Al Mack Mockup


„Irgendwann fand auch der Mensch seinen Weg zurück zum Meer. Als er an seinen Ufern stand, musste ihn die große Weite mit Erstaunen und Neugierde erfüllt und mit einer unbewussten Anerkennung seiner Abstammung verbunden haben.
In seiner menschlichen Form konnte er die Ozeane physisch nicht wieder betreten, so wie die Robben und Wale es getan hatten. Doch im Laufe der Jahrhunderte gelang es ihm dank all dem Geschick, dem Einfallsreichtum und der kraft-vollen Argumentation seines Verstandes, auch die mysteriösesten Teile der Meere zu erforschen und wieder zu betreten.“ Zitat von Rachel Carson

 

Dieser Artikel erschien im Yearbook 2019. Gedruckt liest es sich immer noch am besten. Zu den Yearbooks geht es Hier.


 

ALLES BEGANN MIT MEINEM VATER und zu einem gewissen Grad auch mit meiner Großmutter. Mein Vater machte mich mit den kleinen und großen Wundern des Meeres und denen der Küste vertraut. Und er schärfte mein Bewusstsein für die Umwelt mit dem Ziel, sie niemals unnötig zu belasten. Er brachte mir das Bodysurfen in Jersey (Kanalinseln) bei und machte mich auf die Feinheiten der Natur und ihre fortwährenden Veränderungen aufmerksam, die man nur bemerken kann, wenn man sie genau beobachtet. Er lehrte mich, die Gezeiten zu respektieren, die dort sehr beeindruckend sein können und mit bis zu 12 Metern an den größten Tagen jedes Jahr für Todesfälle bei den Unachtsamen sorgen. Als junger Bursche las ich auch sehr gerne Jacques-Cousteau-Bücher, die ich im Haus meiner Großmutter fand. Früher war sie das älteste Mitglied des Bondi-Surfclubs und schwamm an den meisten Tagen ein paar Züge im Meer bis zu ihrem Tod. Sie liebte das Wasser.

Die Abstammung der Mackinnons auf väterlicher Seite ist schottisch/ britisch und auch australisch; da ist auf jeden Fall ein bisschen Sträflingsblut dabei! Mein Vater ist Kunsthändler. So wuchs ich zwischen den Kanalinseln und dem Festland auf und war immer von viel Kunst umgeben, Gemälden und so weiter. Tatsächlich war Zeichnen mein Ding, dabei habe ich mich wirklich auf das Handwerk als solches konzentriert. Mit 16 bekam ich ein Angebot für das Studium an einer Kunsthochschule, aber ich hatte genug vom Lernen. Ich wusste, dass ich zu diesem Zeitpunkt von keiner weiteren Ausbildung profitieren würde. Ich habe mich eine Weile gehenlassen und mich mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen. Irgendwann merkte ich jedoch, dass das nicht genug für mich war, und somit kehrte ich zu meiner ersten Liebe zurück: dem Meer und genauer gesagt dem Surfen.

Al Mack Dan Ross

DAN, ORKNEY FISHEYE - Dan Ross tief im Kristallkaleidoskop an einem der schönsten Tage, die ich beim Surfen und Fotografieren je erlebt habe. Nicht nur die Wellen waren unglaub-lich, auch die Gesellschaft war außergewöhnlich gut und das Licht des Morgengrauens einzigartig. Diese abgelegene und unglaublich launische flache Terrasse erreicht man nur, wenn man 30 Minuten unter den Klippen entlang paddelt. Und wenn etwas schief geht, sind die Folgen verheerend. Wir waren nur zu zweit, ohne Unterstützung, aber wir hatten Glück und alles lief reibungslos.

 

SCHOTTLAND

Auf einem meiner Surftrips habe ich ein paar Inseln vor Schottland für mich entdeckt. Zu der Zeit lebte ich in Cornwall im Südwesten Großbritanniens – wo es offensichtlich eine große Surfszene gibt –, aber ich bin in Schottland auf Wellen gestoßen, die besser waren als alles, was es in Cornwall gab. Dazu kam, dass ich nahezu alleine im Line-up war. Um diese speziellen Momente irgendwie zu verewigen, schien Fotografieren eine gute Idee zu sein.

Al Mack Mysto Left

MYSTO LEFT - Eine mit Puderzucker bestäubte Landschaft und eine mächtige, leere Linkswelle, die aus dem größten Swell hervorging, der hier in den letzten zehn Jahren auf die Küste traf. Ein Foto, das mit viel Aufwand verbunden war, weshalb es zu meinen Favoriten gehört, natürlich auch wegen seiner Ästhetik.

