It's a wrap, wie der Ami gerne sagt: Die ASP Worldtour 2013 ist beendet. Titelträume wurden wahr oder zerplatzten, genauso wie die Hoffnung auf Qualifikation, Wildcards, Seeding Points - all die Ziele, die das Leben der Pros beherrschen und an denen wir als Zuschauer in unserem digitalen Collosseum vom Sofa aus teilhaben. Jetzt, wo die Gladiatoren ihre Wunden lecken, Triumphe auskosten oder mit ihrer Bedeutungslosigkeit klarkommen müssen, stellt sich bei uns Dauerkartenbesitzern eine gewisse Leere ein. Das war's. Keine allabendlichen Panem et Circenses mehr, kein: "Ave, Surfer in den landlocked countries, morituri te salutant!". Doch es gibt Hoffnung, denn nach der Saison ist vor der Saison. Und da die Saison 2014 eine Menge Neuerungen mit sich bringt, halten wir es für die richtige Zeit, um der wichtigsten Stories im Pro Zirkus 2013 zu gedenken und einen Blick auf die kommende Tour zu werfen!

 

1. Kelly Slater: Eine endlose Geschichte, ja. Aber eine Geschichte, deren Kapitel nie langweilig werden, weil sie man gegen Qualität nun mal nicht argumentieren kann: Kelly ist der beste Surfer auf der Tour. Dass er dies nur noch in guten Wellen beweist, macht seine Auftritte noch elektrisierender - wer erinnert sich schon an Rio, Hossegor oder Trestles in diesem Jahr? Weiß man noch, wer da gewonnen hat? Ich nicht. Aber das Final in All-Time-Kirra (Kelly vs. Joel, Ami vs. Local, Priority vs. Mittelfinger) - das wird Jahrzehnte in Erinnerung bleiben. Genauso Kellys Auftritt in Cloudbreak auf einem 5'9" in Triple Overhead Barrels, mit einem perfekten 20-Punkte-Heat und der besten Contest-Performance, die es jemals auf der Worldtour gab (sagen von Shane Dorian bis Occy alle, die dieses Jahr in der Booth saßen): Stoff für die Ewigkeit. Auch in Teahupoo rulte Kelly und wäre es zwei Fuß größer gewesen, hätte Ace Buchan keine Chance gehabt. Dass Kelly also die Saison mit einem Sieg bei den Pipe Masters (gegen John John und dank eines unglaublichen Freefall-Takeoffs) beendete, entwertete Micks Titel endgültig. Dass er danach verkündete, der Ausgang des Championships Race "pissed me off just enough to keep going in 2014", war die beste Nachricht des Tages. 2013 war Kellys Jahr und wenn die Statistiker am Ende nicht denjenigen krönen, der die drei hochklassigsten Comps gewonnen hat, dann muss man eine neue Formel finden!

 

2. Das Kronprinzen-Rennen: Wenn Kelly der Beste ist, dann könnte man meinen, dass es wichtigere Themen als seine Nachfolge gibt. Doch Surfen ist nicht Tennis, das wusste schon Bobby Martinez. Wenn in einem solchen Erbsenzählersport jemand dominiert, dann interessiert die Performance der Mitbewerber niemanden. Das liegt an der strichcodeartigen Denkweise dieser Leibesertüchtigungen, die nur Sieg oder Niederlage kennen.  Oder machte etwa die stylishe Longline Rückhand von Richard Gasquets in der Ära Roger Federer Schlagzeilen? Nein. Surfen ist anders, zum Glück. Die Performance ist wichtiger als schnöde Arithmetik. Das ist toll und das führt dazu, dass wir über John John Florence, Julian Wilson und Gabriel Medina reden und sie sogar als Kellys härteste Rivalen wahrnehmen, obwohl sie nix mit dem Titelrennen zu tun hatten. John Johns und Julians Alley Oops hinterließen ein weltweites Raunen - und das mit nur einem Air! Auch Medina, der ein scheiß Jahr hatte, verletzt war und immer wieder knapp verlor, hat die Barrel-Air-Combo perfektioniert. Alle drei werden das Surfen der nächsten zehn Jahre stilistisch bestimmen und ihren Superstar-Status weiter ausbauen - unabhängig davon, ob Kelly weitermacht oder nicht.

