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Dies ist die Geschichte einer Reise zum zweitlängsten Lefthander der Welt, auch bekannt als Paradies. Wir wollten einfach mal tracken, was da so geht. Die Kurzfassung: Das Paradies liegt verdammt abgelegen. Die volle Story über Pavones, lässt das aber vergessen.

Pavones ist eine Welle, die Charakter, Leidensfähigkeit und Hingabe erfordert. Sie ist genauso schnell, wie sie abgelegen ist und ihre Mechanik genauso beeindruckend wie eine perfekt kalibrierte Maschine. Der Traum eines jeden Goofy-Footers, der ultimative Härtetest für Regulars, doch mit Sicherheit eine Destination, die dein Reisefieber weckt!
Aber wie kommt man hierher? Was verbirgt sich hinter dieser Welle? Und wie surft man sie? Wir, eine Gruppe von vier Surfern, haben beschlossen dies auf eigene Faust herauszufinden. Teils zum Wohle deiner Bequemlichkeit, vielleicht auch, um eine gute Geschichte zu erzählen. Doch vor allem, weil jeder Surfer davon träumt das Paradies zu finden.

Eine Erfahrung die eigentlich nur für „in Erinnerung schwelgende 60+ Surfer“ reserviert ist, die dir weismachen wollen, dass sie Südafrika, Indonesien und die North Shore entdeckt haben. Gut, Pavones ist nicht unentdeckt. Doch auf dem Weg dorthin wirst du dich sicher fragen, ob du vielleicht der erste Mensch bist der so weit in den Dschungel hinausfährt um diese Welle zu surfen.

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Pavones - ein Synonym für "abgelegen".


Finding Paradise

Wenn man Pavones beschreiben möchte, ist es verdammt schwierig einen Anfang zu finden. Aus welcher Perspektive du das Paradies schilderst, hängt ganz davon ab, welchen Eindruck du hinterlassen möchtest. Denn dies ist ein Ort voller Geheimnisse, Mythen und Historie.
Du könntest dich für den Blickwinkel des True Crimes entscheiden und erzählen, dass es diesen Ort ohne einen amerikanischen Drogenbaron nicht gäbe. Zu düster? Dann entscheide dich für die exotische Indiana-Jones-mit-Surfbrett Variante. Zu klischeehaft? Dann wirst du das Folgende hassen, das der Wahrheit so nahe kommt, wie es nur geht: Der zweitlängste Lefthander der Welt. Für Marlon Lipke, Reiseleiter, Goofyfooter und Carving-Guru, war das ein Klischee, von dem er schon lange träumte.

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Von San José aus mit dem Flieger immer in den Süden. Zumindest wenn kein Board im Quiver größer als 6’7 ist.


Let's take it from the top, literally.

Der sagenhafte Lefthander hätte genauso gut gar nicht entdeckt werden können. Im Jahr 1974 flog ein amerikanischer Kurier getrocknete Pflanzen, die dich lustig reden und wie einen Idioten surfen lassen, über die üppigen und einsamen Strände von Costa Rica. Da er sowohl Amerikaner als auch Cannabis-Schmuggler war, ist es nicht verwunderlich, dass er dabei genauso viel Spaß an der Sache hatte wie jeder andere Drogenboss auch.

Als er über das Nichts flog, das innerhalb weniger Jahre zu einer Surfcity werden sollte, konnte er seine Augen nicht trauen. Unendliche Perfektion in Form von glassy , blitzschnellen Lefts. Ein Point Break voller Speed, Power und extremer Länge. Das Ding war eine Maschine und unser geliebter Schmuggler war fest entschlossen sie aufzuspüren und bis zum Umfallen zu surfen.

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Marlon mit seinem Signatue-Hack.

Aber wir sind nicht hier, um dir von der Entdeckung dieses Ortes zu erzählen. Das hat schon jemand anderes getan. Das Buch mit dem Titel "The Battle for Paradise", erzählt die Geschichte des Mannes, der das Paradies entdeckte, das gesamte Land rund um den Break kaufte, um es so zu erhalten wie es war und vor der Invasion des Surftourismus zu schützen.
Eigentlich sollten wir mit unserer Geschichte weitermachen, doch die Abfolge der Ereignisse ist einfach zu faszinierend, um sie auszulassen. Deshalb hier mehr: Der Drogenbaron ahnte nicht, dass er später für 18 Jahre inhaftiert werden würde, nur um zu sehen, wie ihm sein Land von Landbesetzern weggenommen wurde, und dass der Ort in eine gelinde gesagt interessante Spirale von Ereignissen geraten würde.

