Landlocked Surfer sind immer auf der Jagd – nach dem nächsten Trip, der nächsten Session, der nächsten Welle. Wir kommen chronisch zu kurz, selbst wenn wir es irgendwie schaffen, jede freie Minute auf der Suche zu sein. Es gibt verschiedene Arten, damit umzugehen. Manche flüchten, manche resignieren, und dann gibt es noch Menschen, bei denen völlig ungeahnte Kräfte freigesetzt werden. Menschen wie Chris Boehm-Tettelbach und Michi Mohr, Teil des Gründerteams eines neuen Weltklasse-Spots, der bald die ersten Swells rausfeuert. Das Duo hinter der Vision von Surftown MUC hat sich Zeit für uns genommen und berichtet von der langjährigen Reise und den Herausforderungen, die sie auf dem Weg gemeistert haben.
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Drahtzieher
Chris und Michi sind, wie sollte es auch anders sein, seit Jahrzehnten tief in der Surfszene verwurzelt. Zunächst als Eisbach-Locals, dann auf der Jagd nach Wellen rund um die Welt. Wirklich interessant für dieses visionäre Projekt ist die Bandbreite und Kombination der professionellen Erfahrung der beiden. Chris gründete 1987 Planworx. Anfangs war das eine Reiseagentur, weil es das Konzept „Eventagentur“ damals noch gar nicht gab. „Mein Ziel war es schon immer, Orte zu schaffen, an denen sich Leute wirklich wohlfühlen – um die eine echte Community entsteht“, erklärt Chris. Michi bringt als Ex-Quiksilver-Pro und mit beeindruckenden Big-Wave-Skills viel Surf-Know-how ins Projekt. Doch auch er hat Business-Erfahrung: So eröffnete er etwa den ersten Quiksilver Boardrider Store in Deutschland.
Vision
Wer kann schon sagen, wie lange man bereits von perfekten Wellen vor der Haustür träumt?
Wahrscheinlich ewig. Ganz konkret wurde die Idee für den bayerischen Wavepool vor knapp zehn Jahren. „Über einen Kollegen erfuhr ich von der Technologie und war sofort vom Potenzial fasziniert“, erzählt Chris. Es sagt viel über ihn aus, dass sein erster Gedanke direkt war, einen Businessplan zu schreiben. Nachdem er diverse Standorte in Deutschland analysiert hatte, fiel die Wahl auf den Münchner Norden. Doch der Weg dorthin war nicht einfach. „Ich bin eine Woche lang durch die Gegend gefahren, habe bei Bauern geklingelt und gefragt, ob sie ihren Acker verkaufen, weil ich einen Surfpark bauen will. Die haben mich im wahrsten Sinne des Wortes vom Hof gejagt.“ Damit war das Projekt erstmal auf Eis gelegt, doch noch lange nicht abgeschrieben.
Der Durchbruch kam Ende 2018, als Planworx eine Ausschreibung für den Munich Airport Business Park in Hallbergmoos gewann. Innerhalb weniger Wochen wurde dort der größte Mietvertrag seit 25 Jahren abgeschlossen. Die Gemeinde war offen für kreative Ideen zur „Belebung eines Pflegegrundstücks“. „Ich zog mein altes Konzept wieder aus der Schublade, stellte mich vor den Gemeinderat, präsentierte eine kurze PowerPoint und erklärte, dass man auf dem Land surfen kann. Ich zeigte, dass das für die Gemeinde ein Leuchtturmprojekt sein würde, das Hallbergmoos auf die Weltkarte setzen könnte. Nach zwei Monaten ging das Konzept durch den Gemeinderat.“
Nachhaltig?
„Weltweit scheitern viele Projekte daran, dass die Initiatoren nicht auf jede Frage die passende Antwort haben oder generell zu naiv an die Sache herangegangen wird“, so Michi. Dabei ginge es gerade bei einer neuen Branche wie Wavepools nicht um direkte Konkurrenz in Sachen Nachhaltigkeit: „Jedes Projekt bringt seine ganz eigenen Herausforderungen mit sich und besonders die Arbeit mit den Behörden und wichtigen Stakeholdern darf auf keinen Fall unterschätzt werden. Letztendlich ist es für uns alle nur von Vorteil, wenn andere Projekte auch Erfolg haben.“ Besonders geht es hier um drei essenzielle Faktoren: den Standort, die Energie und die Wasserversorgung.
