Auf den folgen Seiten wollen wir Surfer und Shaper vorstellen, die außerhalb der Norm denken und Bock auf neues haben. Ihre Ideen erscheinen zuerst absurd – bis einem klar wird, dass jede Innovation einen Freak braucht, der den ersten Schritt wagt und sich nicht darum schert, was der Mainstream für richtig hält.

Dieser Artikel erschien im BLUE Yearbook 2017. Gedruckt liest es sich immer noch am besten. Unsere Yearbooks findet ihr hier.

English version below.

Text: Jens Steffenhagen & Jan Blaffert



TOM CURREN
Wer schon mal gesehen hat, wie Brad Domke auf seinem Skimboard Puerto Escondido oder andere Big-Wave-Spots meistert, weiß, dass Länge relativ ist und Finnen auch durch die meisterhafte Handhabung der Rails ersetzt werden können. Tom Curren, auch mit 53 noch einer der besten Surfer der Welt, war so begeistert von Domkes Clips, dass er den Kalifornier im Sommer 2015 kontaktierte, wie sich Brad erinnert: „Er rief mich an, wir kamen ins Gespräch und letzten Endes verbrachten wir den Sommer in Mexiko und surften irre Point Breaks auf meinen Skimboards.“ Curren war hooked und nahm das Brett von nun an überall mit hin, wie er mir letztes Jahr beim Surf Film Fest Berlin er-zählte. „Dieses Brett macht mir mehr Spaß als alle anderen Surfboards in meinem Quiver“, lachte er und hielt mir ein 4‘6“ Skimboard mit viel abgefucktem Schaum auf dem Deck und drei langen, S-förmig ge-schwungenen Finnen im Bottom vor die Nase. Wir hatten gerade darüber gesprochen, ob er in den folgenden Tagen mit nach Sylt kommen würde und welches Board man in Nordsee-Sommerwellen am besten surft. „Das Skimboard funktioniert in kleinen Wellen fantastisch, weil es flat ist. Und dank der Finnen, die ich eingebaut habe, hält es auch seine Line, wenn die Section nicht allzu steil ist.“ Ich begutachtete die ungewöhnlichen Finnen der französischen Firma S-Wings. Lang und wild geschwungen wie eine Salatgurke vom Bio-Markt. „Das Brett gibt mir den Spaß zurück, wenn die Wellen nicht der Kracher sind. Es ist wahnsinnig schnell – und Geschwindigkeit ist doch, worum es geht, oder?“ Richtig, Monsieur. „Ohne die Finnen ist das Board natürlich noch viel schneller. Ich bin ein Riesenfan der ganzen Finless-Idee und sicher, dass die Clips von Leuten wie Brad Domke oder Derek Hynd die Shape-Welt verändern werden. Doch ein so kurzes Brett wie das Skimboard hat ja kaum Rail im Wasser, da seine Outline so rund ist. Und das macht es sehr schwer zu carven. Die S-Fins lassen mich das Ding mehr wie ein traditionelles Board surfen, Top to Bottom – wenn auch schneller und wendiger.“

Cheers To You Weirdos 1

Mittlerweile surfte Curren das Brett in großen, perfekten Rincon-Wellen, in den langen Wasserwänden von Guéthary und auch in steilen franzö-sischen Beach Breaks mit Style und in technischer Perfektion. Und so hat ein Mittfünfziger aus purer Neugier, Experimentierlust und Aufge-schlossenheit gegenüber abwegigen Ideen das konservative Denken der meisten Shaper und auch der meisten von uns ad absurdum geführt und uns allen vorgeführt, worum es beim Surfen geht: Glide x Speed = Fun.

Words: Jan Blaffert | Photo: Brian Bielmann

 

FREE LIKE A BURCH
Ryan Burch versucht, die Kurzsichtigkeit der Mainstream-Surfszene abzuschütteln, um das volle Potenzial der Welle anzuzapfen. Sein Mit-tel: asymmetrische fliegende Teppiche aus Fiberglas und Styropor. Der kalifornische Querdenker ist eine Mischung unterschiedlichster Zutaten: Burch folgt der ingenieurwissenschaftlichen Lehre des Asym-metrie-Pioniers Carl Ekstroms aus den 1960ern, lässt aber auch Ideen anderer genialer Shaper, etwa der Fish-Gurus Rich Pavel und Skip Frye, in seine Kreationen einfließen. Gleichzeitig schielt er immer in Richtung der Performance moderner Shortboards. Das macht Ryan zum M.C. Escher unter den Shapern. Wie der irre Künstler fügt auch er Bekanntes zu unmöglich erscheinenden Formen zusammen. Doch diese Formen sind wohlüberlegt, sie funktionieren. Jedenfalls für ihn. Er fliegt auf ihnen durch Tubes und butterweiche Turns und scheint dabei den härtesten Wellen stets einen Schritt voraus zu sein. Die extreme Geschwindigkeit seiner asymmetrischen Planken zwingt ihn, immer eine Section weiter zu denken als der konventionelle Surfer. Das Ganze spielt sich ebenso sehr im Kopf ab wie unter den Füßen. Diese Art von Surfen erfordert viel Erfahrung – und perfekte Wellen.

