Yorkshire Bluemag

Der Engländer an sich war ja schon immer etwas skurril, eigensinnig und manchmal auch ein bisschen nervig. Aber insgesamt schien er doch recht liebenswürdig zu sein. So ergab es sich, dass sehr viele Nicht-Insulaner mit der Zeit echte Fans der Britischen Inseln wurden. Blue Redakteur Tom Frey gehörte zu diesen Verehrern und Landschaft, Kultur, natürlich auch die Wellen, aber auch die Briten und sogar die Engländer lockten ihn zu unzähligen Ausflügen weg vom Kontinent in das Vereinigte Königreich. Er kam fast immer mit positiven bis euphorischen Berichten zurück (siehe die Features Kleine Fluchten - Yorkshire und Kleine Fluchten - Cornwall ).

Im Zuge der „Debatten“ rund um das Brexit Referendum flachte diese Euphorie bereits deutlich ab und erreichte im nachfolgenden Ausbruch von Fremdenhass und „Johnny Foreigner sowie die EU sind an allem schlechten im Königreich schuld“ Geblöke das von der Insel herüber schallte einen absoluten Tiefpunkt. Die – sagen wir es pathetisch – Liebe unseres Autors hatte sich in eine echte Aversion verwandelt. Zumindest der englische Teil der Insel war für Tom eine „No Go Area“ geworden.

Yorkshire Bluemag Swell 1

Nun begab es sich aber, dass Anfang Januar 2017 sich ein ordentlicher Sturm ankündigte, der für die Nordsee gewaltigen Nordswell bringen sollte.

5 Meter Swell bei bis zu 14 Sekunden Periode war angesagt. Leider sollte das aber an den heimischen Küsten einhergehen mit stürmischen Winden aus westlichen Richtungen, was nicht wirklich gute Wellen in Dänemark verspricht. Da Tom gleichzeitig von akutem Surfentzug geplagt war, tat sich nun ein Problem auf. Nordswell und westliche Winde konnten durchaus gute bis exzellenten Surf an der Nordsee bringen. Allerdings auf der anderen Seite des Teichs.

Die in Steilküsten tief eingeschnittenen Buchten und unzähligen Riffe Yorkshires wären eine exquisite Wahl für einen Kurztrip bei diesen Bedingungen. Die Vorhersage versprach dazu neben dem stürmischen Freitag den 13-ten noch mindestens drei weitere Tage mit nachlaufendem Swell und leichten bis gar keinen Winden noch dazu aus passenden Richtungen. Die Versuchung war groß und man soll sich ja auch ein Bild vor Ort machen und nicht nur die Berichte und Kommentare im Guardian lesen, bevor man abschließend urteilt.

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Also stellte unser Redakteur seine Aversionen zur Seite und beschloss sich in das Kampfgebiet zu begeben. Immerhin würden da ja auch ziemliche viele Einheimischen leben, die nicht so krass drauf waren. Außerdem stand da dieser eine linke Point immer noch unerledigt oben auf der To-Surf Liste.

Januar heißt günstige Flüge und trotz nur zwei Tagen Buchungsvorlauf ging das Ticket für den Flug von Hamburg nach Manchester und zurück für 130 Euro über den Tisch. Leider war der Flieger aber so klein, dass kein Surfbrett mitgenommen werden konnte. Am geplanten Basislager in Scarborough gibt es aber einen guten Surf Shop mit freundlichen (!) Betreibern, so dass die Brettleihe kein Problem sein würde. Eine Unterkunft in einem SurferHostel war auch aufzutreiben (20 Pfund die Nacht ist durchaus preiswert) und so waren die logistischen Voraussetzungen für 4 hoffentlich epischen Tage an der Nordsee schnell erfüllt.

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Zu Ergebnissen der – nicht repräsentativen - Befragungen der Ureinwohner nur so viel: Die Betreiber des Hotels – Paula und Mike, ein Surfer Paar mittleren Alters - waren extrem nett. Als Mike hörte, dass Tom aus Deutschland kam und noch ein Surfbrett braucht, lieh er ihm einfach eines von seinen Brettern, ein wunderschönes 8,8er Takayama mit Holzlaminat. 100 Sympathiepunkte.

Ein weiterer Mitbewohner im Hostel kam exakt von dem Ort in GB, der am weitesten von allen Meeren entfernt ist. Anreisedauer ca. 2 Stunden. Super netter Typ, weit von jeder Fremdenfeindlichkeit entfernt, 100 Sympathiepunkte.

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Dann was da noch der Buchhalter, der aus Brighton an der Kanalküste angereist war (Anreisedauer 5 Stunden). Der meinte zwar tatsächlich, dass die Beschränkung der Freizügigkeit von EU-Bürgern der einheimischen Bevölkerung helfen würde (die Briten haben das Problem, dass britische Arbeitgeber anstatt Einheimische auszubilden lieber gut ausgebildete Bürger aus anderen EU Ländern einstellen) sich besser zu qualifizieren und höhere Löhne zu bekommen. Aus Kontinentaleuropäer Sicht eine eher skurrile Lösung von hausgemachten britischen Problemen. Trotzdem war der Mann nicht generell gegen Fremde und sehr zuvorkommend gegenüber unserem deutschen Redakteur. 80 Sympathiepunkte.

Sonntagabend wollte unser Redakteur englisch essen gehen. Leider waren nur noch italienische Restaurants offen, die Briten beschäftigten, die versuchten italienisch zu sprechen. Wie fast auf der ganzen Welt leben Kellner ja fast ausschließlich vom Trinkgeld und waren auch hier sehr zuvorkommend. Ob sie Tom als einen vom Kontinent identifizieren konnten wissen wir nicht, von daher fällt dieses Ergebnis aus der Wertung. Begegnungen mit Einheimischen im Straßenverkehr verliefen oftmals unerfreulich. Aber das ist ja auch bei uns so und hat somit keine Aussagekraft.

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Fazit: Es scheint noch ein paar Menschen auf der Insel zu geben, die frei von Fremdenhass sind. Vielleicht sollte man die nicht alleine lassen und das (noch) Vereinigte Königreich nicht boykottieren. Außerdem können die Wellen da drüben echt ganz nett sein.

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Credits

Text und Bild: Tom Frey