Nachhaltigkeit war von Anfang an ein zentraler Bestandteil des Projekts.
Planworx schaffte sich einen wichtigen strategischen Vorsprung, indem 2016 bereits Auditoren nach ISO 20121 ausgebildet wurden, um die Nachhaltigkeit von Locations und Events zu prüfen. Diese Grundlage nutzen sie nun für das Projekt: „Wir haben uns dazu verpflichtet, möglichst wenig Flächen zu versiegeln und genau zu wissen, woher das Wasser und der Strom kommen“, betont Chris.
Die Energieversorgung erfolgt durch einen benachbarten Solarpark, und das Wasser wird aus einem eigenen Grundwasserbrunnen bezogen. „Ein geschlossener Wasserkreislauf ist so wichtig. Das Einzige, was wir auffüllen müssen, ist die Verdunstung“, ergänzt Michi. „Wir haben mit dem Wasserwirtschaftsamt und dem Gesundheitsamt zusammengearbeitet, um für Surfpools eine Art Standard zu definieren. Wir haben immer versucht, auf alle möglichen Fragen fundierte Antworten zu haben. Das hat die Skepsis bei den Behörden wie dem Luftfahrt-Bundesamt, dem Wasserwirtschaftsamt und dem Umweltamt in ein Miteinander verwandelt. Sie haben Ehrgeiz entwickelt und gesagt: ‚Wow, das unterstützen wir und bringen es durch.‘“
Community
Surftown MUC ist natürlich mehr als „nur“ perfekte Wellen auf Knopfdruck. Das Areal ist riesig und bietet auf 20.000 Quadratmetern ein vielseitiges Erlebnis für bis zu 4000 Besucher gleichzeitig.
Wie bei Chris‘ früheren Projekten geht es auch bei diesem neuen Weltklasse-Spot darum, einen Ort zu schaffen, an dem sich jeder willkommen fühlt und um den ganz neue Communities entstehen werden.
„Wir denken da an alle, von Familien über Weekend-Warrior bis hin zu Pros, wie zum Beispiel das Olympische Team vom DWV. Unser Ziel ist es, maximal flexibel zu sein und die gesamte Bandbreite abzudecken. So können wir ein Projekt schaffen, das wirklich für jeden etwas bietet und gleichzeitig technisch und organisatorisch auf dem neuesten Stand ist“, so Chris. Michi ergänzt: „Wir haben jetzt auch Quirin Rohleder an Bord, der sich um das gesamte Sportthema kümmert. Hier ist viel in Bewegung und es wird echt spannend, in Zukunft auch die World Champs ein- und ausgehen zu sehen. Unsere Wellen-Technologie ist dank des pneumatischen Systems wahrscheinlich die flexibelste, die es derzeit gibt. Und momentan ist sie einzigartig, denn wir werden die Ersten mit der Endless Surf Lagoon sein.“
Welle(n)
Surftown MUC wird der bisher größte Wavepool in Europa und setzt auch technisch neue Maßstäbe. „Wir haben weltweit alle verfügbaren Systeme getestet und wussten genau, was wir wollten: ein System, das der Vielfalt des Ozeans nachempfunden ist, ohne Energieverlust durch ineffiziente Nutzung. Wir wollten auf Knopfdruck verschiedene Arten von Wellen erzeugen und eine Anlage, die viele Jahre auf dem neuesten Stand bleibt“, berichtet Chris.
Die Endless Surf Lagoon von WhiteWater West funktioniert mit einem pneumatischen Kammer-System. 34 dieser Kammern werden der Reihe nach unter Druck gesetzt und sollen damit der Energie eines Groundswells so nah wie möglich kommen. „Das heißt, dass die Welle nach dem Takeoff nicht nachlässt und über die gesamte Länge ordentlich Druck hat“, erklärt Michi.
Jede Kammer erzeugt einen kleinen Teil der Welle und die Software setzt diese zu einer endlosen Vielfalt von Wellen zusammen. Damit sind der Fantasie der Swell-Designer keine Grenzen gesetzt: „Lefts, Rights, Longboard-Pointbreaks, Barrels, High-Performance-Wellen für Turns sowie Air Sections. An der ‚Outside‘ brechen A-Frames im Split Peak Mode nach links und rechts, bis dann im Reform-Bereich eine Weißwasserwelle für Anfänger entsteht. Und wenn man alles auf Elf dreht, kann man alle zehn Sekunden eine perfekte Point-Welle über 130 Meter Länge und gut zwei Meter Höhe durch das Becken feuern. Das sind dann Rides von 17, 18 Sekunden – natürlich in beide Richtungen!“, grinst Michi.