Gerüchte besagen, dass der Amerikaner aus dem Gefängnis entlassen wurde. Sobald die Landesregierung ihn wieder einreisen lässt, wird er zurückkommen, um sein rechtmäßiges Land einzufordern. Manche sagen sogar, dass er sich schon mehrmals ins Land geschlichen hat, während andere Stimmen sagen, dass die Einheimischen die Regierung bestochen haben, um ihn von seinem Land, das inzwischen vollständig von Landbesetzern besiedelt ist, fernzuhalten.

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Aber, wie gesagt, es gibt ein Buch darüber. Der Titel „The Battle for Paradise“ ist für jeden, der die Reise dorthin überlebt hat, ein verdammter Witz. Als persönlicher Überlebender und bescheidener kreativer Denker würde ich dem Autor vorschlagen, den Titel zu ändern. Zum Beispiel „Der Kampf um das abgelegenste Paradies der Welt mit Schlangen, Stromausfällen und epischen Wellen" - aus eigener Erfahrung halte ich diesen für zutreffender. Aber ich will hier keine Ratschläge geben. Ich möchte dir von Pavones erzählen, einer unzugänglichen Oase, die vom Team America aufgespürt und von den wenigen Nationen gesurft wird, die die Ausdauer und die Cojones haben, hierher zu kommen. Wir haben es als Team Europa besucht. Ehrensache.

 

Es gibt zwei Möglichkeiten, sich ins Paradies zu schleppen. Von der Hauptstadt Costa Ricas aus kann man entweder die Straße nehmen oder man spielt auf Risiko und fliegt mit einem Cessna-Flugzeug über den Dschungel nach Golfito, das etwa zwei Autostunden von Pavones entfernt liegt. Fliegen ist toll. "Fahren" nicht das richtige Wort. Denn normalerweise spricht man von einer Straße, wenn es sich um einen markierten Weg handelt, auf dem man sich einigermaßen gut fortbewegen kann. Sprich: es ist nicht ganz richtig, den Weg nach Pavones als eine Straße zu bezeichnen.

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So sieht einer verdammt gut ausgebaute Straße Richtung Pavones aus.

Aber hey - Straßen sind langweilig und epische Erlebnisse erfordern oft enorme Anstrengungen. Und genau das erwartet dich beim Hindernislauf zur zweitlängsten Linken der Welt. Mit haufenweise Herausforderungen kannst du dir sicher sein, dass deine Reise hierher nicht ohne einige überwältigende Ereignisse ablaufen wird. Beispiele? Wir haben jede Menge.

Die Zufahrt über einen Schweizer Käse ist eine relativ einfache und immer wiederkehrende Herausforderung. Wenn jeder schlafende Passagier regelmäßig mit dem Kopf gegen alle Gegenstände im Umkreis von einem Meter stößt, ist man auf dem Weg nach Pavones. Ein ernsthafteres Hindernis sind die Brücken, insbesondere eine davon. Sie wird im Volksmund als "Puente de monjas" bezeichnet, was übersetzt "Brücke der Nonnen“ bedeutet und nach einem tödlichen Unfall getauft wurde. Expats nennen sie jedoch die „German Bridge", was sich auf ein Auto voller Deutscher bezieht, die offenbar mehr daran interessiert waren, Krokodile zu sehen, als alle vier Räder auf der Straße zu halten. Und Abgang.

Warte, Krokodile?
Yep, die gibts da auch noch. Costa Rica ist das Land mit der höchsten Krokodil Dichte der Welt.

Unerwartet?
Irgendwie schon.

Wo findet man sie am häufigsten?
In Flussmündungen, wie der, die den Ort Pavones in zwei Seiten teilt.

Moment mal, gibt es in Pavones Krokodile?
Nein, dort gibt es nur die zweitlängste Linke der Welt. Und Schlangen. Und Affen. Und Pumas, das ist das Tier, das die Einheimischen von den Flüssen fernhält, da sie Angst haben, von ihnen angesprungen zu werden.

 

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Pavones ist wild. Wilder als die meisten anderen Orte. Hier ist die Natur groß, und der Mensch klein. Die Welle ist schnell, und du bist langsam. Und wenn du hier auf einem schmalen Strandstreifen stehst, eingezwängt zwischen einem flüssigen Racetrack, der dich in einer unkonzentrierten Sekunde gegen die Felsen prallen lässt, und einem Dschungel, der dich bis auf die Knochen auffrisst und deinen Kadaver den Geiern überlässt, bekommt das Wort zerbrechlich eine neue Bedeutung.

