Deep Blue Days Ete

Ein Gastbeitrag von Joscha Jancke

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„Wo bin ich hier eigentlich gelandet?“, war mein erster Gedanke, als ich langsam aus dem eh schon unruhigen Schlaf erwachte.

Es war Vollmond und die Dünung des frischen Swells setzte unserem kleinen Segelboot schwer zu. Und so wogte das Boot tapfer knarrend hin und her. Da an weiteren Schlaf nicht zu denken war, setze ich mich an Deck und schaute in die Weite des Ozeans. Die Schatten der Wolken verdunkelten das schwarze Meer noch stärker. Mich wunderte, dass es bei Nacht überhaupt Schatten gab. Fehlte nur noch, dass man sich vor Mondbrand mit Mondschutzcreme schützen muss. Nacht und Schatten passt nicht.

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Der sanfte Wind auf meiner Haut trug den Duft von Nelkenzigarettenrauch zu mir und erinnerte mich an das, was ich ohnehin schon wusste: Ich war in Indonesien, inmitten des Indischen Ozeans, hundert Meilen von der nächsten bewohnten Insel entfernt. Über mir der helle, mondbeschienene Himmel und unter mir über fünfhundert Meter tiefes, dunkles Meer. Freiheitsgefühle, durchmischt mit Spannung: Was wäre, wenn wir jetzt einen der zehntausend im Meer treibenden Container rammen und Leck schlagen? Wird später ein Fisch anbeißen? Haben wir genug Bier an Board? Wie werden die Wellen morgen? Warum eigentlich ein Bootstrip, um Surfen zu gehen?

Weil es kein besseres Gefühl gibt, als vom Rhythmus des Ozeans in den Schlaf gewogen zu werden und dann morgens vom Bett direkt ins Line-up zu springen. Mit dem Boot von Spot zu Spot fahren zu können und dabei stundenlang vom Boot auf das Land und das Meer schauen, ist Balsam für die Seele, Augenmeditation. Vom Surfen durchs warme Wasser zurück zum Boot zu paddeln und sich ein kaltes Bier zuwerfen lassen. Mit seinen besten Freunden an der Reling sitzend die Sonne aufgehen zu sehen - mit einem Bali Kopi (Kaffee) in der Hand. Einen Fisch zu fangen und frisches Sashimi zuzubereiten.

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Die Liste der Vorteile ist recht lang, doch auch die Liste mit Risiken soll nicht unerwähnt bleiben: Man ist auf engstem Raum mit seinen Freunden zusammen, Privatsphäre gibt es also recht wenig. Der einzige Rückzugsort ist eigentlich auf dem Meer beim Surfen. Wenn man zehn Tage so eng nebeneinander lebt, bleiben kleinere Konflikte meist nicht aus. Hat man Pech mit dem Kapitän oder dem Koch, bekommt man ein noch größeres Problem: Ist das Essen nicht gut, sinkt die Moral extrem; fährt der Kapitän nicht die richtigen Spots mit den passenden Bedingungen an, gibt es ebenfalls Meutereigefühle. Die letzten Punkte lassen sich mit guter Recherche ausmerzen.

Jene Konflikte, die dem engen Aufeinanderhocken geschuldet sind, lassen sich meist mit einem Bintang (Bier) und / oder Gesprächen aus dem Weg räumen. Zur größten Not hilft eine grandiose Surfsession und der Stoke ist wieder so hoch, dass alles andere egal ist. Ein weiterer berücksichtigenswerter Faktor: man möchte nicht auf einem Boot mit einer Horde australischer Rednecks landen, die sich nur in die heftigsten Slaps reinschmeißen wollen und danach dank Bierbong ins Nirvana saufen und merkwürdige Bräuche wie Äquatortaufe oder ähnliches zelebrieren. Deshalb war es wichtig, dass wir ein kleines Boot finden, auf dem wir unter uns sind.

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Was man unbedingt vermeiden möchte, ist mitten im Meer plötzlich einen leeren Tank zu haben, weil der Kapitän den Sprit falsch berechnet hat. Oder dass dein Boot in tiefster Nacht auf einem Riff trockenlegt wird, weil er sich nicht auskennt, wo der Anker am besten zu werfen ist. Oder, worst case: Man bucht eine Reise und das Boot kommt niemals. Alles schon passiert: die wildesten Geschichten geistern durch die Bars Balis.

Um einen guten Kapitän mit dem passenden Boot zu finden, wurde das gesamte Internet durchforstet, jedes Surfmagazin durchgelesen und bald war klar: es kann nur auf die Sri Noa Noa gehen. Ein kleines, familiäres Boot mit einem der erfahrensten und charismatischsten Käpt’ns der Area plus einer tollen Crew und Koch. „Klein und familiär“ bedeutet, dass maximal sechs Gäste auf das Boot passen. „Erfahren und charismatisch“ bedeutet, dass der Kapitän seit 15 Jahren auf dem Boot lebt (wenn er auf Surfari ist) und somit jeden Winkel des Bootes kennt, jede Riffkante und jeden Channel des Archipels.

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Das Boot an sich ist ein Kleinod: Baujahr 1975, aus Holz, mit einem großen Segel und jeder Menge Geschichte(n): so segelten schon die siebenmalige Weltmeisterin Layne Beachley, Nirvanas Bassgitarrist Krist Novoselic, Jack Johnsons Familie und sogar NOFX auf dem Boot mit. Das sorgt natürlich für reichlich Storys, die, wenn es um sechs stockdunkel wird, vom Kapitän mit viel Sinn für Humor weitergesponnen werden. So wird es nicht langweilig, obwohl es keinen TV, Wifi oder sonstige klassische Ablenkungsmöglichkeiten gibt. Die Netzabdeckung ist vergleichbar mit einer Zugfahrt durch Norddeutschland: fast nicht vorhanden.

