Wir erreichten Guéthary am Montag kurz vor Sonnenuntergang. Auf der Teressa oberhalb des Hétéroclito starrten fünf Franzosen Richtung Horizont. Wellen spülten über die Hafenmauer, es war kurz vor Hochwasser. Alle schwiegen, denn das Spektakel, das sich uns bot, war atemberaubend: Die Lines waren über einen Kilometer breit, sie reichten von Avalanche im Süden bis zum Riff von Parlementia. Als das nächste Set tatsächlich auf ganzer Breite brach, also sogar im Channel, in dem ich noch nie Weißwasser gesehen habe, war allen klar, dass der Hercules-Swell etwas Besonderes ist. 

 

24 Sekunden sollte die Periode für den Abend sein und über Nacht bei einer Swellgröße von 20 Fuß peaken. Entlang der Küste von Aquitaine waren Bagger im Einsatz, die die Dünen-Erosion verhindern sollten. Genauso in Biarritz, wo große Sandhaufen einen Wall gegen die Flut am Grande Plage bildeten. Um 20 Uhr war es dann soweit: Eine erste Welle überspülte die Promenade, eine nächste demolierte die Fassaden des Casinos, des Schwimmbads und des Boardrider-Shops. Wasser lief über den Platz, die Straße hinunter und schließlich in die Tiefgarage. Autos versuchten der Flut auf der Straße zu entkommen, Feuerwehr und Polizei rückten an und sperrten den Platz weiträumig. Einen Tag vorher wurde ein Paar am Fuß des Leutturms ins Meer gespült, die Frau ertrank.

 

Biarritz befand sich also schon im Ausnahmezustand, als die Show am nächsten Morgen begann: Belharra brach und eine internationale Crew war eingeflogen worden, um das Monster erstmals paddelnd zu bezwingen. Es gab zwar schon vorherige Paddle-Sessions, doch in deutlich kleineren Bedingungen. Shane Dorian, Jamie Mitchell und Grant Baker wollten nun zusammen mit Benjamin Sanchis Geschichte schreiben. Von den Cliffs der Corniche beobachteten wir durch Ferngläser, was sich drei Kilometer vor der Küste abspielte: Zwanzig Boote und Jet-Skis cruisten um das Riff, eine surreal friedliche Stimmung - bis zu dem Moment, an dem sich weit draußen Lines abzeichneten und bald gigantische Schaumberge auf dem offenen Meer alles verschlangen, was in ihrem Weg lag. Wir sahen eine Paddle-Welle nach links (wahrscheinlich von Shane Dorian) und diverse Tow-Wellen. Towen erscheint hier im Vergleich zum paddeln lächerlich einfach: Keine Klippen, keine Barrel, kein Riff auf das man schlagen könnte. Paddeln dagegen ist hier die Hölle: Kein Lineup, keine Orientierung und ein Open-Ocean-Swell, der mit 30 k/mh durchs Wasser pflügt. Am nächsten Tag erzählte mir Shane bei einem Interview, wie er die Session erlebt hat:

 

"In der Nacht auf Dienstag konnte ich wegen des Jetlags kaum schlafen. Ab zwei Uhr morgens lag ich wach und wartete auf den Tagesanbruch. Draußen hörte ich die Dünung auf den Strand krachen. Als wir dann endlich mit dem Boot den Hafen von St. Jean de Luz verließen und die zwei Kilometer zum Riff von Belharra hinausfuhren, merkte ich, dass ich immer müder wurde. Ein schreckliches Gefühl. Doch ich sprang über Bord und paddelte zum Peak - für diese Gelegenheit hatte ich schließlich 20.000 Kilometer zurückgelegt. Um 9 Uhr erwischte ich dann meine erste von zwei erfolgreich gesurften Wellen. Zwischen den beiden Rides wurde ich ein paar mal vom Weißwasser erwischt und musste mein Board sausen lassen. Sancho und ich surften ohne Leash. Also stieg ich einfach vom Brett und ließ mich verprügeln. Ich tauchte noch nicht mal tief, das hat bei dieser Größe eh keinen Sinn..."

Und wie heftig ist Belharra im Vergleich zu Jaws, Nazare, Mavericks...?

 

"Als Tow-Spot ist die Welle fast zu einfach. Doch dich mit dem Paddle-Board richtig zu positionieren, ist fast unmöglich: mal sitzt man hundert Meter zu weit draußen, dann hundert Meter zu weit drinnen. Trotzdem würde ich sagen, dass der Spot im Vergleich zu Nazare ungefährlich ist, weil keine Klippen im Weg sind."

 

Die Belharra-Session wird lange in Erinnerung bleiben, besonders wegen dieses Drops von Jamie Mitchell. In Nazare gab es dagegen lange Gesichter: Zuerst machte am Montag starker Onshore das Surfen unmöglich, dann verboten die Behörden jegliche Aktivität auf dem Wasser. Im Süden Portugals hatten die Locals Spaß in großen, aber nicht lebensbedrohlichen Wellen. Für Furore sorgte dieser Ritt von Alex Botelho, der fast eine Minute dauert und zwei Spots in Lagos connected. In Irland wurde Mullaghmore Head von den üblichen Verdächtigen inklusive Nic von Rupp getowed. Es war jedoch "nur" ein normalgroßer Tag auf der Crazyness-Skala.

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In der Gallery gibt es eine kleine Übersicht über die Freude und die Zerstörung, die Hercules mit sich gebracht hat.

 

hercules thumb

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In Irland kam der Swell schon am Montag an - allerdings begleitet von 40mph Wind und Hagel.