Patagonia Yulex Wetsuits Interview Hub Hubbard

Seit September sind die ersten Yulex-Wetsuits, die komplett ohne klassisches Neopren auskommen, in den Läden. Wir sprachen mit Hub Hubbard, dem Wetsuit-Entwickler von Patagonia, über die grüne Revolution.

Warum sind Wetsuits, die ohne Neopren auskommen, besser für unsere Umwelt?

Dazu muss man sich nur mal die Produktion von konventionellen Wetsuits ansehen. Zur Herstellung von Neopren werden alle Bestandteile in einem gigantischen Kessel zusammengemischt. Es entstehen große, kaugummiartige Brocken. Diese Teile werden in einem Ofen unter großer Hitze zu Scheiben gebacken. Von diesen wird je nach gewünschter Dicke das Neopren abgeschält und von einer Seite mit Stoff laminiert. Aus diesen Bahnen werden dann die Neoprenanzüge genäht.

Und dieses Verfahren ist umweltschädlich?

Um Neopren auf diese Art und Weise herzustellen, braucht man Rohöl oder Kalkstein. Beides sind nicht erneuerbare Rohstoffe, die unter großem Energieaufwand gefördert werden. Zudem ist der ganze Prozess sehr energieaufwändig. Ganz zu schweigen von den diversen synthetischen Substanzen, die bei der Weiterverarbeitung traditioneller Neoprenanzüge verwendet werden.

Wie stark reduziert ein Yulex-Wetsuit aus natürlichem Kautschuk im Vergleich zu einem Wetsuit aus normalem Neopren meinen ökologischen Fußabdruck?

Yulex und unsere Wissenschaftler bei Patagonia haben ausgerechnet, dass die Verwendung von natürlichem Kautschuk den CO2-Ausstoß für einen Wetsuit um 80 Prozent reduziert. Das ist enorm! Und diese Berechnung ist eher konservativ.

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Hub Hubbard at work... Foto: Tim Davis

Als Patagonia 2013 die ersten Yulex-Wetsuits auf den Markt brachte, basierte der Neopren-Ersatzstoff auf Gummi, der aus der Guayule-Pflanze gewonnen wurde. Warum hat man jetzt auf Latex aus dem Kautschukbaum umgestellt?

Als wir beschlossen haben unsere komplette Wetsuit-Linie auf natürlichen Kautschuk umzustellen, war uns klar, dass wir nach Alternativen suchen mussten. Die Gummi-Produktion aus der Guayule-Pflanze hätte den Bedarf allein nicht abdecken können. Zudem wird für den Anbau der Pflanze sehr viel Wasser benötigt. Also schauten wir nach Alternativen und fanden heraus, das dass Latex was man aus dem Kautschukbaum gewinnen kann, ein ebenso gut geeignetes Ausgangsmaterial zur Produktion der Wetsuits ist.

Wie viel Latex aus dem Kautschukbaum benötigt man für einen Wetsuit?

Um einen Wetsuit zu produzieren, brauchen wir nur ein halbes Kilo Latex.

Wie genau funktioniert der Prozess vom flüssigen Gummi, der aus dem Kautschukbaum gewonnen wird, bis zu dem Material, aus dem dann die Wetsuits genäht werden?

Nachdem das Latex verarbeitet, gereinigt und verfestigt wurde, lässt es sich genau wie konservatives Neopren weiterverarbeiten. Von da an ist der Produktionsprozess der gleiche wie bei traditionellen Wetsuits.

Patagonia Wetsuit Factory By Tim Davis
Patagonias Wetsuit-Fabrik: Kautschukplantage in Guatemala. Foto: Tim Davis

Bei den neuen Wetsuits wurde auch die Thermo-Beschichtung verbessert. Was genau hat sich hier geändert?

Für die Thermo-Beschichtung verwenden wir Stoffe aus recyceltem Kunststoff. Neu ist, dass wir den Stoff nun umgedreht verarbeiten. Das feine Stoffgitter der Thermo-Beschichtung bildet so eine kompaktere Lage auf der Haut die den Körper warm hält. Als Vorlage dienen hier unsere “Regulator” Base Layer Materialien aus der Outdoor-Kleidung

Wie schlagen sich die Wetsuits im Vergleich mit den “normalen” Wetsuits auf dem Markt? Gibt es irgendwelche Abstriche die ich als Surfer in Kauf nehmen muss?

