(Das Feature in voller Länge erschien im Blue YEARBOOK 2017)

Eiskristalle verzerren den Blick aus dem Küchenfenster auf die windschiefe blaue Scheune, die steilen Klippen und die einsamen Wellen. Das Haus auf der abgelegenen Anhöhe im kanadischen Coldwater-Paradies Cow Bay gehört dem US-amerikanischen Single-Fin-Expat Dean Petty und ist eine echte Nordsurf-Offenbarung. ,,Camp Bueno’’ nennt er das DIY-Projekt stolz, das er zusammen mit seinem Kollegen Yusef Dennis erträumt und erbaut hat.

Dean Petty Buenolife Cowbay Bluemag Yearbook Jan Blaffert
Bueno-Life ist fast schon ein Understatement für den Nordsurf-Traum in Cowbay.

Vor zwölf Jahren zog es Dean über die Grenze nach Norden. Ein Studium in Wirtschaftswissenschaften und Point Breaks standen auf der Agenda. In Nova Scotia fand er beides. „Ich habe mich sofort in diese Gegend verliebt und entschied mich, für immer hier oben zu bleiben – oder eben bis ich sterbe, je nachdem was zuerst kommt“, lacht Dean. Die Entscheidung für die kanadische Idylle war auch die Entscheidung gegen die Karriere als Pro-Surfer in Kalifornien. „Für kurze Zeit habe ich mir den Cali-Kommerzzirkus gegeben, aber es war einfach zu hektisch, zu überlaufen, zu laut da unten. Ich habe unsere perfekte kleine Einöde vermisst.“ Heute betreibt er mit seinem Start-up-Partner Zane Kelsall die Kaffeerösterei Anchored Coffee. Dean klappert die Plantagen in Kolumbien, Nicaragua, Guatemala, Tansania, Äthiopien und Kenia persönlich ab, um sich der Qualität der Bohnen zu vergewissern und die direkten Beziehungen zu den Händlern zu pflegen. Doch er ist nie länger unterwegs als nötig.

Dem rauen, ehrlichen Charme von Nova Scotia kann man sich nur schwer entziehen. Diese schroffe, abweisende Landschaft hat sich nicht verändert, seit die Wikinger und die Schotten hier erstmals landeten. Die zerklüftete Steilküste mit den dichten Tannenwäldern ist schwer zugänglich, bietet aber endlos Potenzial für jede Swell- und Windrichtung. Besonders die entlegenen Points erfordern Local Knowledge und kompromissloses Durchsetzungsvermögen.

Cowbay Camp Bueno Coldwater Surfshack Jan Blaffert
Wer würde für so ein Leben nicht alles stehen und liegen lassen?

Die Wintertemperaturen fallen an der Ostküste so drastisch, dass das Meer wie eine heiße Quelle dampft. Und das obwohl der Atlantik dann vom Labradorstrom tiefgekühlt wird. An diesen Tagen sind die runden Felsbrocken an der Wasserkante mit einer dicken Eisschicht überzogen und der ablandige Wind dringt durch die Sechsmillimeter-Neos. Wer hier surft, will es wirklich wissen. Eine kleine, eingeschworene Community verteilt sich auf die Region um Lawrencetown und Cow Bay, das Herz der kanadischen Kaltwasserszene. „Viele sind vorrangig für die Wellen und Vibes hergezogen“, erklärt Dean. „Die Szene wird oft mit dem Kalifornien der 60er-Jahre verglichen – bevor Surfen kommerzialisiert wurde. Die Stimmung ist schwer in Worte zu fassen, aber worauf es meiner Meinung nach ankommt, das ist die Leidenschaft für ein ehrliches, einfaches Leben. Dass die Bedingungen – gerade für Surfer – so rau sind, schweißt uns nur noch mehr zusammen. Die unberührte Natur, ausgeprägte Jahreszeiten und bezahlbare Grundstücke ziehen viele junge Leute an, die sich den Traum vom selbstbestimmten, entschleunigten Leben verwirklichen wollen.“