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Es gab ein Surfmagazin namens The Surfer’s Path (TSP), das ich seit meiner Schulzeit gerne las. Man konnte seine eigenen Fotos für die „Readers Waves“-Seiten einschicken und ein kostenloses Abonnement dafür bekommen. Also habe ich ein paar Fotos aus Schottland eingesandt. TSP hat eines der Bilder veröffentlicht, und ich habe das Abonnement erhalten. Ein Jahr später, als es abgelaufen war, reichte ich einen weiteren Stapel Bilder ein. Zu meiner Überraschung haben sie noch ein Bild gedruckt, so dass ich ein weiteres kostenloses Abonnement bekam. Es verging noch ein Jahr, und ich nahm mir vor, es noch einmal zu versuchen, und als es ein drittes Mal klappte, dachte ich: „Vielleicht ist das was Ernsteres für mich …“. Zu diesem Zeitpunkt war ich wieder in der Schule und studierte Fotografie. Ich war total fasziniert von Schwarz-Weiß-Aufnahmen und konzentrierte mich fast aus- schließlich auf Schwarz-Weiß-Surfshots. Außerdem experimentierte ich ein bisschen mit Dia-Film. Es hatte etwas Magisches, die Details der Aufnahmen in der Transparenz auf einer Lichtbox zu studieren. Aber ich habe die Dunkelkammer immer geliebt, und in manchen Phasen meines Lebens habe ich mich buchstäblich darin verloren.

Die schottische Küstenlandschaft ist ergreifend, und meine Erfahrungen dort waren immer wunderschön und irgendwie anders als erwartet. Es ist nicht so, dass ich gerne friere oder gar einen Fetisch dafür hätte. Ich freue mich also nicht über die Kälte an sich, aber über die Tatsache, dass sie die Leute fernhält. Außerdem waren die Wellen wirklich unglaublich. Dank meiner Familie hatte ich immer eine Affinität zu Schottland. Es wird dort auch eine Art Kameradschaft gelebt, die mir gefällt. Ich kann mir vorstellen, dass es damals an der North Shore in Hawaii so ähnlich gewesen sein muss, als nur ein paar Surfer etwas zusammen erlebten, was einem goldenen Zeitalter gleichkam, und das nur sie verstanden.

Al Mack Vw

VOLKSWAGEN SYNCRO - Ich wünschte, ich hätte damals mehr Fotos von meinem 88er-Syncro gemacht. Ja, mit seinem Allradantrieb mochte er den Schnee. Seine vorderen und hinteren Differentialsperren machten ihn zu einem beeindrucken-den Winter-Surf-Van. Zwar ohne Heizung, aber die Wärme vom Gasherd beim Kochen tat es auch! Dies war ein ruhiger Morgen. Der Schnee wirkte wie ein Schallschutz, der den Klang der keilförmigen Wellen unterdrückte. Ein Hirte, der an diesem Morgen seine Schafsherde kontrollieren wollte, war erstaunt darüber, mich und meinen Bulli auf diesem steilen Pfad zu sehen. Doch der Syncro schaffte den Weg nach oben ohne Probleme.

 

Es war alles ziemlich freundlich und vertraut in Schottland. Du fährst den Kam Highway entlang und kennst den Kerl, der vorbeigeht ... Und wenn jemand in den Line-up paddelte, den keiner kannte, war das irgendwie cool. Wenn du mit jemandem gesurft bist, warst du auch mit ihm befreundet. Und Anfang 2000 gab es nicht mehr viele Orte mit guten Wellen auf der Welt, wo das noch möglich war. Heutzutage sind außerdem die Neoprenanzüge so viel besser geworden. Es ist unglaublich, was da in den letzten zehn Jahren passiert ist. Und dadurch wurde es auch irgendwie cool, in den kälteren Regionen der Erde zu surfen. Die schönen Bilder von den unberührten Landschaften werden für Marketingzwecke eingesetzt, doch auf mich wirken die inszenierten Szenen, in denen Typen über Eisberge laufen, aufgesetzt, erfunden und wie eine Formel dafür, wie man sich Surfen im Norden vorstellt. Aber besser du fragst mich nicht danach, denn ich bin aus genau dieser Branche.

Al Mac Corcodile

SÜSSWASSERKROKODIL IN NORDWESTAUSTRALIEN - Bei Nacht kommen die Krokodile aus ihrer Tagesdeckung heraus, um völlig bewegungslos im Wasser zu schweben (sie ähneln dabei Baumstämmen). Wenn ahnungslose Fische vorbeizie-hen, werden sie blitzschnell verschlun-gen. Dieser prähistorische Jäger lag unter der herrlichen Milchstraße auf der Lauer. Da ich ein Weitwinkelobjektiv benötigte, entschied ich mich für die Canon 14mm f2.8 II auf dem Vollbild 1D X. Das unglaublich breite Sichtfeld verlangte Nähe, damit der „Freshie“ eine anständige Größe im Bild einnahm. Ich hatte fast das Gefühl, seine Nase zu berühren, und machte mir Sorgen, ihn zu verscheuchen.

