Nach der 'Zensur' der neu gestarteten 'Power Rankings' des Surf-Journalisten Lewis Samuels auf der ASP Webseite, muss sich das neue ASP Management schon vor dem Start der ersten WCT-Contest mit dem ersten Skandal auseinandersetzten. Doch wer ist eigentlich dieser Lewis Samuels? Bereits vor vier Jahren führte unser Redakteur Jens Steffenhagen ein Interview mit Lewis, der damals auch wegen seiner kontroversen Power-Ranking Texte auf surfline.com gefeuert wurde. Aus aktuellem Anlass veröffentlichen wir hier noch mal das Interview aus dem BLUE Yearbook 2010.


Ein Surfmag kauft man wegen der Bilder. Wen interessiert schon das Gestammel, das sich irgendein alkoholisierter Schreiberling in langen Nächten abringt? Niemanden. Es sei denn, der Autor heißt Lewis Samuels.
Samuels wurde in den letzten Jahren zum kontroversesten Surf-Journalisten seit Derek Hynd. Vor seinen „Power Rankings“ zitterten zahllose Pros, die großen Brands ärgerten sich über sein Mantra „The surf industry is not surfing“. Und sein Blog PostSurf.com wurde vom Publikum verehrt wie die Heilige Schrift. Wohl ein Grund dafür, dass Samuels ihn auf dem Höhepunkt des Ruhmes dichtmachte.
Wer hinter den wortgewaltigen, oft respektlosen, aber immer brillanten Kommentaren zum Zustand der Surfkultur steckte, blieb dabei lange ein Mysterium. Also haben wir mal nachgefragt.


Lewis, in deinem Epilog auf PostSurf schreibst du: „A writer does not write the truth about themselves.“ Also pack aus: Wer ist Lewis Samuels?
Ein Trottel mit einem Laptop und fragwürdigem Humor. Ich surfe viel, daher schreibe ich über die Surfkultur und ihre Schattenseiten. Aus unerklärlichen Gründen lesen die Leute den Kram – und nehmen ihn manchmal viel zu ernst.

Okay, anderer Ansatz: Ein Surfer ist nur so gut wie sein Quiver. Wie sieht deines aus?
In meiner Garage liegen mindestens 50 Boards herum, denn ich kann mich von Brettern einfach nicht trennen. Die Wellen werden hier oben in Nordkalifornien oft groß, daher habe ich viele Guns, von 7’0” bis zur 10-Fuß-Mavericks-Gun. Als Shortboard surfe ich ein 5’9” Rookie und an den kleinen Tagen einen Biolas Grocket Fish.

Berühmt wurdest du mit deinen Power Rankings auf Surfline.com. Aber du hast auch davor schon geschrieben, oder?
Notgedrungen. Mit Anfang zwanzig war ich pleite, aber heiß darauf, zu reisen. Ich stellte mich in den Resorts als Journalist vor, in der Hoffnung, umsonst dort wohnen zu dürfen. Falsch gedacht: Sie gewährten mir nur einen kleinen Rabatt. Und für den musste ich auch noch Artikel schreiben. Nach einigen Storys für Surfline habe ich dem Chefredakteur von der Idee erzählt, die World Tour zu begleiten und nach jedem Contest meine eigene Rangliste aufzustellen. In der Redaktion waren sie begeistert.

Die Begeisterung hielt nicht lange an: Im März 2009 wurdest du gefeuert.
Richtig, aber ich hatte meinen Abschied aus den Fängen des Surfmedien-Establishments schon beschlossen, bevor sie mich rausschmissen. Daher habe ich mir eine eigene Plattform geschaffen, PostSurf.com. Surfline hat gemerkt, dass sie mich nicht länger kontrollieren konnten.