Das Brett soll in Ryans Theorie kein Hindernis mehr darstellen. Nur die Welle zählt.

Klingt ziemlich esoterisch, doch hinter der Idee asym-metrischer Shapes stecken recht simple anatomische Grundkenntnisse: Unser Bewegungsradius ist in der Rücklage ziemlich eingeschränkt. Fehler sind daher schwerer zu korrigieren als auf der Frontside. Wenn die Technik nicht einwandfrei sitzt, kämpft man sich einen ab. Ryans asymmetrische Designs sollen die Grenzen, die uns unser Körperbau setzt, aufheben. Die Änderungen fangen das größere Gewicht auf der Heel-Side auf und ermöglichen gleichzeitig mehr Hebelkraft auf der Toe-Side. Das Ziel ist eine sensiblere Forehand und eine fehlertolerante Backhand. Die Bretter sind also der Position des Surfers angepasst: goofy oder regular. Oftmals werden auf der Toe-Side längere, geradere Rails mit einzelner Finne verwendet und auf der Heel-Side eine kurze, gebogene Outline mit zwei kürzeren Finnen für Kontrolle. Auf der Heel-Side liegen die Finnen enger beieinander als üblich und auch das Rail ist dicker, um Drive und Flow zu optimieren. Auf der Toe-Side geht es um Feingefühl, also dünne Rails und nur eine Finne für mög-lichst wenig Widerstand. Gleitflug ohne Widerstand auf der Vorhand, Bewegungsfreiheit und Kontrolle auf der Rückhand.

Cheers To You Weirdos 2

Doch da hört es nicht auf. Die Optionen sind endlos und keines der Design-Prinzipien existiert für sich. Das eine Brett fliegt, das andere geht unter. Ryan spricht von ,,bobbers and sinkers“. Bis alle Nuancen optimal ausgelotet sind, müssen Surfer und Shaper viel ausprobieren. Massenware sieht definitiv anders aus. Asymmetrische Shapes sind seit über 50 Jahren das Kuriosum der Surf-welt, haben sich aber einfach nie durchsetzen können. Sie kommen und gehen in verschiedenen Formen. Im Endeffekt blieben sie doch einfach zu verwirrend für die Mainstream-Massen. Und das obwohl viele Shape- Legenden sich an den ungleichen Hobeln versucht haben. Bob McTavish, der seine Bretter dem Point Break Lennox Head anpasste, oder Nat Young, der in den ersten Szenen des Klassikers ,,Morning of the Earth’’ auf einem Asymmetrical unterwegs ist. Weitere Handwerksmeister wie Peter Tow-nend, Col Smith und Mark Richards haben es probiert. Doch so gut wie alle Versuche sind auf kollektives Achselzucken gestoßen. Auch die Pros sprangen nie auf den schiefen Zug auf, weil ihre Technik so ausgefeilt ist. Asymmetrische Vorteile werden bei perfekter Gewichtsverlagerung und idealen Körpermechaniken schlicht überflüssig. Die Besten der Besten wollen ihre Bretter so neutral und berechenbar wie möglich. Thruster, Single Concave, viel Rocker und sie selbst regeln den Rest.
Ryan pfeift drauf, experimentiert sich durch die verschiedensten Quiver und findet seine Linie. Es geht um seine ganz eigene Ausdrucksform. Damit bringt er die Essenz des Freesurfens auf den Punkt.