 

Das Wasser hat normalerweise nur 4 bis 6 Grad Celsius, und wenn sich die Riffe Großbritanniens von ihrer besten Seite zeigen, wäre es keine Übertreibung zu behaupten, dass diese Wellen sich mit den Besten des Planeten messen können. 2002 war ich noch ein Grom, aber ich hatte eine Saison bei Thurso East erlebt, die mein Leben veränderte. Ich habe dort mehr Zeit in der Barrel verbracht als anderswo. Es ist eine wunderbare, sehr besondere Welle.

Al Camping

KEINE MENSCHENMENGEN, KEIN DRUCK, KEINE HEKTIK
Surf-Campingplätze könnten nicht viel „cooler“ sein als dieser hier. Streng genommen ist es keiner, aber solange Reisende die Umgebung respektieren, freuen sich die Locals über den Besuch. Abwechselnd das Feuer durch die Nacht schüren, morgens aus dem Schlafsack rollen, in den feuchten Wetsuit schlüpfen und die hundert Meter bis zur Welle laufen – so macht es eine Handvoll sachkundiger Surfer seit Jahren. Hier rollt ein leeres Set heran, Rauch steigt aus dem Holzofen im schwedischen Armeezelt auf und frisch aus seinem Schlafsack geschlüpft taucht Gregor Matthews in Longjohns und Gummistiefeln auf – im ersten Licht, das die frostigen Dünen berührt.


FAKE IT TILL YOU MAKE IT

2006 sponserte O’Neill den ersten Six Star WQS Contest bei Thurso East. Der Eventleiter von O‘Neill war über eine meiner alten Aufnahmen von Thurso East gestolpert und fand sie so toll, dass er sie für die Event-Werbung und als Poster nutzen wollte. Außerdem suchte O’Neill jemanden, der den Event fotografieren konnte, die Gegend kannte und dem es nichts ausmachte, acht Stunden am Tag im schottischen Wasser herumzuschwimmen. Im Nachhinein erinnere ich mich an ein wirklich witziges Gespräch mit O’Neill, als sie fragten: „Die Bilder werden jeden Tag ins Internet hochgeladen, du hast doch eine Digitalkamera, oder?“ Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch nie eine Digitalkamera in der Hand gehabt, also habe ich mein ganzes Equipment verkauft, einschließlich meiner Hasselblad-X-Pan (das bedauere ich bis heute), um das Geld für eine Digitalkamera zusammenzukratzen. Es war die klassische „Fake it till you make it“- Situation, und ich erinnere mich, dass ein anderer älterer, viel etablierterer Fotograf mich mit meinem Belichtungsmesser auslachte und darauf hinwies, dass in der Kamera ein Histogramm eingebaut war, ha ha!

Ich gehöre nicht zu diesen „Death before Digital“-Jungs, und bei der Arbeit, die ich jetzt mache, verwende ich hauptsächlich meine Digitalkamera. Ich fotografiere von Zeit zu Zeit noch analog, aber es ist irgendwie verrückt, wenn man bedenkt, wie viel Zeit und Geld das in Anspruch nimmt und wie aufwendig es ist, das wirklich zu beherrschen.

Doch auch die Digital- fotografie hat ihre Herausforderungen. Es ist auch nicht so, dass ich die Zeit, die ich in das Fotografieren mit Film investiert habe, heute bereue. Viele der Fähigkeiten lassen sich gut übertragen.

Ich höre oft von Redakteuren, dass sie gerne mit mir zusammenarbeiten, weil ich in der Regel zwischen 20 und 100 Bilder schicke, wenn ich einen Beitrag einreiche. Bei den meisten anderen Fotografen sind es eher zwischen 300 und 600, und die Fotoredakteure müssen die vielen Sequenzen mit hoher Bildanzahl durchsehen. Weil man nicht für jedes Bild bezahlen muss, passiert es schnell, sehr viele Bilder zu produzieren, die nur minimale Unterschiede aufweisen. Und dann hat man die klassische Situation, in der man sich laufend fragen muss: „Oh, ist das vielleicht etwas besser?“. Es ist schwierig, da einen klaren Blick zu behalten. Ich möchte die Fotoredakteure nicht mit zu vielen Bildern belasten. Ich weiß, wenn ich in ihrer Position wäre, hätte ich keine Zeit dafür. Und da ich als Urheber die Geschichte besser kenne als jeder andere, denn ich war schließlich dabei, suche ich einfach die besten Bilder raus und verschwende nicht ihre Zeit.