Machen wir dir Angst?
Gut, dann bleibst du wach.

Übertreiben wir?
Ja, natürlich! Geier würden deinen Kadaver nie fressen. Die Krokodile schlucken dich im Ganzen.

Spaß beiseite: In Pavones gibt es zwar keine Krokodile, aber in den angrenzenden Gebieten gibt es sie haufenweise. Es wird aktiv dafür gesorgt, dass die Dinosaurier, wenn sie auf dem Weg zur Welle in der Flussmündung landen, gestoppt werden. Allerdings nicht auf die Crocodile Dundee-Art mit einem großen Messer und ein paar Kugeln. Sie bringen das Tier schlichtweg in einen anderen Teil des Waldes, ohne ihm Schaden zuzufügen.

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Marlon, into the wild…

Good on ya, society!

Apropos Society: Wir müssen uns noch mit der Vielfalt der Menschen beschäftigen, die hier leben. Besucher, Einheimische und Ausländer die sich hier niedergelassen haben scheinen an diesem Ort alle miteinander zu verschmelzen. Das ist ziemlich einzigartig. An Surfdestinationen ist es oft ziemlich einfach zu sagen, wer von wo kommt. Aber hier in Pavones ist es fast unmöglich zu sagen, wer einheimisch ist und wer hier nicht wohnt. Alle sprechen Spanisch, alle grüßen sich gegenseitig und alle trinken ein Bier bei Sonnenuntergang am Strand. Ein Brauch, der zu begrüßen ist.

"Welcome to Pavones, the portal to insanity!“

Expat, mit Costa Ricas fettestem Joint in der linken Hand

Irgendwie scheint die Einsamkeit im Paradies die Locals und uns einander näher zu bringen. Vielleicht ist es die Kraft der Natur und das Wissen, dass wir hier draußen aufeinander angewiesen sind, oder vielleicht ist es auch nur Zufall. Aber der Kontakt ist echt. Die Gespräche sind nicht das übliche Touristengeschwätz, das man an den meisten anderen Orten hört. "First time Indonesia ye?" ist nicht der Stil, der hier ankommt.

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Stattdessen begrüßt uns der israelische Ex-Architekt, der jetzt eine Herberge leitet, mit einem weitaus solideren Spruch. "Welcome to Pavones, the portal to insanity!", sagt er.

Das war allerdings nicht unser erster Eindruck. Minuten zuvor, als wir in den Ort Pavones einfuhren, sagte unser Fahrer, der uns den ganzen Weg von San José, von dem wir übrigens annahmen, dass er nur etwa vier Stunden dauern würde, mitgenommen hatte, mit dunkler, tiefer Stimme: "Well, this is pretty f*ckng remote you guys."

Nachdem er die schmalen Pfade zu unserer Unterkunft hinaufgerutscht war, gab er uns einen unsicheren Händedruck und machte sich auf den Weg zurück in die Stadt, während der Regen vom Nachthimmel herunterprasselte.


Der Hindernislauf dauerte übrigens neun Stunden…

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Und wenn das schon herausfordernd klingt, dann fangen wir erst gar nicht mit der Welle an! Hier gehts erstmal um die Jungle Vibes von Pavones. Für die Welle selbst haben wir Teil 2 DOWN THE LINE reserviert. Die Story dazu findest du hier.


Jungle Tracks – So kommst du nach Pavones

Tracking Pavones Teil01 12Die gesamte Wegdistanz beträgt 6.3 km und ist mit dem Auto auf Schlaglochpiste in circa 25 min zu machen.

FACTS:

* Die beste Reisezeit ist zwischen April und September , wenn die Wellen beständig sind. Die Regenzeit, die im August beginnt, bringt viel Regen mit sich, aber Nichts, womit du nicht zurecht kommst.

* Wenn du keine Lust hast, von San José aus mit dem Auto zu fahren, kannst du es auch mit Sansa Air nach Golfito versuchen. Die Preise sind in Ordnung, die Boards müssen separat mit 30 Dollar pro Stück bezahlt werden. Sei dir bewusst, dass Sansa keine Boards befördern kann, die länger als 6'7 sind! Von Golfitio nach Pavones bringt die Andrey Taxi für circa 80,- bis 90,- Dollar.