 

3. Judging-Hate: 2013 war die erste Saison, in der jeder Contest Heats-on-Demand anbot. Eigentlich eine tolle Sache, so kann man am nächsten Tag nachholen, was man verpasst hat, nachdem man um drei Uhr morgens auf seinem Notebook ins Koma fiel. Doch leider öffnete die Möglichkeit, jede Welle hundertfach zu analysieren, auch der globalen Internet-Hate-Army die Pforten. "The judging is rigged, ASP is a cunt, Worldchamp-points for Joel..." -  wenn Deutschland 80 Millionen Bundestrainer hat, besteht die Surfszene aus 10 Millionen Head Judges. Da aber nur fünf von ihnen wirklich was zu sagen haben, reicht den anderen Facebook als Bühne. Doch Surfen ist nicht objektiv bewertbar, genausowenig wie Tanzen. Allein schon die Kriterien der ASP sind dermaßen schwammig formuliert, dass man sie nicht als Maßstab für Entscheidungen im Zehntel-Punkt-Bereich heranziehen kann - ein Ausdruck der Hilflosigkeit gegenüber der Herausforderung, diese kreative Tätigkeit in ein Wettbewerbs-Gerüst zu stecken. Ausufernde Diskussionen, die sich auf Style, Härte der Turns und Peinlichkeit von Claims beziehen sind cool, doch ob Micks Welle eine 9.7 oder eine 9.3 war, das kann niemand bestimmen. Also überlassen wir solche Nebensächlichkeiten doch den bemitleidenswerten Judges.

 

4. Die neue ZoSea Worldtour: Es gibt Anlass zur Sorge: Finstere Mächte wollen Surfen größer machen. Mehr Menschen dazu animieren, die Webcasts zu schauen. Non-Surfing-Brands für den Sport gewinnen. Und schließllich den heiligen Gral der Vermarktung erobern: Live-Übertragungen im Fernsehen. All das in der Hoffnung, dass die beteiligten Sponsoren ein paar T-Shirts mehr absetzen können und vielleicht eines Tages von Karstadt und Co. als "echte" Sportartikelfirmen wahrgenommen werden - nicht als Beach-Bum-Startups, die man in der Exoten-Ecke positioniert. Ok, diese Wünsche der Surf-Industrie sind nicht neu. Seit den 80ern träumen die Verbände, die Brands und die Pro-Surfer davon, zur TV-Sportart zu werden. Nur Mutter Natur hat da nie so richtig mitgespielt und mit ein paar miesen Wellen zur richtigen Zeit alle Hoffnungen auf die große Kohle platzen lassen. Etwa in zahllosen Bud-Tour Finals, die in TV-Paketen gebroadcastet wurden und dafür sorgten, dass die Intendanten der Fernseh-Networks zwanzig Jahre lang nichts mehr vom "Actionsport no.1 Surfen" hören wollten. Nun erleben wir den nächsten Versuch: Die Holding ZoSea Media, zu der auch Kelly Slaters Manager zählt, trägt ab 2014 die finanziellen Risiken der Tour. Bisher waren dies die jeweiligen Sponsoren eines Contests, die damit auch die Gestaltungshoheit bei den Events hatten, ihre Crew für den Webcast stellten und, so die Kritik, auch die Judges beeinflussten. Die Sponsoren können sich zukünftig einkaufen und die Events präsentieren, doch das sendefertige Produkt wird von ZoSea produziert. So will die Firma das  Wellenreiten "professionalisieren". Sprich: stromlinienförmiger und berechenbarer machen, um auch nicht-surfende Menschen vor die Glotze/ den Computer zu holen und damit eine größere Werbeplattform bieten zu können. CEO Paul Speaker, der aus der NFL kommt, machte mit einem absurden Vergleich von sich reden: "97 Prozent der Football-Fans hat nie aktiv gespielt. Also können wir auch nicht-surfende Zuschauer für die Webcasts und TV-Übertragungen erreichen!" Nur dass diese 97 Prozent durchaus schon mal einen Football in der Hand hatten, ein Surfboard wohl eher nicht... Gefahr droht besonders von ZoSeas erster Neuerung: Webcasts, die von professionellen Sportkommentatoren a la Dave Stanfield moderiert werden und die Fachterminologie auch den Nichtsurfern verständlich machen wollen: "He is on his Backside, meaning his Back faces the wave..." Derartige Einführungen in die lustige Welt des Wellenreitens durften wir bereits dieses Jahr ertragen, 2014 wird dann wohl noch weiter ausgeholt. Doch Hoffnung besteht: Sollte diese abermalige Anbiederung an eine Braut, die von ihrem Verehrer nichts wissen will, an den Launen des Ozeans scheitern, dann haben wir endgültig Ruhe im Karton und können uns wieder an herrlich subjektiven, verpeilten, lustigen Webcasts erfreuen. Alle offiziellen News zur Saison 2014 gibt es hier.

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Text: Jens Steffenhagen

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Julian Wilson, Median und John John repräsentieren mit ihrem Mix aus Airs und Barrels das Surfen der Zukunft. Wer von den dreien wird als erster Weltmeister? Foto: Hennings