Emiliano Cataldi ist einer der besten Wellenreiter Italiens. Das ist cool, aber angesichts der Flugmeilen, die Emi in den letzten 20 Jahren angesammelt hat, auch kein Wunder. Von den einsamsten Inseln Indos über Micronesien, Afrika und Hawaii bis zu seiner derzeitigen Wahlheimat Byron Bay kennt der 34-jährige Römer alle erdenklichen Weltklasse-Spots. Daher überraschte (und freute) uns sein Film STATALE 106, den wir auf dem Surffilm Festibal San Sebastian sahen, besonders.

 

Hier geht es nicht um gesponsorte Pro-Trips, sondern um das Reisen und Surfen im Mittelmeer. Um die Schönheit dieser Küste, die zwar gute, aber keine perfekten Wellen hat - und um die erschreckende Realität, von einigen der ärmsten Ländern der Welt nur durch ein kleines Meer getrennt zu sein. Die Boots-Flüchtlinge, die regelmäßig (tot oder lebendig) an der Küste Italiens angespült werden, führen den Locals die Diskrepanz zwischen dem Reichtum Europas und der bitteren Armut in den Diktaturen Afrikas immer wieder knallhart vor Augen.

 

STATALE 106, dessen Deutschland-Premiere wir auf der BLUE Surffilmnacht im März in Hamburg, München, Kiel, Köln, Berlin und Frankfurt zeigen, widmet sich beiden Seiten: Einsamen Secret Spots vor malerischer Süd-Italienischer Kulisse und den Opfern des Swells, den Emiliano und gerade noch mit seiner Freundin surfte. Mit dieser authentischen Geschichte gewann STATALE 106 den Audience Award in San Sebastian. 

 

Wir haben Emiliano Cataldi zum Interview getroffen:

 

BLUE: Die Wellen in deinem Film sehen fantastisch aus - wie oft im Jahr habt ihr solche Bedingungen?

Blue 2019 online kaufen

Emiliano Cataldi: Tja, das Mittelmeer ist natürlich unkonstant, aber es gibt immer wieder grandiose Sessions. Die Ionische See im Süden, wo wir zu Beginn des Films surfen, ist sogar noch unbeständiger, was die Quantität betrifft. Doch wenn ein Swell ankommt, sind die Wellen hier besonders gut. Zwischen Oktober und April haben wir da ungefähr sechs bis zehn Swells, jeder bringt 3-4 Tage Surf mit sich. Manchmal trifft ein Ghostswell ein und das sind dann die goldenen Momente: Hochdruck, blauer Himmel und Groundswell.

 

BLUE: Wie würdest du die italienische Surf Szene beschreiben? 

Emiliano Cataldi: Das kommt auf den Blickwinkel an: Aus Sicht der Industrie sind wir im Moment mausetot.

 

BLUE: Aber was hat sich denn da in den letzten jahren geändert?

Emiliano Cataldi: Keine Marke investiert mehr in die italienische Szene. Was die Hardware-Verkaufszahlen, Surf Contests, Club-Aktivität und so weiter betrifft, haben wir aufgrund der auch in der italienischen Surf-Politik verbreiteten Korruption, der Bürokratie und der Finanzkrise immer weiter an Boden gegenüber anderen europäischen Ländern verloren. Aber da es somit auch keinen Hype um Contests und Sponsoren gibt, hat sich unter den Italienischen Surfern eine DIY-Mentalität durchgesetzt. Wir haben viele Freigeister, die kreative Sachen machen: Videos, Backyard-Shaping, Blogs, spannende Reisen... Ich hoffe, diese Underground Szene wird von der jungen Generation fortgeführt.

 

BLUE: Das klingt gut und erinnert mich an unsere Surfer hier. Welche italienische Region würdest du unseren Lesern denn für einen Bus-Trip empfehlen?

Emiliano Cataldi: Sardinien - damit kann man nichts falsch machen! Hier kann man ganz relaxt auf den nächsten Swell warten, denn Sardinien ist die wellenmäßig konstanteste Küste, die wir haben. Und die Menschen sind sehr entspannt dort.

 


BLUE: Du hast die ganze Welt gesehen und viele Spots gesurft - warst du schon mal bei uns in der Ost- oder Nordsee?

Emiliano Cataldi: Noch nicht, aber ich habe es schon lange vor! Die Landschaft ist wunderschön und ich habe gehört, dass einen die Warmherzigkeit der Menschen dort für die Kälte entschädigt - und das allein ist schon ein guter Grund, vorbei zu kommen.

 

BLUE: So ein Satz kann nur von einem Italiener kommen - charming! In STATALE 106 trefft ihr während eurer Reise nach Rom auf Boots-Flüchtlinge aus Afrika. Was sind deine Gedanken zu diesem Konflikt, vor dem besonders Südeuropa steht?

Emiliano Cataldi: Diese Menschen sind tief verzweifelt und sehen keine andere Chance, als alles in eine Flucht gen Europa zu investieren. Sie brauchen unsere Unterstützung! Ich habe viele der Länder, aus denen sie kommen, bereist... super heftig! Die meisten fliehen vor Bürgerkrieg, Hunger, Gewalt und es ist schrecklich zu sehen, dass sie auf der Reise gen Europa noch mehr Schrecken erleben. Viele von ihnen sterben unterwegs. Wenn man dann sieht, wie zynisch und kalt die italienische Regierung sie hier behandelt, wird einem klar, dass unser ganzes System eine Schieflage hat. Die Menschheit war schon immer in Bewegung, stets auf der Suche nach einem besseren Leben. Das ist unser Naturell. Ich selbst bin nach Australien ausgewandert, weil ich mit dem italienischen Volk nichts mehr zu tun haben wollte, nach Berlusconi und der ganzen Scheiße. Diese meterhohen Zäune hier zu sehen, die gebaut werden, um die reichen Länder vor den Armen zu schützen, machte mich krank. Wenn man einmal erlebt hat, wie die Flüchtlinge in den Immigrations-Lagern behandelt werden, sieht man, dass sie hier den Status von Tieren haben. Viele Europäer schieben die Schuld für diese Situation auf die Immigranten und die Medien machen da mit. Doch so macht man es sich zu einfach. Es ist feige und ignorant, die Schuld auf die Schwächsten zu schieben.

Wer ist denn wohl für diese Situation, die aus dem europäischen Kolonialismus hervorgegangen ist, verantwortlich? Ganz sicher nicht der afrikanische Dorfbewohner, der mit seiner Familie zu überleben versucht, sondern westliche Banker und Politiker, die in der dritten Welt Geld verdienen und die Diktatoren stützen.

Die Menschen in Europa müssen endlich anfangen, sich bei diesem Thema ihre eigenen Gedanken zu machen. Wake up!

 

BLUE: Danke, Emi!

itv_emi_thumb

Left Side Arrow Right Side Arrow
Die Ionische Küste, die sich vom Stiefelabsatz Italiens gen Griechenland öffnet, braucht eine ganz andere Swellrichtung, als der Rest des Landes. Doch wenn es hier gut wird, dann findet man leere Lineups und perfekte Riffe.