* Nimm Dollar oder besser Colones in bar und eine Kreditkarte mit - das ist die einzige Möglichkeit, in Pavones zu bezahlen. In den Supermärkten kannst du nur mit Kreditkarte Bargeld abheben und für alle Zahlungen brauchst du deine PIN. Also nicht vergessen. Nimm viel Geld mit. Der Spaß geht ins Geld da unten.

* Surfshops und Ding-Repair sind begrenzt. Ein Laden vor dem Point bietet eine Grundausstattung wie Pads, gebrauchte Boards und teures Wachs. Der beste Tipp ist, so viel Ausrüstung mitzunehmen, wie du tragen kannst.

* Low Tide ist schnell, hohl und flach. Das ist was für Profis, aber der Durchschnittsbürger wird es schwer haben, hier durchzukommen. Wenn du eher auf sanfte Wellen stehst, solltest du bei Flut von The Wall bis hinunter nach Baby Doll surfen, wo du fette und kraftvolle Wellen mit einer langen Schulter findest. Mehr dazu dann kommende Woche in Tracking Pavones Teil 2 - Down the Line.

* Die Regenzeit und die Flussmündungen sind göttlich, wenn du Backwash magst, aber verheerend für deine Ohren. Nimm Ohrstöpsel und Ohrentropfen mit. Wasserstoffperoxid kannst du im örtlichen Laden kaufen, eine bewährte Methode der Einheimischen, um den Bakterien zu widerstehen, die vom Dschungel heruntergespült werden.

* Das Netz ist im Allgemeinen bescheiden, aber direkt vor dem Point gibt es öffentliches W-LAN, das schneller ist, als man erwartet.

* Die Übernachtungspreise variieren je nach Wellengang. Wenn ein guter Swell naht, steigen die Preise in die Höhe. Ein heißer Tipp ist, vor dem Swell anzukommen und einen langfristigen Festpreis auszuhandeln.

* Sogar dein Basecoat wird durch den Flusssand ruiniert werden. Nimm dreimal so viel Wax mit wie sonst. Oder ersetze es durch Schmirgelpapier, wenn du wirklich die ganze Session mit Grip surfen willst.  

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Die Crew

Tracking Pavones Crew
Marlon Lipke

Marlon ist ein Veteran der europäischen Surfszene und als ehemaliger WSL Contender mit deutschen Wurzeln ein Vorbild für eine ganze Generation an Shortboardern. Stand 2021 ist Marlon als Freesurfer unterwegs um für seine Sponsoren Bilder zu sammeln und Produkte zu entwickeln. Nach Pavones zog es Ihn, um Daten für seinen Ausrüster Garmin zu sammeln und die Funktionen seiner Instinct® Solar Surf auf Herz und Nieren zu testen. Die ultraschnellen Walls der Welle von Pavones kamen dem Goofy Foot dabei genau recht. Genauso wie die Fish Burritos am Parkplatz vor der Welle. Lippy Loi Whoop Whoop!

Fabian Omne

Mr Omne dürfte dem ein oder anderen als prägend aus der Freeksiing Szene der 2010er Jahre bekannt sein. Aus Falun in Schweden kommend, hat Fabian in den vergangenen Jahren keine Chance verpasst, sich zwischen schwedischer Ostsee und allen typischen Surf&Travel Destinationen dieser Welt in die Fluten zu schmeißen. Egal wie es dabei lief - sein Talent dafür, diesen Vorgang mit einer guten Prise Selbstironie und einem Hauch Zynismus abgemischt aufzuschreiben, hat Ihn zum idealen „Copy Jockey“ für diesen Artikel gemacht. Den gibts auf Nachfrage auch im Englischen Original zu lesen.

Simon Fitz

Wer Farbe mag und epische Surf Pics liebt ist bei Simon Fitz richtig. Aus der Marketingabteilung eines Surfcamp Anbieters heraus hat Simon sich zum Content Creator extraordinaire entwickelt. Inzwischen bestimmt er den Look von Pure Surfcamps ebenso, wie die Features des renommierten Surfers Journal über die europäische Longboard Szene. Während Simon die Baby Doll Section von Pavones aus Sicht des Loggers kommentiert hat, ist selbst Ihm ab und an nichts außer „krass“ eingefallen, angesichts der Geschwindigkeit die Marlon zwischen Sandbank und the Wall auf der Uhr stehen hatte.

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Fotos & Film Simon Fitz

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