Words: Jan Blaffert | Photo: Brian Bielmann

 

THE DUO
Aussie-Shape-Legende Neal Purchase junior hat den heiligen Gral gefunden. Noch besser: Er hat ihn selbst gebaut. Neal Purchase junior ist eigentlich ein legendärer Single-Fin-Shaper und Top-Surfer, der in Filmen von Andrew Kidman durch große Tubes fliegt, doch das Gaspedal, über das Twin-Fins verfügen, hat ihn immer fasziniert. Nun ist er sicher: „Das Duo ist besser als ein Single-Fin und besser als ein Twin-Fin. Es ist eine Weiterentwicklung beider Designs.“
Was ist passiert? Jahrelang hatte Neal mit klassischen Steve-Lis- Fish-Templates experimentiert, gleichzeitig aber meist Single-Fins ge-surft. „Single-Fins vereinfachen dein Surfen. Sie machen deinen Style smoother. Doch Twins liefern dir die Möglichkeit, deinen Speed selbst zu generieren. Ich wollte beide Attribute verbinden!“ Also legte er los. Er nahm einen Blank mit wenig Rocker, den er normalerweise für seine Quads benutzt. In der vorderen Hälfte schmirgelte er ein zartes Single Concave aus dem Schaum, das Richtung Tail in ein tieferes Double Concave überging. Dann baute er zwei parallel sitzende Single-Fin-Boxen ein, jeweils drei Inches vom Stringer entfernt. Finnen der Wahl waren zwei Standard 6,5“. Das Video der ersten Session auf dem Board ist beeindruckend: Neal carvt und cruist wie auf dem Single, haut aber ex-plosive Turns raus und generiert extrem viel Speed durch ein paar Pumps. „Ich habe das Ding beim ersten Versuch hinbekommen“, lacht Neal heute. „Die Sketchiness eines normalen Twin-Fin wird durch Kon-trolle ersetzt. Ich hatte viele Barrels auf dem Duo und es hält immer seine Linie. Warum? Weil die Finnen so weit von den Rails entfernt sitzen, dass du immer beide im Wasser hast. Das gibt dir das Gefühl, auf Schienen zu surfen. This is the kind of surfing I’ve been looking to do my whole life.“

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Cheers To You Weirdos 3

Mittlerweile hat Neal so unterschiedliche Testpiloten wie Harrison Roach und Spin-Doctor Chippa Wilson begeistern können. Und auch Otto Nor-malsurfer profitiert von dem Brett, wenn es darum geht, die perfekte Line auf der Welle zu finden oder seine ersten kleinen Barrels zu surfen. Und einen catchy Namen hat Marketing-Genie Purchase (Mitbegründer der Marke Rhythm) sich da auch ausgedacht: Duo – best of both worlds. Schlau.

Words: Jens Steffenhagen | Photo: Ganeproductions



The following pages are dedicated to those surfers and craftsmen who have thought outside the box  and shaped our futures.
Their ideas may have seemed outlandish at first, until you realize that every innovation needs an oddball visionary to push beyond mainstream conventions with reckless abandon. 

This article was published in our Blue Yearbook 2017. Our printed mags are available here.

Text: Jens Steffenhagen & Jan Blaffert



TOM CURREN

Anyone who’s ever seen Brad Domke take on maxing Puerto Escondido on his skimboard understands that length is relative and a masterful rail-game can substitute fins. Tom Curren, at the top of his game, aged 53, was so intrigued by Domke’s clips, that he contacted the Californian in the summer of 2015: “He called me up, we talked and things took off from there,” Brad remembers. “We ended up spending the summer in Mexico, surfing those perfect points on my skimboards”.
Curren was hooked and took the board everywhere, as he told me during last year’s Surf Film Fest in Berlin: “Out of all the boards in my quiver, this one is definitely the most fun,” he laughed, showing off the 4’6 skim-board, with a fucked up foam deck and three s-shaped fins on the bottom.
Tom planned to join me on a quick trip to Sylt and we had just discussed shapes for the North Sea summer swells: “The skimboard flies in small surf because it’s so flat. And since I added the modified fins, it even holds a solid line if the section isn’t too steep.” I eye up the unusual fins from the French brand S-Wings. They have an elongated rake and are wildly curved, like a cucumber from a farmers’ market.