Cow Bay vereint eine eklektische Mischung verschiedener Lebensansätze. Allen Locals gemein ist die Leidenschaft für die Wellen. Hauptsache Nova Scotia, der Rest lässt sich schon irgendwie geradebiegen. „Der Zusammenhalt hier ist authentisch. Von meiner Terrasse kann ich hören, wie sich die Nachbarn in das Set des Tages grölen, und wenn es flat ist, geht man eben zusammen angeln oder jagen“, bestätigt Dean. „Die Energie und Motivation der Crew hat mich von Anfang an begeistert. Letztes Jahr haben wir alle zusammen einen kleinen Skate-Bowl in der Garage eines Nachbarn gebaut. Es ist schon echt abgefahren, sich nachts bei minus 20 Grad durch den Schnee zu kämpfen, um dann mit zehn anderen Jungs in dieser glorifizierten Kühltruhe zu skaten.“

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Im kanadischen Winter ist jeder Surf hart erkämpft. Als Belohnung für den Einsatz gibt es dann menschenleere Perfektion.

Wer hier etwas bewegen will, kann mit tatkräftiger Unterstützung rechnen. Ein gutes Jahrzehnt hatte Dean das „Camp Bueno“-Grundstück im Visier, bis er dann vor fünf Jahren zur rechten Zeit am rechten Ort den Vertrag in die Finger bekam. Das Haus war unbewohnbar, bis auf die Grundfeste verfault. Doch die Community war bereit – Dean konnte aus dem Vollen schöpfen: „Mein bester Kumpel Yusef hat aus meinen schrägen Ideen brauchbare Blaupausen gemacht. Anschließend sind wir das Ganze Schritt für Schritt angegangen und eine Menge großartiger Leute haben mit angepackt.“

Wenn Dean durch sein Haus schlendert und sich umschaut, stellt er fest, dass alle verbauten Materialien durch seine Hände gegangen sind und jedes Detail auf eine der zahllosen persönlichen Entscheidungen zurückzuführen ist. „Bis auf Yusefs Entwurf und den Aufriss haben wir das gesamte Projekt in Eigenregie gestemmt. Ich habe Ewigkeiten davon geträumt. Der Fortschritt verlief schleppend und ich war wie besessen. Es musste einfach alles passen. Ich schätze, dass ich damit einige bzw. alle irgendwann zur Weißglut gebracht habe – und es war wahrscheinlich auch besser, dass ich Single bin“, grinst er.

Das Haus lässt inzwischen nichts zu wünschen übrig, doch die Krönung des Grundstücks ist die abstrakt verzogene Scheune, die sich gefährlich in Richtung Klippen neigt. Dean gerät beim Anblick der krummen Baracke ins Schwärmen: „Die Scheune ist völlig am Arsch, aber sie ist die Seele dieses Grundstücks. Im Moment lagere ich meine Boards im unteren Raum. Yusef und ich sind uns aber einig, dass wir uns das Biest als Nächstes vorknöpfen und grundsanieren. Der Plan ist, in der oberen Etage Wohnraum zu schaffen und unten einen kleinen Shop zu eröffnen – vielleicht für Surfboards, vielleicht für Kaffee, vielleicht beides.“

Nova Scotia Line Up
Die Vorzüge der kanadischen Einöde: Line-Up in Nova Scotia.

Jahr für Jahr und ohne Eile entsteht etwas Magisches auf der abgelegenen Anhöhe in Cow Bay. „Live your dream“ scheint hier mehr als ein Spruch für Kühlschrankmagneten zu sein. Was Dean Petty und seine Crew auf die Beine gestellt haben, ist an Kaltwasser-Romantik kaum zu übertreffen. Dieses Projekt ist mehr als eine Hagebau-Männerfantasie. „Camp Bueno“ und seine Entstehungsgeschichte stehen für alles, was das Surfen und die Community in Nova Scotia ausmacht. 

(Das Feature in voller Länge und weitere interessante Artikel im Blue YEARBOOK 2017)

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Credits:

Dean Petty
Mike Bromley
Jeremy Koreski