Al Mack Bryce

BRYCE YOUNG - Bryce Young und ich haben uns in seiner Heimat Angourie Ende 2017 kennengelernt. Durch unsere fanatische Einstellung zum Surfen waren wir sofort auf einer Wellenlänge. Aufgrund von Bryces schwer fassbaren Natur und seiner klaren Abgrenzung zur Corporate-Surfbranche wusste ich wenig über seine außerirdischen Fähigkeiten auf Boards aller Art. Kein Zweifel, er ist einer der talentiertesten und ästhetisch ansprechendsten Surfer seiner Generation. Es ist fast schade, dass nicht mehr Menschen die Chance haben, sich an seinen spontanen Lines zu erfreuen. Leute, die dieses Bild gesehen haben – unter ihnen auch Joel Tudor –, dachten, es sei sein Vater, der große Nat Young.

 

Ein Foto ist für mich eine Momentaufnahme, ich sehe auch nicht wirklich den Sinn darin, in Sequenzen zu fotografieren, dann kann man auch gleich ein Video drehen. Das mag vielleicht ein bisschen weit hergeholt klingen, aber das ist fast wie Porno.

Denn bei Sequenzen sieht man absolut alles, während bei einem einzigen Shot noch viel der Vorstellungskraft des Betrachters überlassen bleibt. So als wäre der Körper noch zum Teil verhüllt. Ich sage nicht, dass ich niemals Sequenzen fotografiere. Wenn das Hobby zum Job wird und man erst einmal ein professioneller Fotograf ist, dann macht man Kompromisse. Ich komponiere natürlich immer noch Bilder, wie ich es im Moment der Aufnahme als angemessen empfinde, aber es gibt Situationen, in denen kommerzielles Kalkül in die Berechnung mit einfließen muss. „Wie kann das Foto am besten in Form einer Anzeige oder als Cover oder auf einer Doppelseite dargestellt werden? Gibt es einen Ort, an dem Text eingefügt werden kann?“ Diese Überlegungen spielen eine Rolle. Dann gibt es aber auch die Momente, in denen man denkt: „Dies ist eine so große Sache, dass ich es mir nicht leisten kann, einen Sekundenbruchteil zu verpassen.“ Ich habe das große Glück, mit einigen der besten Surfer der Welt zusammenzuarbeiten. Manchmal muss ich mich zwicken, um das zu glauben. Und manchmal frage ich mich, wie zum Teufel ein einfacher Junge aus Großbritannien hier gelandet ist! Es war nie wirklich beabsichtigt, es gab keinen Businessplan oder eine klare Intention, ich habe einfach an-gefangen, meine Leidenschaft zu dokumentieren und traf dabei den Stil von Magazinen wie The Surfer‘s Journal und Marken wie Patagonia, die mich verstanden. So nahm alles seinen Lauf.

Al Mack Dogs
RESERVOIR DOGS, ISLAND - Diese Szene habe ich während eines Patagonia-Wetsuit-Tests in Island aufgenommen, und ich finde, sie hat etwas Komisches. Es regnet, es mangelt an Licht und Farbe. Es ist schwierig zu sagen, was mich hier zum Lächeln bringt, aber es ist zweifellos eine typische nordatlantische/nordeuropäische Szene – weit weg vom Glamour, den Palmen und den gebräunten Körpern von Hawaii oder Queensland!

 

Fotografie ist für mich immer noch eine Leidenschaft. Ich liebe sie, obwohl sie zu einem Job geworden ist und unterschiedliche Herausforderungen mit Recherchen über Bathymetrie und dem Wetter – und ich muss dafür sorgen, dass auf den vielen Reisen alles reibungslos verläuft. Ich gebe zu, dass ich mich ziemlich schnell langweile. Ich kann mich konzentrieren, aber es muss spannend bleiben, und ich mache Bilder von allem, was ich für interessant halte. Meine Arbeit ist keine reine Action-Fotografie, sondern spiegelt den Pfad wieder, den ich als Surfer eingeschlagen habe. Eine Mischung aus Surf-Chronist, Wellenjäger und natürlich auch Surf-Action-Fotograf. Ich bin aber eher für langsameres, achtsames Reisen und einen Journalismus, der sich die Zeit nimmt zu reifen. Wenn ich die Fotografien anderer Leute betrachte, habe ich mich immer zuerst für Line-up-Aufnahmen interessiert, dann für gute Tubes, dann für phänomenale Turns und schließlich für andere Manöver oder Aerials. Wenn ich Surfer auf Reisen mitnehme, suche ich idealerweise die guten Wellen, die nur Tubes produzieren und auf denen für andere Manöver gar kein Platz ist! Ha ha!

 

 

Dieser Artikel erschien im Yearbook 2019. Gedruckt liest es sich immer noch am besten. Zu den Yearbooks geht es HIER.


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Credits 

Al Mackinnon