Zum Rausschmiss führten ja angeblich zwei Artikel auf PostSurf. Zum einen hast du behauptet, Surfline „lecke seinen Werbekunden die Eier“, zum anderen den Boss von Billabong angegriffen, weil er mitten in der Rezession per Blog mit seinem Luxusurlaub prahlte.
Das stimmt. Ich habe geschrieben, dass es mir nicht zustehe, das schmierige Verhalten anderer Mags zu verurteilen, da ich ja für Surfline schreibe, die ebenfalls die Gesetze der Branche einhalten. Zur zweiten Story: Billabongs Vorstandsvorsitzender gab auf seiner Website damit an, „in einer Woche einhundert Tubes in Tavarua“ zu surfen, während im Zuge der Wirtschaftskrise Leute entlassen wurden und kleine Surfshops pleitegingen. Da habe ich laut nachgedacht, ob das wohl die richtige Zeit für so eine Aktion sei. Kurz darauf teilte man mir mit, dass nun ein anderer meine Rubrik übernimmt.

Aber warum hast du die Power Rankings nicht in einer anderen Publikation fortgesetzt?
Das habe ich anfangs auf PostSurf getan. Eine Runde erschien auch auf Stabmag.com. Stab hat mich immer unterstützt und mir freie Hand gelassen, aber nach dem Trestles-Contest konnte ich die ganze Pro-Szene nicht mehr sehen und bin lieber nach Irland gefahren.

Du bist ja ziemlich rumgekommen – was hältst du denn von Europa?
Der Surf in Irland war unglaublich. Dahin kehre ich immer wieder zurück. Von Deutschland kenne ich nur den Düsseldorfer Zoo, in der Nordsee war ich noch nie. Ich lebe aus gutem Grund in San Francisco, denn dort ist es europäischer als im Rest der USA. Und Europäern fühle ich mich in meiner Weltsicht generell näher als Amerikanern. America sucks!

Mit deiner Kolumne hast du dir viele Feinde gemacht, nicht jeder verstand deinen Humor. Gab es schmerzhafte Konsequenzen?
Einige hawaiianische Pros wollten mein Haus niederbrennen oder mir die Zähne einschlagen. Abgefahrenerweise labern die meisten Surfer nur. Gefährlicher ist da schon das Umfeld. 2008 in Mundaka war es wirklich brenzlig: Nachdem CJ gewonnen hatte, lud er mich in die lokale Bar ein. Alle hatten Spaß, nur Tajs Trainer, ein riesiger Bra Boy, voll tätowiert und natürlich Jiu-Jitsu-Champion, starrte mich an. Irgendwann zog er mich zur Seite und raunte, ich sei „respektlos“ und ihm missfalle der „sarkastische Unterton“ meiner Artikel. Er drohte, mich fertigzumachen, wenn ich zurück an den Tisch gehen sollte. Kurzum: Ich habe mich verpisst. Doch die Aussies hatten mich zugeparkt. Also ging ich wieder rein und bat Bede, wegzufahren. Der Bra Boy ist fast durchgedreht. Die Jungs mussten ihn festhalten! Ich hab mir fast in die Hose gemacht vor Lachen.

Dein Blog PostSurf wurde fast kultisch verehrt, einige Beiträge hatten über 500 Kommentare. Warum hast du das Ding dichtgemacht?
Im Frühjahr und Sommer sind die Wellen in Nordkalifornien ziemlich lahm. Da hatte ich Zeit, jeden Tag stundenlang zu schreiben. Aber als der nächste Herbst anklopfte, merkte ich, dass es wenig gute Gründe gab, an diesem eitlen Projekt festzuhalten. Das könnte sich jetzt ändern, wenn es wieder flat ist.

In deinen Texten findet man Verweise auf Nietzsche, Salinger oder Roth. Hast du nicht das Gefühl, Perlen vor die Säue zu werfen? Die US-Surfszene gilt nicht gerade als Hort der Intellektuellen.
Lieber überschätze ich die Intelligenz meiner Leser, als dass ich meine Beiträge zensiere. Der Chefredakteur gab mir den Rat, beim Schreiben immer einen Teenager im Sinn zu haben. Er meinte natürlich den typischen Orange-County-Neandertaler. Ich dachte aber eher an mich selbst: Mit 16 hörte ich Nirvana und Bob Dylan und grübelte tiefgründiger über meinen Platz in der Welt nach, als ich es heute tue. Wo wir gerade bei der Literatur sind: Spielst du mit deiner Formulierung etwa auf den Alternativ-Titel von Kurt Vonneguts Roman Godbless You Mr. Rosewater an, der ja eigentlich Perlen vor die Säue lauten sollte?