Geschlafen wird in offenen Kajüten, es gibt eine Toiletten-Dusch-Kombinationskabine, das Essen wird auf kleinen Hockern am Heck des Bootes eingenommen. All die kleinen Komforteinbußen stören einen nicht wirklich: Was bei jeder anderen Unterkunft als Downgrade empfunden und zu Abzügen in der TripAdvisor-Bewertung führen würde: hier gehört es zum Urlaubsfeeling dazu und erhöht den kleinen Freibeuter-Abenteuerreiz.

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Die 14 Meter Boot fühlen sich nach zwei Tagen nicht mehr klein an, ganz im Gegenteil wachsen die Entfernungen sogar, je länger man an Bord ist. Ein kleines Beispiel: man liegt nach dem Morgensurf erschöpft auf der Matte des Mitteldecks und der Weg zur Sonnencreme, die nur anderthalb Meter entfernt liegt, ist einfach zu weit! Stattdessen wartet man lieber, bis jemand des Weges kommt und einem die harte Arbeit abnimmt. So ziehen die Tage ins Land, getreu dem Lebensmotto der Generation Vanlife: „You should have been here yesterday“. Ach nein: „Eat, sleep, surf, repeat“. Wenn man Netzabdeckung hätte, wäre es ein Muss, das als Instagram Caption zu verwenden.

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Die wichtigste Frage ist natürlich: Wie ist der Surf? Da wir uns für Indonesien entschieden hatten, die Region auf der Welt, wo es immer irgendwo Wellen geben soll, war die Hoffnung hoch. Wir wollten exakt die Wellen haben wie in den Hochglanzsurfmagazinen. Beziehungsweise vielleicht eine Nummer kleiner, denn: so gut wie die in den Magazinen surfen wir nicht ganz. Als deutscher Surfer hat man zwar meist das beste Equipment, aber nicht unbedingt das beste Surflevel. Und da der Surf immer anders ist als in den Träumen vor dem Trip, waren die Wellen so gut oder so schlecht wie der jeweilige Swell, den uns die Stürme der Antarktis schickten. Wir hatten von überkopfhohem Überlebensthrill in Waves of consequence hin bis zu Nacktsurf-Spaßsessions in kleinen hüfthohen Wellen alles im Angebot. Kurze heftige Slabs oder langlaufende Linke: langweilig wurde es nie.

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Crowdfaktor? Hoch, wenn man Mantas, Schildkröten, Möwen dazuzählt. Andere Surfer waren eher selten, also Luxus pur: endlich mal allein Surfen und sich die Setwelle aussuchen können. Komischerweise stressen einen irgendwann schon die mitsurfenden Freunde, wenn sie beim kommenden Set besser sitzen. Spätestens da merkt man, dass man angekommen ist.

Leider naht dann schon wieder der Moment der Heimreise. Begeht man dabei noch den Fehler, einen Stop in Cannggu auf Bali einzulegen, wird man schnell auf den Boden der Surfrealität zurückgeholt und es wird mit vierhundertdreißig besser surfenden Dudes um die Wellen gepaddelt. Dann doch lieber einen fetten Mondbrand!

Some Hard Facts

Kosten:
Die Bootstrips in Indo kosten mehr als z.B. in den Malediven. Zum einen sind die zurückzulegenden Wege weiter, was höhere Spritkosten beutet. Zum anderen werden die indonesischen Crews besser bezahlt als die Crews auf den Malediven, die meist aus Bangladeshis bestehen, die zwischen nichts und wenig verdienen. Ein Tag startet ab 169€ und aufwärts je nach Boot / Komfort. Immer inklusive 3 Mahlzeiten, 3 Bintangs, unbegrenzt Wasser und Obst und das Wichtigste: dem Spotguiding.

Anreise:
Flug nach Bali / Denpasar und dann weiter mit Lion Air oder Garuda zum dem Hafen nächstgelegenen Flughafen. Die innerindonesischen Flüge am besten über Nusatrip.com buchen.

Quiverempfehlung:
Mindestens zwei Boards, falls eins mal bricht. Einmal das Allday-Everyday-Board und ein Fish. Weil jeder ein Fish dabeihaben sollte. Es macht einfach Spaß, die Wellen mal auf eine andere Art zu surfen und einen anderen Flow und Glide zu spüren. Das pusht das eigene Surflevel noch weiter. Eventuell noch ein Step Up Board für die ganz großen Tage.

Tipps:
Geld abheben am Flughafen von Denpasar und falls man in Indo Telefonieren/ Internetten will, dort auch eine Telefon-SIM-Karte kaufen. Darauf achten, eine von Telkomsel SIM zu kaufen, da nur diese Company eine passable Netzabdeckung in der Area hat. Bücher, Musik und natürlich viel Sonnencreme (bitte nur die gute Riff-freundliche, z.B. von Swox, Salt n Stone.). Stirnlampe zum Lesen oder um nachts mal auszutreten, denn auf dem Ozean wird es um 18:30 Uhr Stockdunkel. Kaugummis gegen Seekrankheit, falls nötig. Ohrstöpsel gegen die nächtlichen Bootsmotorengeräusche.

Das Wichtigste zum Schluss:
Alle Flüge mit Atmosfair kompensieren. Das macht den Flug zwar nicht ungeschehen, aber die von Atmosfair unterstützen Klimaschutzprojekte sparen nicht nur CO₂ein, sondern fördern auch nachhaltige Entwicklungsprojekte.

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Credits

Text: Joscha Jancke von Ete Clothing

Bild: Herry Surfshoot & Johannes Rausch