Mark Huebner Aufmacher Blue 23

Verbunden mit etwas Größerem

In der Bhagavad Gita, einer der bekanntesten Schriften des Yoga, heißt es, dass es „unsere Pflicht ist, zu handeln, ohne dabei an den Früchten unserer Handlungen zu haften“, oder weniger abstrakt übersetzt: Widme dich dem, was du tust, von innen heraus – und nicht etwa aus extrinsisch motivierten Zielen. Nur so sind wir ganz bei uns und dem Prozess als solchem – und nicht etwa, weil am Ende eine Summe X oder Ruhm auf uns wartet.


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Wenn es uns gelingt, sich ganz hinzugeben, so sagen die Yogis, dann erscheinen plötzlich ungeahnte Möglichkeiten in unserem Leben: Als würde uns etwas Größeres dafür belohnen, dass wir drangeblieben sind – no matter what.

Der Karriereweg des Künstlers Mark Hübner ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass es sich hierbei nicht um esoterische Augenwischerei handelt, sondern durchaus seine Relevanz hat.

Bereits als Kind bastelte und malte er unaufhörlich, bis sich in der Schule herauskristallisierte, dass Kunst sein Weg sein würde. Sich zunächst der Malerei widmend, zog es ihn mit Anfang 20 von Frankfurt nach München, wo er über erste glückliche Zufälle einen Atelierplatz auf der sagenumwobenen Praterinsel ergattern konnte.

Inmitten des inspirierenden Dunstkreises, in dem Größen wie Rauschenberg oder Keith Haring ausgestellt wurden und sich auch David Byrne von den Talking Heads herumtrieb, saugte Mark mit allen Sinnen auf, wie die bereits etablierten Namen arbeiteten, während er mit simplen Werkzeugen begann, Skulpturen aus Stahl zu kreieren.

„Aufbauphasen sind immer sehr spannend, auch wenn sie noch so zehrend sind, weil man ja quasi bei null anfängt“, sagt Mark, „…aber genau das gibt einem den Drive – aus nichts etwas Neues zu schaffen.“

Und so wirft er sich mit seinem ganzen Körper hinein in die Kunst, stets mit der Intention, intuitiv zu arbeiten, das Denken abzuschalten, um von innen heraus zu kreieren. Während seines unbändigen Schaffensdranges entstehen unzählige Werke, die bei einem Mäzen aus dem Münchner Umfeld Anklang finden, der ihn daraufhin mit diversen Käufen unterstützt.

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Einer der Höhepunkte aus der Zeit ist eine Performance in der Muffathalle, für die er eine Stahlspitze, eines seiner Hauptausdrucksmittel, vor versammeltem Publikum sowie akustischer Untermalung der Band Air Liquid mit einem selbstgebauten Hammer durch eine Stahlplatte schlug, die dadurch wie eine Wunde aufriss. Eine Aktion, bei der die Einfachheit im Vordergrund stand – wo etwas zerstört wird und Neues entsteht, ohnehin ein Thema der Spiritualität, die Mark immer mehr in sein Leben und damit auch sein Schaffen integrierte.

Spiritualität hilft uns, immer wieder Teile unseres Egos zu zerstören, um so, wie bei einer Zwiebel, Schale für Schale abzulegen, um zu unserem wahren Kern zu gelangen – wodurch es uns gelingt, Entscheidungen zu treffen, die mehr unserer Natur entsprechen.

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Im Jahr 1999 spürte Mark, dass für ihn die Zeit auf der Praterinsel zu Ende sei und etwas Neues entstehen dürfe. Er brach die Zelte in München ab und ging nach Costa Rica, wohin es ihn als leidenschaftlichen Surfer bereits seit Jahren immer wieder gezogen hatte.

Dieses Mal war die Intention jedoch zu bleiben – abgeschieden auf der Peninsula de Osa inmitten des tropischen Regenwaldes. Was er nicht als Flucht aus Deutschland sah, sondern als nächsten logischen Schritt seiner persönlichen Weiterentwicklung. Ihm wurde nach und nach bewusst, was wichtig ist im Leben und was getrost über Bord geworfen werden kann.

Eine Verfeinerung seines Daseins als Outlaw, welcher sich im Prozess des Weglassens befand – im Leben wie in der Kunst.

Und so stand Costa Rica sinnbildlich für die nächste leere Leinwand, auf der Neues entstehen durfte.

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Künstlerisch kehrte Mark zur Malerei zurück, mit visionären, meist großformatigen Arbeiten, die den Einfluss der außergewöhnlichen Umgebung, in der er sich nun befand, widerspiegelten. Parallel dazu begann er, aus natürlichen Materialien „Lebensräume zu konstruieren“. Als er wenig später Bambus als Material hinzunahm, wurde er dafür in der Region zunächst belächelt. Doch auch hier zahlte sich seine beharrliche Hingabe an den Prozess aus: Da Nägel als Verbindungselement beim hohlen Bambus keinen Sinn machten und Schnüre eher Mangelware waren, entwickelte Hübner die „Peg and Hole“-Technik. Er ließ Holzdullen anfertigen, die durch präzise in den Bambus gebohrte Löcher geführt wurden und damit das gesamte Konstrukt stabil zusammenhielten.

Er machte sich an sein Herzensprojekt „Ojo del Mar“, eine Lodge, die Vorbild für so viele Retreats werden sollte. Sie ist ausschließlich aus natürlichen Materialien konstruiert und organisch in die Umgebung des Dschungels integriert.

 

Der Umstand, dass Mark anfangs nicht viel zum Verbinden der Bambusrohre vorfand, machte ihn zum Pionier in diesem Metier. Er gründete die Firma Bamboo Rocks, zahlreiche Auftraggeber standen bereit. Unermüdlich arbeitete er weiter, wobei sich Turmkonstruktionen als seine große Stärke herausstellten: Sein letztes Turmgebäude aus dem Jahr 2018 ist das höchste natürlich konstruierte Bauwerk im Land.

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Foto: privat

Welche Projekte in der Zukunft folgen – mal sehen. Doch im Vordergrund stehen für ihn die Malerei und die Live Painting Performance. Mark ist der lebende Beweis dafür, dass der beste Weg nicht immer „höher, schneller, weiter“ lautet, sondern manchmal einfach: „tiefer, achtsamer und mehr bei sich selbst“.


Mark Hübner zu Gast im Get Wet Soon Podcast

Unser Autor Thomas Zielinski hat sich für diesen Text ausführlich mit Mark unterhalten. Das Gespräch hat er aufgezeichnet und in seinem Get Wet Soon-Podcast veröffentlicht. Hier ist die Folge mit Mark und seinem Leben abseits der betretenen Pfade.