Lars Bornhoeft Maldives

Ein Gastbeitrag von Lars Bornhöft

Ich lasse mich langsam von der Strömung in den Channel treiben. Mit zusammengebissenen Zähnen kämpfe ich gegen die Erkenntnis, die sich bleischwer in mir breit macht: Es geht nicht mehr! Auch nicht mit starken Schmerzmitteln. Winterswells auf den Kanaren fordern ohnehin einiges von einem ab. In meinem jetzigen Zustand ist jede Session eine Qual. Trotzdem kann ich mich kaum durchringen, mich endlich zu einem Orthopäden zu schleppen – Wahrscheinlich, weil mir schwant, dass ich mit der Diagnose nicht umgehen könnte.

Eine absurde Vorstellung eigentlich, sich so lange vor der Wahrheit zu drücken, bis einem nichts anderes übrigbleibt.

Doch so lange es unausgesprochen bleibt, kann man die Konsequenzen ignorieren. So lange es unausgesprochen bleibt, ist ein letzter Funke Hoffnung da, dass es vielleicht doch... „Ich rate Ihnen zu einer künstlichen Hüfte. Da ist mit Physiotherapie allein leider nichts mehr zu machen.“

 

Die Diagnose

Unglaube vermischt sich mit Trotz. Ich hole mir die Meinungen von fünf weiteren Experten ein. Jedes Mal das gleiche Urteil. Ich kämpfe mich mit Bewegungstherapie und Physio noch zwei Monate durch, bis ich Ende April wortwörtlich am Stock gehe. Hobby, Sport, Lebenseinstellung - Was bedeutet Wellenreiten für Dich? Das Schöne daran ist doch, dass jeder seinen eigenen Zugang findet und sich auf seine Art glücklich surft.

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Umgekehrt wiegt der eventuell endgültige Verlust dieses Glücks wahrscheinlich auch unterschiedlich schwer für jeden Einzelnen.

Mir persönlich setzt der Gedanke ganz schön zu, weshalb ich mich dann im Endeffekt auch für den chirurgischen Eingriff entscheide.

Freunde und Kollegen sind eine große Hilfe bei dieser Entscheidung; Auch wenn man letztendlich die alleinige Verantwortung für seinen Entschluss trägt, man muss da wirklich nicht allein durch. Besonders dann nicht, wenn die Möglichkeit besteht, dass man damit seine größte Leidenschaft endgültig begräbt. Zuversicht ist gut, Vertrauen ist besser! In Dr. med. Peter Mark finde ich einen Chirurgen, der mir genau das zurückgibt: Vertrauen. Vermittelt von meinem guten Freund und erstklassigem Osteopath Andreas Jäger. Mit diesen beiden an meiner Seite vereinbare ich einen OP-Termin – Und dann beginnt das Warten.

 

Die Operation

Es hätten genauso gut drei Monate sein können. Die drei Wochen bis zur Operation ziehen sich unerträglich in die Länge.

 

Gerade wenn man mit seinen Gedanken allein ist, sich den Tag gleichzeitig herbeisehnt und es am liebsten ganz absagen möchte, ist es schwer positiv zu bleiben.

 

Die Hoffnung auf eine zweite Chance spendet in einem Moment Kraft, um sie im nächsten Moment wieder zu nehmen. Ein Leben auf dem Trockenen kann und will ich mir einfach nicht vorstellen. Diese und ähnliche Gedanken wälze ich bis zum Tag X vor mir her. Dann ist es so weit: Am Morgen der OP spüre ich keine Schmerzen, dafür riesige Zweifel. Ich gehe ein, zwei verschiedene Fluchtszenarien durch, während mir Dr. Mark den Ablauf des Eingriffs im Detail erklärt. Ehe ich mich versehe liege ich präpariert auf der Bahre und werden von den Krankenschwestern in die Chirurgie gekarrt. „Zählen Sie langsam von 20 rückwärts, Herr Bornhöft.“

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Ich wache auf und die vermeintlichen Entscheidungen liegen endlich hinter mir. Ich fühle mich erleichtert – und als wäre ich unter die Räder gekommen. Platt wie eine Flunder liege ich im Bett, kann mich nicht bewegen und warte langsam darauf, dass die Schmerzen wiedereinsetzen;

 

Ich muss nicht lange warten, doch dieses Mal fühlt es sich anders an – Neuanfang, statt Abstellgleis.

 

Ich bleibe fünf weitere Tage im Krankenhaus. Fünf Tage und fünf schlaflose Nächte, da man mit künstlicher Hüfte keine bequeme Position finden lässt. Nachts liege ich also wach und starre Löcher in die Decke. Tagsüber lerne ich langsam wieder Laufen. Dann werde ich entlassen und von meinem Freund Andi und seiner Frau Heike für die Reha aufgenommen. Wie gesagt, man muss nicht allein dadurch.

 

Der lange Weg zurück

Wenn man auf den Kanaren lebt, wo die ärztliche Versorgung nicht immer die beste ist, sind Freunde wie die Jägers absolut Gold wert. Gemeinsame Leidenschaft verbindet, heißt es ja, doch auch nach vielen Surftrips und besonderen Momenten zusammen im Wasser, hätte ich mir die Unterstützung der beiden nie erträumen können. Über zwei Monate verbringe ich insgesamt in Berlin und pendle zwischen ambulanter Reha und Andis Team von Osteomed.

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Mit jedem besseren Tag wird die Sehnsucht nach dem ersten Surftrip größer. Was jetzt noch fehlt ist das nötige Vertrauen in die neue Hüfte. The Perfect Wave macht’s möglich! Mein Arbeitgeber gab das Ziel vor: Innerhalb von drei Monaten surfst du wieder – und das auf den Malediven!

Genau drei Monate später stehe ich auf einem TPW Charterboot in den Zentralen Atollen. Mit an Bord ist Nam Baldwin, Mental- und Fitness-Coach von Mick Fanning, der mich auf den letzten Metern in die richtige Verfassung bringt.

 

Am dritten Tag kann ich den Jungs nicht länger zusehen, wie sie sich die kopfhohen Sets teilen.

 

Ich lasse es demonstrativ ruhig angehen und schnappe mir ein 6‘8 Singlefin; jetzt bloß nichts überhasten; die ersten Paddelzüge genießen; gemächlich zum Peak ziehen. Bevor ich überhaupt Zeit zum Nachdenken bekomme, filtert ein Set über das Riff und ich bin in Position. Die alten Automatismen greifen, ich drehe mich um, drei Züge, die Crew im Wasser feuert mich an, ich stehe den Drop und surfe diese buchstäbliche Welle der Erleichterung, bis all die Monate des Leidens vergessen sind. I’m back in the game!

Lars Bornhoeft Surfing

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Anm.d.Red: Lars Bornhöft ist der COO by The Perfect Wave

Fotos: The Perfect Wave, privat