Gastbeitrag von Jed Smith.

„Wie muss es wohl für jemanden sein, der Byron Bay zum ersten Mal sieht? Bestimmt völlig durchgeknallt...“ Ari Browne steht in seinem Garten, ein Arsenal skurriler Boards vor sich ausgebreitet.

Der 25-jährige Australier, der durch Clips finless, asymmetrisch, liegend, kniend oder sonst wie ungewöhnlich surft, ist der König des exzentrischen Wellenreitens. Besonders auf den Asymmetricals des kalifornischen Shapers Ryan Lovelace schafft Ari Unmögliches, er surft in seiner eigenen Liga. ,,Mate, pass auf: Ich shredde gleich so hart auf dem Goat Boat hier“, flachst er und zeigt auf ein ausrangiertes Kajak. „Tom- Curren-Style!“

Ari Browne Bluemag Profile

Aris Individualismus wurde früh gefördert. Er und sein Bruder Raf zogen als Grommets mit ihren Eltern aus der Arbeiterstadt Newcastle ins Hippie-Epizentrum Byron Bay. Sie gingen auf die Rudolf-Steiner-Schule, machten die Hausaufgaben zwischen den Surf-Sessions und verbrachten jede freie Minute ihrer Hippie-Kindheit am Strand oder im Wasser. Ari schlitterte stehend auf Bodyboards durch den Shorebreak, lange bevor Derek Hynd in Byron die Zelte aufschlug und das Finless- Surfen ins Rampenlicht rückte.

Ari Browne Josh Keogh Surfboard

In seinem Garten tänzelt Ari über Shapes, für die ich keinen Namen habe, und schnappt sich seine neueste Erfindung: das Breakdance Board. Ein Mid-Length mit einer Drehscheibe in Yin-und-Yang-Optik in der Mitte. Wenn The Pass sauber läuft, sieht man Ari auf dem Ding den Point entlangfliegen, in der Hocke auf der Scheibe, sich um die eigene Achse drehend, bis er schwindelig vom Brett fällt. Völlig bekloppt. Aber auch total geil.

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Aris Antwort auf das Chaos vor seiner Haustür. „Die Szene hier ist komplett irre. Das hat mich schon immer fasziniert. Ich liebe Vielfalt und Spontanität beim Surfen und die gibt es hier in allen Varianten.“ Allerdings in mehr oder weniger attraktiven Ausprägungen. Aus seinem Home-Spot, The Pass, ist längst ein absurder Zirkus geworden. „Es ist zu krass, was hier abgeht. So viele Kooks! Keiner kann surfen“, grinst Ari und erzählt die Anekdote, wie ein indischer Gentleman mit einem nagelneuen Board im Wasser darauf hingewiesen wurde, dass sich Surfen leichter lernen lasse, wenn man sein Brett wachst. „Kurz darauf kam er zurück: Top, Bottom, Rails und Finne – alles schön mit einer dicken Schicht Sex Wax eingesalbt. Haha, immerhin gibt’s hier meistens was zu lachen.“

Ari Browne Profile Bluemag

Einigen ist das Lachen aufgrund der Anarchie im Wasser allerdings bereits vergangen: Als Gegenbewegung zu Aris toleranter Rainbow Generation hat sich in Byron eine Fraktion der Surfnazis gebildet, die den „Squirrels“, wie die Hipster hier heißen, den Kampf angesagt hat. Wie ernst es der Thruster-Gang ist, zeigt das Schild mit dem fett durchgestrichenen Eichhörnchen am Trampelpfad zur besten Welle der Gegend. „Das ist wie diese Anti-SUP-Nummer, nur eben zwischen traditionellen und alternativen Surfern“, setzt Ari an. „Aber ich blicke da nicht durch. Die widersprechen sich doch sowieso. Wer auch immer dieses lächerliche Schild aufgestellt hat, ist bestimmt selbst oft genug auf Single Fins unterwegs.“

Ari Browne Bluemag Feature

Wenn jemand den Bruch zwischen konservativen und experimentellen Surfern überbrücken kann, dann Ari. Sein Talent ist zu krass, sein Style zu gut, um in eine Hipster-Schublade gesteckt zu werden. „Surfen sollte weniger ernst genommen werden. Es geht um Spaß, verdammt! Aber zu oft sehe ich lauter verbissene Machos auf der Ego-Schiene“, grübelt er. „Alle kopieren die Pros.“ Aber auch den Squirrel-Hipstern gibt er einen mit: „Sie tun so, als ob sie sich um die Community oder sogar um die Welt sorgen würden – die Hälfte von ihnen reitet den Style doch nur, weil er bei den Mädchen zieht. Dieses ganze Pseudo-Hippie-Gehabe ist meist aufgesetzt. Ist es wirklich so schwer, man selbst zu sein? Das Beste an Byron Bay ist doch gerade, dass man hier sein kann, wer man will. Die Leute sollten diese Freiheit nutzen.“ Sein Rat fürs Leben: nicht verkrampfen, go with the flow. „Es ist wie beim Surfen: Die meiste Zeit hat man doch eh keine Kontrolle. Einfach entspannen und genießen.“

Ari Browne Bluemag Profile Cover

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Dieser Artikel erschien im Blue Yearbook 2018 - 164 Seiten Surf, Travel & Creative living hier erhältlich.

Credits:

Text: Jed Smith

Übersetzung: Jan Blaffert

Fotos: Jack Coleman

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