoffe ich, dass durch die Aufarbeitung der Geschehnisse bestmöglich Klarheit geschaffen und eventuellen Mutmaßungen oder Gerüchten vorgebeugt werden kann.

Erfahrene Locals

Der Montag stand eigentlich im Zeichen der kollektiven Rückkehr zu relativer Freiheit, nachdem das Versammlungsverbot für Wassersportler aufgehoben wurde. Um 19:30 machte sich, wie geplant, die Trainingsgruppe Gezond aan Zee zur Brandungsübung auf. Es war das erste gemeinsame Training seit Beginn des Lockdowns. Der Wind blies stark aus Nord-Nordwest, dazu relativ hoher Nordswell. Die Bedingungen waren anspruchsvoll, doch ich möchte klarstellen, dass es hier um sehr erfahrene Locals ging. Genau die Jungs auf die man zählen kann, wenn Schwimmer oder Surfer in Seenot geraten. Joost, Pim und Sander waren Surflehrer, Rettungsschwimmer und im absoluten Kern der Community. Gerade sie kannten diesen Küstenstreifen wie kaum ein anderer. Die Umstände, die letztendlich zu ihrem Tod führten, hätte niemand vorhersehen können.

Skiffa Mole Schaum

Vor der Hafenmauer türmte sich eine enorme Wand Seeschaum, die durch den Wind nach und nach zu einem immer breiteren Teppich anwuchs, der sogar große Teile des weitläufigen Strandes bedeckte. Der Schaum stammte von einer Algenart, die in der Nordsee üblich ist und im Frühjahr blüht. Am Ende der Blütezeit zerfallen die Algenzellen. Es wird ein proteinähnliches Restmaterial freigesetzt, das von Wind und Wellen zu Schaumstoff geschlagen wird, der auf dem Wasser treibt. Dieser Seeschaum besteht aus klebrigen Blasen und haftet an allem, was im Wasser schwimmt. Für Surfer und Schwimmer ist er in solchen Mengen besonders in Verbindung mit heftigem Seegang gefährlich.

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Skiffa Foam 

Im Laufe des Abends drehte der Wind unerwartet von Nord-Nordwest auf Nord-Nordost, so dass der Schaumteppich aufs Meer hinausgetrieben wurde und große Teile des Lineups bedeckte. Die Gruppe ging gemeinsam nördlich vom Hafen beim ersten Wellenbrecher ins Wasser, nahm die Wellen im Shorebreak und ließ sich von der Strömung in Richtung Mole treiben.
Bevor die Schwimmer die Zone erreichten kamen sie aus dem Wasser. Einige ließen es gut sein, andere drehten noch eine letzte Runde.

Trauer

Gegen 20 Uhr trafen die ersten Nachrichten ein. In den WhatsApp Gruppen wurde überprüft ob alle an Land und in Sicherheit seien. Während die Rettungskräfte bis in die Nacht hinein alles gaben und den Bereich um die Hafeneinfahrt mit Hubschraubern und Booten absuchten, wurde die Informationslage nach und nach deutlicher. Gegen 23 Uhr wurde bekannt, dass mindestens sechs Surfer vermisst werden. Drei von ihnen konnten aus der Brandung gezogen werden. Einer überlebte.

Skiffa Rettung

Die Bergungsaktion wurde abgebrochen und in den frühen Morgenstunden wieder aufgenommen. Pim aus der Bodysurf-Gruppe und die zwei vermissten Studenten aus der TU Delft, Max und Mathijs wurden im Laufe des Morgens gefunden. Die Leiche von Mathijs konnte jedoch nicht geborgen werden und verschwand in den Strömungen. Es wird weiter nach ihm gesucht.

Scheveningen trauert um die Ertrunkenen. Gerade jetzt steht die Gemeinschaft eng zusammen.

Die große Anteilnahme spendet etwas Trost. Vielen Dank für die Nachrichten, für den Beistand und die großartige Unterstützung. Besonderes Lob gebührt den Rettern der KNRM in Scheveningen, die bis in die Nacht hinein unermüdlich gearbeitet haben und so ein Leben retten konnten.

Joost, Sander, Pim, Max und Mathijs werden nie vergessen.

Skiffa Familie

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credits

Anne Steenbergen

ANP