Na sicher, auch wenn das Zitat natürlich aus der Bibel stammt: Matthäus Kapitel 7, Vers 6. Andere Frage: Warum ist der größte Teil des heutigen Surfjournalismus so langweilig? Die US-Mags wirken ziemlich eintönig.
Weil die Medien von der Industrie kontrolliert werden. Es geht darum, Boardshorts zu verkaufen, nichts anderes. Das erstickt jegliche Kreativität.

Du kennst Kelly gut: Wohin führt sein Weg? Werden wir ihn eines Tages im Weißen Haus sehen?
Ich hoffe nicht. Er hat Pamela Anderson gebumst. Das spricht nicht gerade für seine Weisheit. Kelly und Dane wurden von ihrem Marketing als besonders individuelle Typen positioniert, daher denkt jeder, sie seien Intelligenzbestien.

In dieser Saison wird ja das One-Ranking-System eingeführt, das WQS und WT verschmilzt. Was traust du Marlon Lipke zu?
Marlon kann es schaffen, sich wieder für die Tour zu qualifizieren. Dort ist er aber nur Mittelmaß. Und wenn du einer unter vielen bist, hat es in erster Linie mit Glück und Selbstbewusstsein zu tun, wie weit du kommst.

Was hältst du von der Fins-Free-Generation? Fortschritt oder das Ende des Styles?
Surfen entwickelt sich einfach weiter. Schau dir mal die Videos aus den 80ern an: Die Boards sind ziemlich ähnlich und doch sehen die Moves aus der Zeit fürchterlich aus. Heute wird nicht nur radikaler, sondern auch stylischer gesurft. Die Behauptung, dass andere Generationen einen besseren Stil hatten, finde ich lächerlich. Außer Tom Curren und Gerry Lopez kann man sich kaum jemanden von früher angucken.

Was läuft falsch in der Surfszene?
Eigentlich alles. Bis du eine gute Welle erwischst. Dann bist du so allein und glücklich wie der erste Surfer auf der Welt.

Localism?
Eine barbarische, doch leider oft notwendige Sünde.

Gibt es Hoffnung für die Zukunft?
Klar. Vielleicht wird Surfen wieder unpopulär, so wie Rollerblading. Die Massen vergessen es und ziehen weiter zum nächsten Trend. Oder ein durchgeknallter Wissenschaftler setzt einen Virus in die Welt, der Frauen nach dem ersten Kind sterilisiert. Hätte jeder nur ein Kind, würden die meisten globalen Probleme innerhalb von einer Generation verschwinden.

Manche Leute sehen im Contest-Surfen die Wurzel allen Übels.
Das stimmt! Die Wurzel allen Übels ... Das müssen die Deutschen in die Welt gesetzt haben ... Gäbe es kein Contest-Surfen, hätte sich Adolf nicht von einem sensiblen österreichischen Künstler in das Monster verwandelt, das er war. Ohne Contest-Surfen hätte aus ihm der österreichische Alex Knost werden können. Bullshit! In jedem Sport wollen sich die Menschen miteinander messen. Und Surfen ist nun mal in erster Linie Sport.

Auch. Aber welche Bedeutung hat Surfen noch im Leben?
Da kann ich nur für mich sprechen: eine große Bedeutung. Barrels halten mein Interesse am Leben aufrecht. Doch eigentlich ist Surfen nicht wichtiger als andere Beschäftigungen. Es ist einfach cool, etwas mit Leidenschaft zu betreiben – völlig egal, ob Wellenreiten, Weinanbau, Malen oder Schafehüten.

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ÜBRIGENS: die aktuell von der ASP-Webseite gelöschten Power Rankings von Lewis gibt es natürlich immer noch im Netzt - wie heißt es so schön: das Internett vergisst nicht! Here you go:

daynolds.blogspot.de

Lewsi-Samuels-Interview

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Lewis Samuels, der Bursche kann offensichtlich auch handfeste Kritik einstecken.