Cheers To You Weirdos 1

Words: Jens Steffenhagen | Photo: Branden Aroyan 

FREE LIKE A BURCH 
Ryan Burch is on a mission. With a desire for continuous evolution, the Californian maverick ventures to the edge of functional surfcraft design – and beyond. His unparalleled asymmetrical shapes are stepping stones to an otherworldly level of waveriding, achieved by few and admired by many.
Ryan is a curious blend of elements, fused in the San Diego area. Inspired by asymmetry pioneer Carl Ekstrom, he combines experimental engineering in the shaping bay, with timeless footwork on the wave face, rooted in the heritage of Rich Pavel, Skip Frye and Joel Tudor. Add his knack for on-rail progression and you’ve got the M.C. Escher of shapers. Not unlike a visionary artist, Ryan mutates the familiar to create entirely new forms. His open-minded approach results in creative revelations and oddball novelties in equal parts. But the boards work. At least for him, and that’s all that matters to the Volcom sponsored tinkerer. He flies through wicked tubes and buttery turns, seemingly three steps ahead of every section the wave throws at him. The breezy pace of these slanted sleds forces the surfer to anticipate, rather than react. His range of vision detaches from what is directly ahead and opens up. To maximize the potential of Ryan’s designs, he’ll have to be more tuned in to reading the wave. Playing this mind-game can turn a straightforward ride into a rewarding challenge.

Essentially, Ryan is trying to transcend the physical properties of material and reduce the equation to the rider and the wave. As mystical as that sounds, it’s actually based on grounded principles of human anatomy. Our range of motion is decidedly limited when leaning backwards, meaning mistakes are harder to correct than on our forehand. Ryan’s asymmetrical shapes are designed to alleviate the constraints of the human physique. The long, straightened toe-side rail mimics the friction-free momentum of a fish, while the shortened, curvy heel-side allows for controlled leverage at high speeds. These boards are angular, narrow and built for planing speed with one larger fin on the toe-side and half of a quad-like setup on the other. Glide without drag on the forehand, freedom of movement and enhanced control on the backhand.

Cheers To You Weirdos 2

Still, asymmetricals haven’t made it past the status of mere curiosity for over half a century. Every so often, they surfaced in various forms, but have never really found their way into quivers around the world. Despite sincere efforts from legends like Bob McTavish or Nat Young, who rode an obscure longboard in the opening scene of the classic, “Morning Of The Earth.” Pete Townend, Col Smith, Mark Richards, the list goes on.
And Ryan’s strange craft too are far from mainstream. The many inter-woven design principles leave the average Joe scratching his head. The R&D process of dialing in that magic stick becomes a lengthy back and forth with the shaper. Among all the bobbers, even Ryan ends up with a sinker now and then. Regardless, every new model is part of the evolution, representing one of his many ideas on how to improve surfboard design.
Ryan isn’t even sure if the rest of the world is into his innovations. Then again, he doesn’t really care. Rather than conforming to the expected, he obsessively tests his various theories on functional gliders. Each experiment powered by purpose and a keen mind. Ryan’s passion is contagious. It’s all about the art of expression. And if that isn’t at the heart of surfing, what is? Free like a Burch.

Words: Jan Blaffert | Photo: Brian Bielmann


THE DUO
Aussie shape legend, Neal Purchase Junior, has found the Holy Grail. Or, even better, he built it himself.
Neal Purchase Junior is a legendary single-fin shaper and top surfer who sails through huge tubes in the films of Andrew Kidman. He has long been fascinated with the gas pedal on twin-fin boards and now he is certain: „The duo is better than a single fin and better than a twin fin. It is an advancement of both designs.“
What happened? Neal experimented with Steve Lis fish templates for years but mostly surfed single-fin boards. „Single fins simplify your surfing. They make your style a lot smoother. However, twins give you the option to generate speed yourself. I wanted to combine both attributes.“ And that he did. He took a blank with little rocker, which he usually uses for his quads. In the front, he sanded a single concave from the foam, which transitions into a deeper, double concave near the tail. Then, he built two parallel fitting single-fin boxes, each three inches away from the stringer. He chose two standard 6.5“ fins. The video of the first session on the board is impressive: Neal carves and cruises as if using a single, but makes explosive turns and generates a lot of speed with a few pumps. „I got the thing right on the first try,“ Neal says, laughing. „The level of control takes away the sketchiness of a normal twin fin. I did a lot of barrels on the Duo and it always holds the line. Why? Because the fins are so far from the rails that you always have them both in the water. It gives you the feeling of surfing on rails. This is the kind of surfing I‘ve been looking to do my whole life“.

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Meanwhile, Neal has inspired various test pilots like Harrison Roach and spin doctor Chippa Wilson. Normal surfers can also benefit from the board when it comes to finding the perfect line on the wave or surfing their first barrels. Marketing genius Purchase (co-founder of the Rhythm brand) also came up with a catchy name: Duo – best of both worlds. Clever.

Words: Jens Steffenhagen | Photo: Ganeproductions


This article was published in our Blue Yearbook 2017. Our printed mags are available here.