Billy Smith, der die erste Wetsuit-Generation von Patagonia entwickelt hat, erklärte uns im Interview, wie die Produktion unseres wichtigsten Ausrüstungsstücks funktioniert und wie schwierig es ist, wirklich ökologisch unbedenkliche Neos herzustellen.

 

Billy, du beschäftigst dich seit Jahren mit der Entwicklung von Wetsuits. Erklär doch bitte mal, was Neopren eigentlich ist!

Neopren gehört zur Familie der synthetischen Kautschuke. Für die meisten Wetsuits wird Neopren aus Petroleum oder Kalkstein benutzt. Der Grundstoff wird aus Polychloropren-Kautschuk-Chips hergestellt. Diese werden geschmolzen und zusammen mit schaumbildenden Stoffen in einem Ofen gebacken. Ein Neoprenanzug ist also aus geschäumtem Gummi, wie ein Schwamm. Dieses Gummi wird meist auf Polyester oder Nylon laminiert. Die einzelnen Stücke werden dann verklebt und/ oder vernäht, die Nähte wiederum abgedichtet, um Wassereintritt zu verhindern.

 

Petroleum oder Kalkstein - was ist die umweltverträglichere Wahl?

Verwendet man Kalkstein für die Neopren-Herstellung, hat man es zwar mit anderen, aber ähnlich gefährlichen Umweltbelastungen wie beim Petroleum zu tun. Wie Öl ist eine auch Kalkstein eine nicht nachwachsende Ressource, die aus der Erde gewonnen wird. Für die Förderung braucht man dieselbetriebene Anlagen, Kräne, Bagger und Lastwagen. Der gebrochene Kalkstein wird in einem Ofen bei extrem hohen Temperaturen in einem energieintensiven Prozess erwärmt – eine gigantische Ressourcen-Verschwendung. Der einzige Vorteil des Kalksteins ist, dass es durch den Transport nicht zu einer flächendeckenden Verschmutzung im Stile einer Ölkatastrophe kommen kann.

 

Die meisten großen Hersteller haben mittlerweile einen „grünen“ Neo in  ihrer Produktlinie. Was sind die Gemeinsamkeiten, was die Unterschiede?

Ganz generell gesagt: Es gibt keinen „grünen“, also ökologisch unbedenklichen Neoprenanzug. Und: Surfer belasten mit ihrem Hobby die Umwelt – ganz egal, wie viel Müll sie am Strand aufsammeln. Boards und Wetsuits bestehen aus ein paar der toxischsten Materialien, die wir kennen.

Zur Neopren-Herstellung benötigt man zum Beispiel Chlor. Polyester und Nylon-Gewebe werden aus Erdöl hergestellt. Die Kneepads sind häufig aus PVC. Und die verwendeten Klebstoffe enthalten gefährliche Lösungsmittel. Einige Firmen verwenden Bambus oder Mais für die Neopren-Herstellung. Das klingt toll – ist aber ebenfalls ökologisch bedenklich: Für die Verarbeitung von Bambusfasern benötigt man üble Lösungsmitteln, die die Luft und das Wasser belasten. Der Mais, aus dem die Polymilchsäure (PLA)-Faser produziert wird, stammt aus gentechnisch verändertem Saatgut. Gedüngt wird er mit Pestiziden, die über die Flüsse ins Meer gespült werden.

 

Wie sieht denn der Stand der Forschung im Moment aus? 

Den gliedert man am besten nach Material:

Neopren: Wir haben keinen befriedigenden Ersatz für Neopren gefunden. Daher muss es das Ziel sein, dieses Material so sparsam wie möglich einzusetzen. Weniger Gummi bedeutet weniger Erdöl / Kalkstein / Chlor – und natürlich eine größere Flexibilität.

Polyester: Wir müssen mehr Recycling-Polyester verwenden. Durch die Verwendung von recycelten Materialien reduzieren wir den Bedarf an Erdöl.

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PVC: Dieser Stoff enthält giftige Weichmacher und Zusätze. Man kann die Knee-Pads der Anzüge stattdessen auch aus sehr dichtem Nylongewebe herstellen. Beim Druck sollte man auf PVC-freie Farben achten.

Kleber: Noch immer ist kein Lösemittel-freier Kleber auf dem Markt, der stark genug wäre, hunderte von Sessions auszuhalten. Dies ist ein wichtiges Ziel unserer Forschung.

Qualität: Der wichtigste Punkt. Hält ein Wetsuit lang, wird weniger Abfall produziert. Bevor man ihn wegwirft, sollte man überlegen, ob eine Reparatur nicht ausreicht. Bei Patagonia nennen wir das die vier R’s: Reduce, Re-use, repair, recycle. Aus alten Neos kann man Bier-Kühler, Finnen-Schutz oder Liegematten herstellen.

 

Welche Neuerungen erwarten den Öko-bewussten Kunden in naher Zukunft?

Die Wörter „Öko“ oder „grün“ werden überstrapaziert. Meist dienen sie lediglich als Verkaufsargument. Man muss es realistisch sehen: Jede Firma produziert Abfall und Luftverschmutzung. Unser ganzes Wirtschaftssystem basiert auf diesem Prinzip. Es ist nun mal eine endliche Welt, aber kaum ein Ökonom wird das so deutlich sagen. Stattdessen heißt es: kauft! Doch wir müssen wegkommen von einem System, das ausschließlich auf Konsum basiert. Auch wenn das volkswirtschaftlich heikel ist – die Konsumenten müssen ihr Verhalten ändern und sparsam mit Ressourcen umgehen. Und das wäre dann wahres Öko-Bewusstsein.

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Patagonia Ambassador Dan Malloy auf Barreljagd in Cali. Foto: Kanoa Zimmerman