Wenige Minuten waren vergangen, seit aus Kelly Ke11y wurde. Der Champ stand auf der Bühne, die das Team vorsorglich schon vor Beginn des Rip Curl Pro Search zwischen dem Rider- und dem Media-Zelt aufgebaut hatte. Pokal in der Hand, der Neo nass. Gerade hatte er in seiner kurzen, pathosfreien Rede vor den circa zweitausend "Kelly, Kelly" skandierenden Fans den Locals von Ocean Beach, seinen Freunden und nicht zuletzt Andy Irons gedankt.

 

Nun standen wir, der Medientross, der sich zu ihm durchgeboxt hatte, zu zehnt vor Kelly Slater und schleuderten ihm Fragen entgegen, während über die PA Owen Wrights Heat kommentiert wurde - der beste Heat des Tages. Es waren nicht die klügsten, wohlüberlegtesten oder sortiertesten Fragen, sondern das, was uns in dieser überdrehten Situation gerade durch den Kopf ging. Kelly stand da völlig cool und beantwortete alles, so gut es ging. Hier ist die Abschrift.

 

Kelly, du wirktest in diesem Jahr, als könntest du nach Belieben mit deinen Konkurrenten spielen. Wie schwer ist es da, sich zu motivieren? 

 

Mich kann sehr vieles motivieren: Ein ungewöhnlicher Shape, der sich ganz anders fährt, zum Beispiel. Oder wenn ich jemanden einen neuen Air springen oder eine neue Line fahren sehe. Dann spüre ich den Antrieb, das auch lernen oder sogar besser können zu wollen. 

 

Aber was motiviert dich noch zum Wettkampf?

 

Ich hatte in diesem Jahr viele harte Gegner und musste auf jede neue Herausforderung antworten. Wenn man älter wird, oder vielleicht auch generell, geht es darum, im Kopf flexibel zu bleiben und immer wieder neue Sachen auszuprobieren. Das reizt mich.

 

Wir sind hier in der Stadt der Kreativität und des Free Spirits. Was konntest du davon schon erleben?

 

Nicht viel. Ich bin einen Tag vor Contest-Beginn eingetroffen und habe versucht, mich an das kalte Wasser zu gewöhnen. Dann ging es auch schon sofort los. Viel Zeit, um etwas anderes zu sehen, gab es da nicht.

 

Wie fühlte sich dieser Titel im Vergleich zum Zehnten an?

 

Viel relaxter. Dieses Jahr hat es Spaß gemacht, während der Druck im letzten Jahr doch sehr groß war.

 

Du saßt heute sehr lange alleine auf einem nördlichen Peak, während Dan Ross weiter südlich eine gute Welle nach der anderen fand...


Ja, das war das typische Ocean Beach Spielchen: Die Linken sahen gut aus, doch sobald ich sie anpaddelte, wurden sie fett oder verschwanden ganz. Irgendwann dachte ich mir: 'Was tue ich hier eigentlich?' und paddelte rüber zu den Rechten, die deutllich besser liefen. Da hatte Dan bereits zwei Scores, während ich hinterher hechelte. Zum Glück fand ich dann eine Welle, die zwar nicht gerade großartig war, aber immerhin lange lief und mir die Möglichkeit gab, meine benötigten Punkte zu bekommen. Dan hatte noch die Welle, mit der er mich hätte schlagen können, doch er ist gestürzt. Er hatte es selbst in der Hand. Im nächsten Heat habe ich jetzt die beiden jüngsten Typen der Tour gegen mich, also liegt der Druck bei mir.


Du bist jetzt fast vierzig. Wie lange willst du noch auf der Tour bleiben?


Keine Ahnung. Wirklich nicht. Ich habe das Gefühl, dass ich besser surfe denn je. Menschen werden heutzutage 100 Jahre alt, warum soll ich nicht auch mit 50 noch professionell surfen?

 

Damit war die Fragerunde beendet, seine Medien-Gouvernante bat, die Bühne zu verlassen. Ein Photo mit Kelly und dem ASP-Security Chef Woody knipste ich noch für dessen Poesiealbum, dann durfte der Champ raus aus den nassen Sachen. Den 11. Titel feierte er im "Sea Bowl", einer Bowling-Kneipe im dörflichen Pacifica, zwanzig Kilometer südlich der Großstadt. Seine logische Begründung: "Ich will heute Abend zwei Dinge tun: Bier trinken und bowlen!" A true people's champ. Einen Zusammenschnit seines Weges zum 11. Titel gibt es in diesem Clip:

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Den ganzen Tag beobachtete Kelly aus dem Fahrerzelt zusammen mit Quiksilver Teammanager Belly (rechts) die Bedingungen. Foto: Jens Steffenhagen