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Wenn ich dir heute einen unserer neuen Yulex-Wetsuits in die Hand gebe würdest du keinen Unterschied zu einem Wetsuit aus herkömmlichem Neopren feststellen.

Kritiker behaupten natürlicher Gummi sei weniger flexible als konventionelles Neopren. Gerade bei dickeren Anzügen fürs Cold Water Surfing sei dies spürbar. Stimmt das?

Bei unseren ersten Yulex Wetsuits kann es in Sachen Flexibilität hier spürbare Unterschiede gegeben haben. Aber das Feedback von unseren Ambassadors und Surfern denen wir die neuen Anzüge zum Testen gegeben haben, ist großartig. Sie sagen, es seien nicht nur die besten Anzüge die Patagonia bisher produziert hat sondern sogar die besten Wetsuits die sie je getragen haben!

Laut Label bestehen die Wetsuits zu 85 Prozent aus natürlichem Gummi und zu 15 Prozent aus synthetischem Material. Warum ist es bisher nicht möglich, einen Wetsuit vollständig aus natürlichen Materialien zu fertigen?

Im Moment brauchen wir den synthetischen Anteil noch, damit das Material die gewünschte Stabilität erhält. Man könnte auch heute schon einen Wetsuit zu 100 Prozent aus natürlichem Gummi herstellen. Dieser wäre aber nicht so robust und anfälliger für UV-Strahlung. Damit wäre die Performance nicht zufriedenstellend.

Wie sieht es denn mit Kleber, Farben und Aufdrucken aus – lassen sich auch diese oft umweltschädlichen Komponenten ersetzen?

Wir testen schon seit einer Weile wasserbasierte Substanzen, um genau diese Komponenten zu ersetzen. Zudem verwenden wir wasserlose Druckverfahren und verarbeiten ausschließlich Bluesign-zertifizierte Textilien in unseren Wetsuits.

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Wird es denn in Zukunft einen Surfanzug geben, der nur aus natürlichen Materialien hergestellt wurde?

Es existieren tatsächlich einige auf biologischen Stoffen basierende Substanzen, mit denen wir die synthetischen Komponenten eines Tages ersetzen könnten. Zudem gibt es andere Bestandteile, wie Carbon Black und Schaumstoffe in der Gummiproduktion, die es ebenso zu ersetzen gilt. Im nächsten Schritt wollen wir Alternativen zu diesen Materialien finden.

Brands wie Vissla, Picture Organic und Soöruz bieten auch Wetsuits, die sie als „eco-friendly“ bewerben. Gibt es einen Unterschied zwischen diesen Anzügen und den Wetsuits von Patagonia?

Es gibt zwei wesentliche Unterschiede: Die FSC-Zertifizierung unserer Kautschukplantagen durch die Rain Forrest Alliance und der Reinigungsprozess von Yulex in der Verarbeitung des Latex. Hierbei werden alle Proteine, die allergische Reaktionen hervorrufen können, eliminiert.

Wieso ist Ihnen die FSC-Zertifizierung so wichtig?

Es ist ein enormer Unterschied für eine nachhaltige Produktion, ob die Plantage, auf der das Latex gewonnen wird, FSC-zertifiziert ist oder nicht. Das haben wir selbst erst gelernt, als wir die Plantagen in Guatemala besuchten. Die FSC-Zertifizierung garantiert unter anderem, dass keine Urwälder zur Errichtung von Kautschuk-Plantagen abgeholzt werden. Außerdem steht es auch für faire und sozialverträgliche Arbeitsbedingungen der Arbeiter. Im National Geographic Magazine ist zu diesem Thema ein sehr interessanter Artikel erschienen, der aufdeckt, wie schmutzig die globale Gummiindustrie arbeitet. Für uns ist es enorm wichtig zu wissen, von welchen Plantagen und unter welchen Arbeitsbedingungen der Kautschuk für unsere Wetsuits gewonnen wird.

 

Video über die neue Wetsuit-Produktion von Patagonia