„Wir befinden uns derzeit im Commissioning, also im Testen und Justieren der verschiedenen Wellen“, erklärt Chris. „Man kann sich das wie ein Klavier vorstellen: Verschiedene Tasten erzeugen verschiedene Wellen. Wir können die Abschnitte der Welle anpassen, langsamer oder schneller machen, je nach Bedarf. So können wir die Wellen flexibel gestalten und dem Spot verschiedene Facetten abgewinnen.“
„Wir lernen gerade, dieses ‚Klavier‘ zu spielen und unsere eigenen Wellen zu komponieren“, fügt Michi hinzu. „Unsere Standardwellen sind bereits definiert und werden auch auf der Website zu sehen sein. Es gibt verschiedene Wellenstufen für unterschiedliche Levels, von Intermediate bis Pro. Wenn ein Nationalteam kommt oder wir eine Air Show veranstalten, können wir spezielle Wellenmuster einrichten.“
Die Anlage ist so konzipiert, dass sie auch professionelle Wettkämpfe und Events ausrichten kann.
„Wir sprechen bereits mit Organisatoren und Verbänden, und das Feedback ist überwältigend“, sagte Chris. „Länder ohne Küsten hatten bisher keine Chance, internationale Wettkämpfe auszurichten. Das möchten wir ändern. Mit dem Endless Surfpool haben wir die Möglichkeit, unterschiedliche Wellenmuster zu erzeugen, was besonders bei Wettkämpfen spannend ist. Man könnte sogar ein zufälliges Setting verwenden, um eine Unberechenbarkeit wie im Ozean zu kreieren.“
„Und wir wollen Pros die einzigartige Chance bieten, effektiver zu trainieren: durch permanente Wiederholung und ‚Laborbedingungen‘“, erklärt Michi. „Wir haben gesehen, wie diese konstanten Bedingungen in den letzten Jahren die Progression gepusht haben. Das wird dem deutschen Surfen einen unglaublichen Impuls geben.“
Forecast Hallbergmoos: Good to Epic!
Michi und Chris verrieten mir, dass viele der Wellenvoreinstellungen ihren Lieblingsspots nachempfunden sind, und rein theoretisch könnte man sich am „Klavier“ seine ganz eigene Traumwelle nachorgeln.
Fakt ist, dass ab Sommer 2024 ein neuer Weltklasse-Spot mitten im Herzen Bayerns bricht.
Fakt ist auch, dass dem Team nichts ferner liegen könnte als die Country-Club-Mentalität anderer Wavepools. Eine einstündige Session mit Einführung, Warm-up und Coaching kostet 69 €. Beim Split Peak Mode für Fortgeschrittene liegt der Preis bei 89 €. Die Sessions werden etwa zwölf Wellen pro Stunde bieten, je nach Anzahl der Teilnehmer. „Weitere Produkte, wie zum Beispiel Coachings und alles, was dazugehört, sind gerade in der Entwicklung“, erklärte Chris. „Das heißt, die werden wir demnächst auch auf der Website haben.“
Wenn ihr diese Zeilen lest, sind die Tickets bereits auf der Website erhältlich und der Forecast für Hallbergmoos ist sieben Tage die Woche: „good to epic“.
Opening am 10.-11. August 2024
Am Samstag, 10. und Sonntag, 11. August öfften der Wavepark mit einem "Opening Festival" seine Tore! Ab dem Opening kannst du erste Sessions buchen, vom Anfänger bis zum Profi. Vorab solltest du dir einen der letzten Gutscheine sichern, mit welchen du deine Sessions dann einlösen könnt: Surftown Presale
Wichtige Daten im Überblick:
Buchungskalender online für deine Surfsession ab dem 12. August: 23. Juli
Opening Festival: 10. und 11. August – mehr Infos auf surftown.de/de/opening
Öffentlicher Surf-Betrieb, Surfkurse und Gutscheine einlösbar: ab 12. August
Alle Infos und Tickets: www.surftown.de
Fotos: Matze Ried, Tanner Wilson